Das Büro der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi (im Bild) bestätigte Besuche in Singapur, Malaysia, Südkorea und Japan.

Foto: APA/AFP/SAUL LOEB

Peking – China hat die USA erneut vor einer "sehr ernsten Lage und Konsequenzen" gewarnt, sollte die 82-jährige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, doch zu einem unangekündigten Besuch nach Taiwan reisen. Außenamtssprecher Zhao Lijian sagte am Montag vor der Presse in Peking, eine solche Visite wäre eine "krasse Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten".

"Die chinesische Seite ist umfassend auf alle Eventualitäten vorbereitet", sagte Zhao Lijian zu Spekulationen, dass Pelosi diese Woche im Rahmen ihrer Asienreise auch Taiwan besuchen könnte. "Die Volksbefreiungsarmee wird nicht tatenlos zusehen, und die chinesische Seite wird sicher energische und entschiedene Maßnahmen ergreifen, um unsere Souveränität und territoriale Integrität zu schützen."

Pelosi startete Asienreise

Pelosi startete am Montag an der Spitze einer Delegation des US-Kongresses eine Asienreise. Dazu traf sie zu Beginn in Singapur mit Ministerpräsident Lee Hsien Loong zusammen. Daneben sind noch Besuche in Malaysia, Südkorea und Japan geplant. Taiwan wird im offiziellen Programm der Reise nicht erwähnt. Trotzdem gab es zuletzt Spekulationen, dass es dazu kommen könnte.

In einer Presseaussendung vom Sonntag gab Pelosi bekannt, dass die Reise dazu dienen sollte, "um Amerikas starkes und unerschütterliches Bekenntnis zu unseren Alliierten und Freunden" im Indopazifik zu untermauern. Mit bei der Delegation ist etwa Mark Takano, der vergangenes Jahr eine Gruppe von Abgeordneten nach Taiwan geführt hat. Dort hat er auch die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen getroffen – sehr zum Ärger von Peking.

Taiwans Ministerpräsident Su Tseng-chang wich am Montag einer klaren Antwort aus, ob Pelosi am Donnerstag nach Taiwan kommen werde. "Wir begrüßen immer Besuche hochdekorierter ausländischer Gäste in unserem Land", sagte er in der Hauptstadt Taipei zu Reportern. Das Außenministerium der Insel setzte am Montagnachmittag nach, dass es "keinen Kommentar" zu Pelosis Reiseplänen gäbe, und auch keine weiteren Informationen, die man mit der Presse teilen wolle.

Taiwanische Medien berichteten aber am Montagabend, dass Pelosi bereits am Dienstag plane, nach Taiwan zu kommen. Sie plane außerdem, eine Nacht in Taipeh zu verbringen und am Mittwochvormittag das Parlament zu besuchen, hieß es zum Beispiel bei der "Liberty Times".

Ministerpräsident Su Tseng-chang wich am Montag einer klaren Antwort aus, ob Pelosi am Donnerstag nach Taiwan kommen werde. "Wir begrüßen immer Besuche hochdekorierter ausländischer Gäste in unserem Land", sagte er in Taipeh zu Reportern.

China: "Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen"

Pelosi ist seit langem eine scharfe Kritikerin Chinas. Als Vorsitzende der Abgeordnetenkammer ist die Demokratin die dritthöchste Vertreterin der USA nach Präsident Joe Biden und Vize-Präsidentin Kamala Harris. Hinzu kommt, dass Pelosi in einem Militärflugzeug reist.

Als bisher letzter Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses hatte 1997 der Republikaner Newt Gingrich Taiwan besucht. Damals war der Politiker rund drei Stunden im Land gewesen, hat den damaligen Präsidenten getroffen und hat im Zuge seines Asientrips betont, dass die USA Taiwan verteidigen würden. Die Reise ist lange her, der Konflikt hat sich seitdem im Kern aber nicht grob geändert.

Chinas Führung betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und lehnt offizielle Kontakte seiner diplomatischen Partner zu der Regierung in Taipeh ab. Denn beide Seiten des Konflikts, Taipeh und Peking, betrachten sich selbst als rechtmäßige Vertreter Chinas. Der Konflikt, der auf die Ursprünge des modernen chinesischen Staates zurückgeht, konnte Anfang der 1990er-Jahre mit einem pragmatischen Kompromiss entschärft werden: Vielleicht sind die Auffassungen darüber, wer nun rechtmäßiger Vertreter Chinas ist, unterschiedlich, doch Einigkeit gibt es über die Tatsache, dass es nur ein China gibt. Gerade in den vergangenen Jahren sind aber Stimmen auf der Insel lauter geworden, die die Unabhängigkeit fordern.

Spiel mit dem Feuer

Nach chinesischer Lesart würde ein Besuch Taiwans von Pelosi ein Signal der Hoffnung an eben jene Unabhängigkeitsbefürworter in Taiwan senden beziehungsweise an all jene, die die Führung in Taiwan in der China-Frage unterstützen. Die USA haben keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu dem Inselstaat, sehr wohl aber enge informelle Beziehungen.

Der chinesische Präsident Xi Jinping hatte Biden zuletzt aufgefordert, das von Peking verfolgte Ein-China-Prinzip anzuerkennen und hinzugefügt: "Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen." Die US-Präsidialverwaltung hat nach eigenen Angaben vom Freitag keine Hinweise auf ein bevorstehende Militäraktivitäten Chinas gegen Taiwan. China hat in der Vergangenheit mehrfach mit Manövern nahe der Insel seinen Anspruch unterstrichen.

Auch Briten sollen Taiwan-Besuch planen

Nach den USA plant offenbar auch Großbritannien die Reise einer hochrangigen Delegation trotz chinesischer Drohungen nach Taiwan. Der Auswärtige Ausschuss des Parlaments wolle im November oder Dezember die Inselrepublik besuchen, berichtete der Guardian unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen. Weder vom Ausschuss noch von Vertretern Taiwans waren zunächst Stellungnahmen zu erhalten.

Angespannte Lage

Der russische Einmarsch in der Ukraine hat Befürchtungen verstärkt, dass sich China die demokratische Inselrepublik auf ähnliche Weise gewaltsam einverleiben könnte. Seit den 1990er-Jahren sind die Spannungen um Taiwan nicht mehr so hoch gewesen. Chinas Staats- und Parteichef Xi betrachtet es als seine Mission, die "Vereinigung" umzusetzen, und droht mit einer militärischen Eroberung.

Die USA wiederum haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet – was bisher vor allem Waffenlieferungen bedeutet. Allerdings ist Präsident Joe Biden weiter gegangen als seine Vorgänger und hat es mehrmals als "Verpflichtung" der USA bezeichnet, Taiwan im Falle eines Angriffs durch China zu verteidigen. Traditionell gehört eigentlich jene "strategische Ambiguität" zur Politik der USA bezüglich Taiwan. (APA, saw, 1.8.2022)