Simon (28), Küchenchef: "Der Österreicher ist in der Arbeit unentspannt"

In Österreich ist in der Gastro der Wurm drin. Ich habe schon einiges gesehen: von der Hotelfachschule zur Saisongastro bis hin zur Hauben- und Fünf-Sterne-Hotel-Gastronomie. Heute bin ich Küchenchef in einem Hotel in der Schweiz. In Österreich zu arbeiten würde für mich nicht mehr infrage kommen. Der Österreicher jammert gern viel und ist in der Arbeit unentspannt. In meinem jetzigen Betrieb in der Schweiz kann tagsüber die Hütte brennen, und wir setzen uns am Nachmittag trotzdem zur Kaffeepause hin.

Simon (28), hat in seinem Berufsleben schon viele Stationen hinter sich. Aktuell arbeitet er als Küchenchef.
Foto: Hotel Kemmeriboden-Bad AG

Ich finde auch, in so manchen Saisonbetrieben in Österreich wird Misswirtschaft betrieben. Ich habe eine Wintersaison lang in einem Skiresort im Zillertal gearbeitet. Dort hatten wir eine Sechstage woche, jeden Tag zwölf Stunden. Die geplante Pause am Nachmittag ging sich nie aus, denn wir hatten zu wenig Personal. Für den sechsten Tag habe ich kaum etwas zusätzlich bekommen, am Gehaltszettel standen am Monatsende gerade mal 50 Euro mehr, statt 1600 waren es 1650 Euro. Gerade bei den Hoteldynastien im Westen, wo die Chefs mit ihren SUVs vorfahren, wäre eigentlich mehr Geld da. Aber ich war damals erst 20, sich auf die Füße stellen kann man in dem Alter noch nicht.

Trotzdem möchte ich betonen, dass ich abseits davon keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Ich liebe meinen Job und gewisse Sachen wird es in der Gastro immer geben, ein Nine-to-five-Job wird das nie sein. Man muss bereit sein, gewisse Opfer zu bringen.

Häufig wird in der Diskussion rund um die Gastro nicht der richtige Ton getroffen. Auf der einen Seite sieht man als Mitarbeiter, dass gewisse Sachen schlecht laufen. Wenn man aber so wie ich in der Position eines Küchenchefs ist, kennt man auch die unternehmerische Seite. Oft wird einseitig auf die Gastronomen hingehackt, die aber nur Teilschuld an der Misere haben.

Elisabeth (33), Köchin: "Rückblickend habe ich nur ein Wort dafür: Arg"

Das Credo in der Küche lautete: Je mehr du leidest, desto mehr bist du wert. Ich bin mit 28 als Quereinsteigerin in die Gastro gekommen. Ich wollte was hackeln, was angreifen und in die Scheiße greifen. Ich war eigentlich Fotografin und im Sozialbereich tätig, aber irgendwie hat mir ein "richtiger" Beruf gefehlt, eine Identität, mit der man sich schmücken kann. Um Praxiserfahrung für die Kochprüfung zu sammeln, habe ich in einem Haubenlokal in Niederösterreich als Küchenhilfe angefangen. Rückblickend habe ich nur ein Wort dafür: arg.

Körperlich und mental wurde viel verlangt. Ich bin täglich um 7 Uhr aufgestanden und um 23 Uhr heimgekommen. Am Nachmittag gab es offiziell drei Stunden Pause, aber wenn man seine Sachen für den Abend beinand’ haben wollte, hat man oft durchgearbeitet.

Die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie sind oft rau (Symbolbild).
Foto: Reuters/EMILIE MADI

Am ärgsten war aber die Mentalität in der Küche. Die kam gar nicht vom Chef, sondern viel mehr vom Team, in dem eine ganz eigene Dynamik herrschte. Wenn viel los war, war es ein einziger Rausch, durch den man sich selbst durchgepusht hat. Es ging nur darum, wie viel man aushält. Vor allem ich als Neue und als Frau. Ich hatte den Vorteil, schon gewisse Lebenserfahrung zu besitzen, trotzdem musste ich lange beweisen, dass ich zäh bin und ordentlich heben und tragen kann.

Irgendwann war dann aber ein Flow da. Das Teamwork und der Zusammenhalt waren auch schön, das war eine wichtige Erfahrung für mich. Ich möchte meine Zeit dort nicht missen. Die letzten Praxismonate habe ich aber in einem anderen Betrieb, einem kleinen Lokal ohne klassische Küchenhierarchie, absolviert. Dort wäre ich gerne länger geblieben, ich wurde aber schwanger und dann kam Corona.

Luisa (31), Köchin und angehende Bäckerin: "Ich kann mich in der Küche gut behaupten"

In der Küche ist es wie auf einem Schiff. Es gibt die Meute und die eigene Crew, mit der man gemeinsam in See sticht. Lief der Tag gut, ist es am Ende egal, wie viele Stunden man gearbeitet hat. Genau dieser Wahn, diese Irrwitzigkeit, Überforderung und gleichzeitige Endorphinausschüttung, die man Seite an Seite mit seinem Team erlebt, haben mich immer an der Küche fasziniert. Jemand von außen wird das nie nachvollziehen können.

Dass die Gastro ein Knochenjob ist, stimmt sicher. Mich haben immer alle vor der Küche gewarnt, dort sei es "hardcore". Mit 15 hätte ich das nicht geschafft, aber ich habe meine Kochlehre mit 23 begonnen, da stand ich schon ein wenig im Leben. Außerdem bin ich ein extrovertierter Mensch. Kein Hascherl zu sein hilft einem in der Küche sicher. Ich kann mich behaupten und habe mich in der männerdominierten Branche noch nie benachteiligt gefühlt.

Luisa (31) schätzt den Zusammenhalt in der Gastronomie. Sie arbeitet derzeit als Köchin und ist angehende Bäckerin.
Foto: Christian Benesch

Klar, mit dem Stress und Druck muss man schon umgehen können. Nicht alle halten dem stand und rutschen vielleicht in Drogen oder Alkohol ab. Man muss, am besten innerhalb des Teams, einen Ausgleich finden. Jeder bekommt Respekt, der diesen Wahnsinn durchdrückt. Das ist eine ganz eigene Art des Zusammenhalts.

Ja, manchmal kommt der Druck von innen. Ich hätte mir in meiner Lehrzeit sicher mehr Pausen nehmen können, aber ich wollte bei den Harten mitmischen. Hätte ich heute einen Lehrling, würde ich schauen, dass sie oder er die Ruhezeiten und Pausen strikt einhält.

Manchmal wünsche ich mir auch, mir hätte jemand in der Schule Arbeitsrecht beigebracht. Man wird in der Branche nämlich schnell mal verarscht, gerade was die Bezahlung angeht. Ich habe kein Problem mit einem Elf-Stunden-Tag, wenn die Bezahlung stimmt und man es sich in seiner Freizeit dafür gutgehen lassen kann. Aber oft schuftet man und hat das Gefühl, es kommt nicht genug zurück.

Aziz (32), Küchenhilfe und Runner: "Man kann auch als Quereinsteiger Geld machen"

Meinen ersten Job in der Gastro hatte ich in einem bekannten Wiener Traditionslokal. Dort war ich Küchen hilfe. Das war wohl bisher meine schlechteste Erfahrung. Wir hatten immer zwei Doppelschichten hintereinander, pro Tag 15 Stunden. Pausen gab es kaum. So wurde die Arbeit von vier Tagen in zwei erledigt. Man hatte danach zwar zwei Tage frei, körperlich war das auf Dauer trotzdem sehr anstrengend. Schlimmer war aber der Umgang mit uns: Wir Mitarbeiter mussten für das Essen im Lokal zahlen und Wasser aus der Leitung mit den Händen trinken, weil man nicht wollte, dass wir Gläser schmutzig machen. Ich habe es dort acht Monate ausgehalten.

Ich hatte damals nicht so viele Möglichkeiten, ich bin vor zehn Jahren als Asylwerber von Afghanistan nach Österreich gekommen und musste irgendwie Geld verdienen. Das Gute an der Gastro ist, dass man auch als Quereinsteiger Geld machen kann. Aber manchmal ist es schon arg. Ein Bekannter hat zwei Jahre in Linz in einem Lokal gearbeitet und dort in einer Mitarbeiterwohnung gewohnt. Er war in dieser Zeit sozial komplett isoliert und hat nichts gemacht, außer zu arbeiten und zu schlafen.

Heute habe ich mehrere Teilzeitjobs in der Gastro, ich arbeite in einem Restaurant, einer Bar und einem Nachtclub. Ich habe nette Kollegen und Chefs und verdiene ganz gut. Genug, um auch meine Familie in Afghanistan finanziell zu unterstützen. Das ist mir wichtig, die Lage dort ist sehr schlimm.

In der Gastro bleiben möchte ich nicht. Spätestens wenn ich eine eigene Familie habe, wünsche ich mir eine Fünftagewoche mit geregelten Arbeitszeiten. Ich würde gerne wieder als Baggerfahrer arbeiten, das ist eigentlich mein Beruf. Leider wird meine Ausbildung in Österreich nicht anerkannt.

Eva (28), Serviceleiterin: "Ich tue täglich das, was ich am liebsten mache."

Für die Gastro ist man geboren oder nicht. In meiner Klasse in der Tourismusschule waren wir 26. In der Gastro geblieben sind am Ende nur drei oder vier.

Ich persönlich liebe meinen Job. Ich bin seit acht Jahren im selben Betrieb im Service. Das ist in meiner Branche eher ungewöhnlich, die Fluktuation ist normalerweise höher. Aber mir geht es dort wirklich gut, das Team ist ein Traum, die Zusammenarbeit ist harmonisch, und die Bezahlung liegt über dem Kollektivvertrag. Außerdem werden die Trinkgelder gerecht mit allen, auch mit der Küche, geteilt. Das ist auch nicht überall selbstverständlich.

Eva arbeitet seit acht Jahren im gleichen Betrieb – derzeit als Serviceleiterin.

Ein großer Vorteil in meinem Betrieb ist sicher auch, dass wir geregelte Öffnungszeiten und meistens nur Mittagstisch haben. Somit gehen wir unter der Woche oft um 17 Uhr nach Hause. Ich persönlich würde den Satz "Die Gastro ist ein hartes Pflaster" daher nicht unterschreiben. Ich bin in einem vorbildlichen Betrieb, ich habe Glück.

Aber klar, Gastro ist nicht gleich Gastro. Auch finanziell gesehen überlegen sicher viele – vor allem nach Corona –, ob sie sich die Gastro wirklich antun wollen.

Auch ich habe Tage, an denen ich mich frage, warum ich keinen geregelteren Job habe. Wenn man am Wochenende mal wieder wo nicht dabei sein kann, tut das manchmal schon weh. Aber spätestens, wenn ich wieder vor meinen Gästen stehe, von denen ich positives Feedback bekomme, weiß ich, dass ich den richtigen Beruf gewählt habe.

Ich tue täglich das, was ich am liebsten mache, wie viele Menschen können das schon von sich sagen? (PROTOKOLLE: Viktoria Kirner, 30.7.2022)