Elden Ring bestraft uns, wo es nur geht.

Foto: From Software

"Videospiele haben keinen Einfluss auf unser Wohlbefinden" titelten wir dieser Tage im STANDARD. Forscher der Universität Oxford fanden heraus, dass wir uns durch Games nicht besser, aber auch nicht schlechter fühlen. 40.000 Personen ließen sich beim Zocken beobachten – und die Forscher fanden absolut nichts. Es ergab sich einfach kein Hinweis darauf, dass Gaming irgendeinen Einfluss auf unser Wohlbefinden hätte. Keine Erfüllung. Keine Entspannung. Kein Hochgefühl. Da war einfach: Nichts.

Nun ist eine derartige Leermeldung auch ein wissenschaftlicher Erfolg, für uns Gamerinnen und Gamer aber weniger. Denn das Argument wir müssten uns nach einem harten Arbeitstag jetzt unbedingt bei einem Rennen in Forza Horizon 5 entspannen oder in Call of Duty: Warzone der letzte Überlebende werden, statt in der Wohnung aufzuräumen oder endlich den Rasen zu mähen, zieht demnach einfach nicht mehr.

Zwang und Arbeit ruinieren das Hobby

Der einzige Faktor, den Gaming auf unsere seelische Gesundheit hat, ist die Art der Herangehensweise an ein Spiel, wie die Forscher herausfanden. Geht man mit einem Gefühl des Zwanges oder aus einer Art Pflichbewusstsein an ein Spiel heran, senkt das sehr wohl unser Wohlbefinden. Zwangsläufig fallen wohl jedem, der schon einmal eine Open World in Far Cry oder Assassin's Creed gesehen hat, die mit Icons und Aktivitäten vollgestopften Karten ein.

Die Karte von Assassin's Creed Unity gilt bis heute als das Negativbeispiel einer Open World.
Foto: Ubisoft

Die blinkenden Symbole auf der Map wollen abgearbeitet werden. Jede Aktivität, jedes noch so sinnfreie Collectible muss abgeschlossen oder gefarmt werden, bis die Lust vergeht. Selbst das seit den jüngsten Patches großartige Cyberpunk 2077 tappte ein bisschen in die Falle der gelben Rufzeichen auf der Karte der ansonsten beeindruckenden Welt von Night City. Dahinter verbargen sich leider viel zu oft lahme Quests wie "Stiehl dieses Objekt" oder "Töte diese Person". Plötzlich wirkt Aufräumen und Rasenmähen dann doch wieder verlockend.

Der minimalistische Souls-Ansatz

Die Gaming-Industrie hat selbst noch keine Rezepte gefunden, wie sie ihre Welten designt, damit sie sich eben nicht wie fade Arbeit anfühlen, sondern uns überraschen, uns begeistern und zum Erkunden einladen. Fallout 3 und Fallout: New Vegas kriegten das gut hin und auch Witcher 3 überflutete uns ebenfalls nicht mit Aktivitäten, sondern streute seine Monsternester, Quests und Aktivitäten einigermaßen sparsam in die große Welt. Doch ein Spiel hat es mit einem minimalistischen Ansatz geschafft die Open World von der lästigen Pflicht zu befreien: Elden Ring.

In Elden Ring dürfen wir keine Gnade erwarten. Gerade das macht Freude.
Foto: From Software

Ja, das Spiel ist bockschwer und ja, selbst vermeintlich einfache Gegner legen den Spielcharakter schneller um, als man "Stirb Margit, du grausames Mal" sagen kann. Das Spiel hilft einem nicht, nimmt uns nicht an die Hand, vermöbelt den Spieler, frustriert ihn, dreht ihn durch den Fleischwolf, spuckt ihn wieder aus und trampelt auf seiner Pixelleiche herum, bevor es ihm den Fortschritt in Form von Seelen oder Runen einfach wegnimmt.

Und das soll sich nicht wie Arbeit anfühlen? Das ist doch genau das Rezept, wie man Gaming nicht betreiben soll, wie uns die Wissenschaft gerade eben bestätigt hat. Nun, ich habe nichts vorzuweisen als anekdotische Evidenz – den Todfeind aller seriösen Wissenschaft. Aber: Elden Ring und auch die Vorgänger der Dark Souls-Reihe sind die entspannendsten Spiele, die je geschaffen wurden.

Die Karte ist zwar auch voll mit Symbolen, aber die drängen sich nicht wie Arbeit auf. Sie sind mehr ein Vorschlag: "Schau dir das an, vielleicht gibt es etwas Cooles zu entdecken." Oder man rennt in den Untergang, weil ein zweiköpfiger Drache nur darauf wartet den kleinen Ritter mit seinem Zahnstocher-Schwert zu verschlingen. Elden Ring zwingt niemanden zu seinem Glück oder heischt mit blinkenden Symbolen und dem Versprechen von mehr Credits oder einem superseltenen Skin für die Spielfigur um Aufmerksamkeit. Es lässt den Spieler entscheiden. Tu es, oder lass es. Dein Pech – oder dein Glück.

Die Freude an der Pein

Eben weil es mich absichtlich frustriert, weil es mich gnadenlos zerlegt, jeden Fehler schamlos ausnutzt und mir immer wieder sagt ich wäre nicht gut genug nimmt es mir gleichzeitig den Druck: Ich muss es nicht gut können, ich muss es nicht in einem Rutsch durchspielen und ich muss schon gar nicht erfolgreich sein und ich kann mich voll und ganz darauf einlassen. Es reicht völlig, wenn ich an einem Abend lerne einen neuen Gegnertypen zu Fall zu bringen, der eine Stunde vorher noch den Boden mit mir aufgewischt hat.

Es gibt aber auch ruhige Momente im neuesten Spiel von From Software.
Foto: From Software

Ich muss Sister Friede in Dark Souls 3 oder Lord Gofrey in Elden Ring nicht beim ersten Versuch besiegen, ich kann mich wochenlang beschäftigen, abends zwei bis drei Versuche wagen, und morgen wieder kommen. Ohne Zeitdruck, ohne Gefühl etwas erreichen zu müssen dauerte es bei mir zwar zwei Jahre, bis ich Dark Souls 3 durchgespielt hatte und bei Elden Ring bin ich trotz intensivem Zocken erst knapp bei der Hälfte angekommen – aber ich finde Entspannung darin, egal ob mir die Wissenschaft etwas anderes erzählen will.

Spiele sollten Spaß machen. Punkt

Eine Lehre hat uns die Studie gebracht und die ist so simpel, dass wir sie gerne aus dem Fokus verlieren: Ein Spiel muss Spaß machen. Geht man mit Autonomie und aus eigenem Antrieb in ein bockschweres Gefecht mit Lord Godfrey, dann macht es auch nichts, wenn er den Spieler zwanzig Mal verprügelt und seine Runen stiehlt.

Klar, ein E-Sport-Profi muss trainieren, immer dran bleiben und kommende Patches und Balancing-Änderungen schon vor dem Release mitbedenken. Aber das betrifft nicht einmal ein halbes Prozent der Spielerschaft. Wir können es uns leisten ein Spiel so zu spielen wie es uns Freude macht. Wir können es uns erlauben nicht besonders gut in einem Spiel zu sein und es trotzdem zu mögen. Wir können einfach ein paar Stunden lang Spaß haben – völlig egal, ob es der unfair schwierige Souls-Boss, der verflixte Fluchtabschnitt in Ori and the Will of the Whisps oder die Kuh in Stardew Valley ist.

Wenn das Ergebnis der Oxford-Studie schon enttäuschend wirken mag und uns Gamerinnen und Gamern in unserer Wahrnehmung widerspricht, so können wir doch etwas sehr Wertvolles aus ihr lernen. Fühlt sich ein Spiel wie Arbeit an, dann ist es das nicht wert. Dann geht einfach aufräumen oder den Rasen mähen. Und sonst: Pfeif auf die Wissenschaft und habt verdammt noch mal Spaß beim Zocken. Godfrey wartet. (Peter Zellinger, 31.7.2022)