Gesundheitsminister Johannes Rauch begründete die etwas überhastete und verstolperte Abschaffung der Quarantäne auch damit, dass man der Bevölkerung etwas Ruhe gönnen und Emotion aus der Debatte rausnehmen müsse. Im Herbst stünden mit den Auswirkungen der Energiekrise ohnedies neue Belastungen an.

Diese Regierung hat längst nicht mehr die Kraft, sich zu wehren.
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Tatsächlich hat die Pandemie tiefe Gräben durch die Gesellschaft gezogen. Die Auseinandersetzung um die Richtigkeit der Maßnahmen wurde mit einer Härte und Unerbittlichkeit geführt, die uns überrascht haben. Die Impfgegner und Corona-Skeptiker bilden eine sehr diverse, aber kompakte Front gegen die Regierung, unterwandert oder getragen von einem sehr rechten Milieu. Diese Menschen eint weniger ihre Skepsis gegenüber den Corona-Maßnahmen als die wachsende Ablehnung des politischen Establishments.

Es ist ein hehres Anliegen der Regierung, die Lage beruhigen zu wollen. Die Zündschnur zur emotionalen Eskalation wird immer kürzer, und wenn sich das auf der Straße entlädt, kann das gefährlich werden. Eine Unruhe und Gereiztheit merken wir im Freundeskreis, im Arbeitsumfeld, im Bus und auf der Straße. Wie kurz die Zündschnur geworden ist, weiß auch der Gesundheitsminister, der auf Twitter die Nerven weggeworfen hat – im Deutungsstreit um die Corona-Maßnahmen.

Wir brauchen eine Rückkehr zur mehr Gelassenheit. Und es wäre schön, wenn auch die Regierung souveräner auftreten würde. Die Abkehr von den Quarantänebestimmungen war ein eher ungeschickter Versuch, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen. Die Motive der Regierung sind längst nicht so fromm, wie sie das darzustellen versucht. Plausibler sind die schlechten Umfragewerte, denen man auch angesichts von vier Landtagswahlen entgegenwirken möchte.

Kraftlose Regierung

Die schlechten Werte kommen allerdings nicht von irgendwoher, sondern sind das Resultat einer katastrophalen Performance der Regierung, insbesondere der ÖVP, der in jüngerer Vergangenheit unter anderem ihr Heilsbringer abhandengekommen ist. Mit Karl Nehammer ist vieles anders, in der Substanz aber nichts besser geworden.

Die aktuelle Schwäche der Regierung ist mit ein Grund dafür, warum diese so anfällig für Interventionen geworden ist. Die Wirtschaft und einige der Bundesländer wollten ein Ende der Sanktionen. Die Regierung hat längst nicht mehr die Kraft, sich zu wehren. Daher kommt jetzt auch eine "Strompreisbremse", die Nehammer und Werner Kogler vor kurzer Zeit noch wortreich abgelehnt hatten.

Die Regierung wird viel mehr liefern und wiedergutmachen müssen, wird ganz anders kommunizieren und sich erklären müssen, um dem von ihr angerichteten Vertrauensverlust etwas entgegenzusetzen. Mit einem heiter inszenierten Sommerministerrat ist es nicht getan, bei weitem nicht. So leicht lässt sich die Bevölkerung nicht hinters Licht führen. Für so "bescheuert", um bei der Wortwahl des Gesundheitsministers zu bleiben, braucht sie niemand zu halten. (Michael Völker, 27.7.2022)