Foto: Matthias Cremer

Dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eilt ein gewisser Ruf voraus, und das schon seit seiner Gründung im Jahr 2012: Präsident und Vizepräsident des größten Gerichts Österreichs wurden damals ein ehemaliger roter und ein ehemaliger schwarzer Kabinettschef. Auch danach wechselten immer wieder Parteigänger aus Ministerien ans Gericht. Kritiker sprachen von einem "sicheren Abstellgleis".

Schiefes Licht

Zehn Jahre danach sucht das BVwG nun erstmals einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin. Und auch diesmal geriet die Postenvergabe schon im Vorfeld in ein schiefes Licht: Laut dem türkis-grünen Sideletter sollte das Nominierungsrecht der ÖVP zustehen. Wohlgemerkt: Eine Personalkommission schlägt die besten Kandidaten vor, die Entscheidung liegt bei der Regierung, der Bundespräsident prüft.

Unabhängige Spitze

Nach zahlreichen Skandalen rund um mutmaßlichen Postenschacher wäre die Regierung gut beraten, dieses Mal bereits im Vorfeld jeden Anschein von Befangenheit bei der Nachbesetzung auszuschließen. Das BVwG entscheidet in heiklen Angelegenheiten wie dem Asylrecht, dem Vergaberecht oder dem Umweltrecht, Stichwort "dritte Piste". Nicht umsonst ist die politische Einflussnahme auf die Postenvergabe für Parteien besonders interessant. Umso wichtiger ist eine unabhängige, anerkannte Persönlichkeit an der Spitze des Gerichts. Ihren Sideletter sollte die Koalition endgültig ad acta legen. Ob sie so weit ist, werden die nächsten Wochen zeigen. (Jakob Pflügl, 1.8.2022)