Das mittlerweile abgebaute Banner des Künstlerkollektivs Taring Padi mit antisemitischer Bildsprache – nun soll ein Expertenteam die Schau begleiten.

Foto: IMAGO/Hartenfelser

Kassel – Vor dem Hintergrund der Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta fifteen in Kassel werden sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die Weltkunstschau in den kommenden Monaten begleiten. Das teilten die Gesellschafter der Schau, die Stadt Kassel und das Land Hessen, am Montag mit.

"Wir erwarten, dass unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit Hinweisen auf mögliche antisemitische Bildsprache und Beförderung von Israel-bezogenem Antisemitismus nachgegangen wird", betonte der Aufsichtsratsvorsitzende, Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD). Den Vorsitz des Gremiums übernimmt demnach Nicole Deitelhoff, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) und geschäftsführende Sprecherin des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ).

Die documenta, die zu den wichtigsten Kunstausstellungen der Welt gehört, wird seit Monaten von Antisemitismus-Vorwürfen überschattet. Bereits im Jänner waren erste Stimmen laut geworden, die dem indonesischen Kuratoren-Kollektiv Ruangrupa und einigen eingeladenen Künstlern eine Nähe zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS vorwarfen. Kurz nach Eröffnung der Ausstellung Mitte Juni war ein Banner mit judenfeindlichen Motiven entdeckt und abgebaut worden. Vergangene Woche tauchten neue Werke auf, die für scharfe Kritik sorgten.

Experten als Maßnahme zur Aufarbeitung

Angesichts der Vorfälle hatte der Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Geselle und seine Stellvertreterin, Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne), Mitte Juli verschiedene Maßnahmen zur Aufarbeitung beschlossen, darunter die Einsetzung einer fachwissenschaftlichen Begleitung.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind den Gesellschaftern zufolge für die erste Bestandsaufnahme der Abläufe, Strukturen und Rezeptionen rund um die documenta fifteen zuständig. Sie sollen demnach Empfehlungen für die Aufarbeitung geben und erörtern, welche Aspekte einer vertieften wissenschaftlichen Analyse bedürfen. "Außerdem werden sie bei der Analyse möglicher weiterer antisemitischer Bildsprache und Sprache sowie bereits als antisemitisch identifizierten Werken beraten", hieß es in der Mitteilung.

Zustimmung durch Kulturstaatsministerin

Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat die Berufung eines Gremiums zur Begleitung der documenta in Kassel nach dem Antisemitismus-Eklat begrüßt. "Eine solche breit aufgestellte fachwissenschaftliche Begleitung dieser Kunstausstellung ist notwendig und überfällig", sagte die Grünen-Politikerin am Montag in Berlin. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sieht sie vor einer Aufgabe. "Wichtig ist, dass dieses Gremium auch die Abläufe und Strukturen der documenta in den Blick nimmt", wird Roth in einer Mitteilung zitiert "Diese Expertise darf dann auch nicht folgenlos bleiben." Insbesondere die Kritik und Einschätzungen in Bezug auf Zeichnungen des Künstlers Burhan Karkoutly müssten sehr ernst genommen werden und dem sollte jetzt "unbedingt und unmittelbar" nachgegangen werden. "Mit der Kunstfreiheit geht in öffentlich geförderten Kulturinstitutionen Verantwortlichkeit einher", sagte Roth.

(APA, 01.08.2022)