Die Omikron-Vakzine wurden ursprünglich an BA.1 angepasst. Jetzt müssen die Hersteller Daten zur Wirksamkeit gegenüber BA.5 nachliefern.

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Viele wollen mit der vierten Impfung auf ein an die Omikron-Variante angepasstes Vakzin warten. Doch lange gab es keine Infos dazu, wann denn der Impfstoff nun endlich verfügbar sein werde. Immer wieder flackerte in Fachkreisen kurz Euphorie auf, wenn Hersteller neue Daten veröffentlichten, aber dann wurde es doch wieder ruhig um angepasste Impfstoffe. Jetzt scheint das Warten zumindest in den USA ein Ende zu haben, wie die "New York Times" in der Nacht auf Freitag berichtete. Ab September soll dort der an die Omikron-Variante angepasste Impfstoff verabreicht werden.

Zwar hat auch in Europa die EU-Arzneimittelbehörde EMA bereits im Juni mit der Prüfung von Omikron-Impfstoffen der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna begonnen, aber dass die Vakzine hierzulande tatsächlich bis September zugelassen werden, sei wohl sehr optimistisch gedacht, aber möglich, findet Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Med-Uni/AKH Wien. Er rechnet bis spätestens November mit angepassten Impfstoffen.

Kauft die EU gesammelt Impfstoff oder jedes Land für sich?

Dass es in Europa länger dauert als in den USA, liegt am Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Zum einen hängt die rasche Verfügbarkeit der Impfstoffe vom Einkauf ab. "Die Verhandlungen werden diesbezüglich wohl schon laufen. Dabei geht es um die Frage, ob der Impfstoff von der EU gesammelt eingekauft wird, ob die EU das koordiniert oder ob die Nationalstaaten alle separat einkaufen."

Zum anderen liegt es an der Zulassung. Die Daten, die es dafür braucht, wurden zum Teil schon in klinischen Studien erhoben: "Das Vakzin wurde bei einem ähnlichen Kollektiv untersucht wie das, das dann tatsächlich damit geimpft werden soll, also Patientinnen und Patienten, die schon dreimal geimpft waren, denen der Impfstoff als zweiter Booster gegeben wurde." Aber die Daten reichen nicht. Damit ein angepasster Impfstoff zugelassen wird, muss er zwei Hauptvoraussetzungen erfüllen: Er muss gleich gut wirken wie ein Booster mit dem Ursprungsimpfstoff, aber statistisch besser wirksam gegenüber Omikron sein.

"Hier beginnt das Graufeld", sagt Zeitlinger, denn die aktuell zur Zulassung eingereichten Impfstoffe wurden ursprünglich an Omikron BA.1 angepasst. Mittlerweile kamen BA.2, 3, 4 und 5 hinzu, weshalb Impfhersteller auch diesbezüglich Daten nachliefern müssen. "Das zeigt, wie dynamisch dieser Prozess ist, manche Anforderungen kommen nahezu tagesaktuell hinzu", sagt der klinische Pharmakologe. Das Nachreichen dieser Daten sei laut Zeitlinger zwar kein wahnsinnig großer Aufwand, aber es müsse eben auch im Labor gemacht werden: "Man nimmt das Serum der Patienten, die bereits mit dem Impfstoff geimpft wurden, und schüttet es im Labor über mit BA.5 infizierte Zellkulturen drüber", erklärt Zeitlinger vereinfacht.

Bivalenter Impfstoff am wahrscheinlichsten

Der am Ende zugelassene Impfstoff wird deshalb wohl bivalent sein müssen – also gegen den Wildtyp als auch gegen Omikron wirksam sein. Monovalente Impfstoffe kommen dann zum Einsatz, wenn eine Erkrankung von einem einzigen Antigen oder Erreger-Subtypen ausgeht. Polyvalente Impfstoffe werden eingesetzt, wenn Krankheiten von verschiedenen Subtypen ausgelöst werden, wie etwa Influenza. Der jährlich neu zusammengestellte Grippeimpfstoff ist ein trivalenter Impfstoff, weil er drei verschiedene Stämme von Grippeviren enthält.

Moderna hat bisher Daten zu einem bivalenten Impfstoff gezeigt, die von Fachleuten als gut bewertet werden. Biontech/Pfizer haben sowohl Daten zu einem bivalenten als auch einem monovalenten BA.1-Impfstoff präsentiert.

Das "Vaccines and Related Biological Products Adivsory"-Komitee der US-Arzneimittelbehörde FDA hat vor etwa einem Monat dazu geraten, einen bivalenten Impfstoff, der BA.5 enthält, zu verwenden. "Das macht Sinn, weil Omikron so viel anders ist als alle anderen Virusvarianten, die zuvor zirkuliert sind", erklärt der Virologe Christoph Steininger von der Med-Uni Wien. Er geht davon aus, dass es langfristig wohl – so wie beim Influenza-Impfstoff – auch bei Corona trivalente und multivalente Impfstoffe geben wird, "weil wir nicht wissen, was nach Omikron kommt".

Zulassungsverfahren soll künftig kürzer werden

Angenommen, es würde im Laufe des nächsten Monats überraschenderweise Omikron BA.6 dominant werden, könnte sich die Zulassung nochmal weiter verzögern, weil die Hersteller auch hierzu wieder Daten liefern müssten? "Das glaube ich eher nicht", sagt Zeitlinger, "aber es können neue Auflagen dazukommen, etwa dass man dem Hersteller sagt: Bitte auch auf dieses oder jenes noch testen. Man wird die Zulassung aber nicht verzögern, sonst wird es ein Endlosspiel."

Die angepassten Corona-Impfstoffe sollen zwar auf schnellstem Wege durch das Zulassungsverfahren gewinkt werden, betonen Fachleute immer wieder, trotzdem dauert das Verfahren noch länger als etwa bei jährlich angepassten Influenza-Impfstoffen. Das liege daran, erklärt Zeitlinger, dass der saisonal angepasste Influenza-Impfstoff für die Zulassung keine klinischen Studien mehr braucht – es sei denn, es ändere sich grundlegend etwas an der Komposition, den Inhaltsstoffen oder der Formulierung. Künftig könnte das auch bei angepassten Corona-Impfstoffen der Fall sein, glaubt Zeitlinger: "Man nähert sich sukzessive an die Zulassungsverfahren von Influenza-Impfstoffen an." (Magdalena Pötsch, 30.7.2022)