Licht aus beim Berliner Dom.

Foto: IMAGO/Sabine Gudath

Auf den Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz ist Verlass. Hell wie immer heben sich Turm und Kugel abends vom blauschwarzen Nachthimmel ab. Viele Menschen genießen den lauen Abend, trinken, hören Musik und unterhalten sich.

Doch nur einen Steinwurf daneben sieht es anders aus. Kein Scheinwerfer erleuchtet die Marienkirche, auch das Rote Rathaus wirkt nicht so flammend rot, wie man es nächtens gewohnt ist. Es bietet sich ein irritierender Anblick, man ist es anders gewohnt.

"Da ist nur noch die Straßenbeleuchtung, die Strahler sind aus, selbst die Uhr wird nicht mehr beleuchtet", informiert der diensthabende Polizist und klärt auf, dass der helle Fernsehturm am Alex sich am Abend zuvor auch schon anders präsentiert hat: "Alles war dunkel. Nur die Warnlichter für die Hubschrauber waren in Betrieb." Nachsatz: "Die müssen ja immer an sein."

Senatsbeschluss

Doch sonst muss eigentlich gar nichts mehr in der deutschen Hauptstadt. Der Berliner Senat hat beschlossen, angesichts der steigenden Strom- und Gaspreise seinen Beitrag zum Energiesparen zu leisten und rund 200 öffentliche Gebäude nachts nicht mehr zu erhellen.

Zappenduster, wie man in Berlin sagt, ist es deswegen am Prachtboulevard Unter den Linden aber nicht. Es gibt natürlich noch die normale Straßenbeleuchtung, und einige Gebäude präsentieren sich auch noch lichtumflort. Denn: So schnell geht es nicht.

Der Senatsbeschluss ist noch recht frisch und muss erst einmal umgesetzt werden. Einfach am Schalter zu drehen geht nicht. Vielmehr müssen 1.400 Strahler von einer Fachfirma ausgeschaltet werden, korrekt: durch Abklemmen der Strahler in der Mastklappe, wie Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) mitteilt. Täglich gehen so 100 bis 120 Strahler außer Betrieb, in drei bis vier Wochen soll der Auftrag erledigt sein.

Abschalten kostet 40.000 Euro

Eine sofortige Einsparung bringt die Aktion nicht. Denn das Abschalten kostet 40.000 Euro. Das ist in etwa die Höhe der Stromkosten in einem Jahr, sie entspricht ungefähr dem Verbrauch von 150 Einpersonenhaushalten.

Dennoch ist Jarasch von der Aktion Finsternis überzeugt: "Angesichts des Krieges gegen die Ukraine und der energiepolitischen Drohungen Russlands ist es wichtig, dass wir möglichst sorgsam mit unserer Energie umgehen."

Der "alte Fritz" merkt das schon. Normalerweise ist das Reiterstandbild von Friedrich dem Großen, der Preußen von 1740 bis 1792 regierte, erleuchtet und gehört für Touristen zu den Hotspots Unter den Linden. Jetzt erkennt man gar nichts mehr, allerhöchstens eine schwarze Silhouette. "Es ist schon merkwürdig. Wir wollten natürlich Fotos machen", sagt ein Besucher aus Baden-Württemberg.

Brandenburger Tor leuchtet noch

Beim Berliner Dom ging das auch nicht mehr wie früher: Nur noch die Kuppel ist schwach erleuchtet. Jetzt will der Berlin-Tourist schleunigst ans Brandenburger Tor. Dieses nämlich leuchtet – noch. Bald aber soll auch hier Schluss sein.

"Als Tourismusmetropole macht sich die Stadt damit ein gutes Stück unattraktiver. Berlins Vorbild scheint nicht mehr Paris zu sein, sondern Pjöngjang", kritisiert der Berliner AfD-Fraktionschef Ronald Gläser.

Jenseits der Brandenburger Tors herrscht schon Finsternis. Normalerweise fährt oder geht man die Straße des 17. Juni Richtung Westen und hat stets die erleuchtete Siegessäule mit der "Goldelse" vor sich. Doch da ist einfach: nichts. Erst direkt davor sieht man: Nur der Sockel ist sehr schwach beleuchtet, der Rest liegt im Dunkeln.

Bundespräsident macht mit

Mit dabei sind auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Bundestag. In Schloss Bellevue ist die Beleuchtung der Außenfassade abgestellt, im Park gibt es nur noch Sicherheitslichter. Und das Reichstagsgebäude verzichtet nach Mitternacht auf die "künstlerische Illuminationsbeleuchtung" seiner berühmten Kuppel. (Birgit Baumann aus Berlin, 29.7.2022)