Die dunklen Abhänge des Tithonium Chasma könnten von vulkanischem Sand gefärbt sein.

Foto: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Sie ist mittlerweile eine wahre Veteranin der Marsforschung: Die Sonde "Mars Express" der europäischen Raumfahrtorganisation Esa umkreist den Roten Planeten schon seit 2003. Vom Orbit aus vermisst Mars Express die Oberfläche des Mars – und beglückt uns mit gestochen scharfen Aufnahmen. Dabei kommt auch eine hochauflösende Stereokamera zum Einsatz. Das Instrument erlaubt nicht nur detaillierte Beobachtungen, sondern auch eine 3D-Rekonstruktion der Landschaft.

Die Schlucht der Superlative

Nun hat die Esa neue Aufnahmen der Sonde veröffentlicht. Mars Express nahm das Schluchtsystem Valles Marineris ins Visier. Vergleicht man diesen Graben mit dem Grand Canyon, werden die wahren Ausmaße greifbar. Mit einer Breite von 200 Kilometern und einer Tiefe von bis zu sieben Kilometern sind die Valles Marineris zwanzigmal weiter und fünfmal so tief wie die mächtige Formation auf der Erde.

Die Esa-Sonde Mars Express hat zwei Gräben des Schluchtsystems Valles Marineris unter die Lupe genommen.
Foto: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Darüber hinaus erstrecken sich die marsianischen Gräben auf einer Länge von etwa 4.000 Kilometern und sind damit zehnmal länger als die berühmte Schlucht des Colorado River. Damit würden die Valles von der nördlichsten Spitze Norwegens bis zum Südzipfel Siziliens reichen. Die Valles Marineris sind nicht nur das größte Schluchtsystem des Mars, sondern des gesamten Sonnensystems.

Neue Detailaufnahmen

Doch anders als der Grand Canyon entstanden die Valles Marineris nicht durch das langsame Einschneiden des Flusses. Als sich das nahegelegene vulkanische Tharys-Plateau aufwölbte, entstanden die Valles als ein Riss in der Marsoberfläche, den Erosion zusätzlich weitete. Die neuen Bilder von Mars Express zeigen zwei Gräben des Valles-Systems: das nördliche Tithonium Chasma und das Ius Chasma im Süden.

Eine andere Perspektive auf das Tithonium Chasma: Oben rechts sind die Spuren eines Hangrutschs erkennbar. Der sanfte "Hügel" im Vordergrund erhebt sich mehr als 3.000 Meter über die Talsohle.
Foto: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Was auf den Bildern nicht sichtbar ist, sind die Proportionen. Um sich die gigantischen Abgründe dieser Schluchten klarzumachen: Würde man zwei Großglockner übereinander im Graben versenken, würde nur ein kleiner Hügel über die Kante ragen. Schön zu sehen sind dagegen die verschiedenen Farben der Marsoberfläche.

Spuren von Wasser

Die vergleichsweise dunklen Sande an den Abhängen des Tithonium Chasma könnten von den vulkanischen Aktivitäten der Tharys Region stammen. Für Wissenschafterinnen und Wissenschafter sind auch die feineren Strukturen der Bilder interessant: So könnten die feinen Kräusel der Oberfläche Ablagerungen von längst verschwundenem Wasser sein.

Wer eine rot-blaue 3D-Brille zur Hand hat, kann auf diesem Bild die Aussicht auf die Valles Marineris genießen. Links liegt das Ius Chasma, rechts das Tithonium Chasma.
Foto: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Mars Express hat bereits zahlreiche Entdeckungen gemacht, die Mission läuft offiziell noch bis Ende des Jahres. Die Esa denkt allerdings bereits über eine Laufzeitverlängerung bis 2025 nach. Angesichts der faszinierenden Bilder scheint das wünschenswert. (dos, 29.7.2022)