Der chaldäische Patriarch Kardinal Louis Raphael Sako warnt vor einem politischen "Tsunami", "der alles wegfegen" könnte.

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Bagdad – Der chaldäische Patriarch Kardinal Louis Raphael Sako hat angesichts der politischen Krise im Irak eindringlich zu einem nationalen Dialog gemahnt. Sako forderte die politischen Führer und religiösen Autoritäten am Sonntag auf, ihre Blockadepolitik zu beenden, bevor es zu einem "Tsunami" komme, "der alles hinwegfegt". Laut Kathpress-Meldung von Montag beklagte Sako die grassierende Korruption und eine Politik, die nur am Vorteil der eigenen Klientel orientiert sei.

Seit den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst tobt im Irak ein erbitterter Machtkampf, die Gesellschaft ist tief gespalten. Der Konflikt hat am Wochenende mit Demonstrationen in der Grünen Zone in Bagdad und der Stürmung des Parlaments durch Anhänger des einflussreichen schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadr einen neuen Höhepunkt erreicht.

Pattsituation ohne Regierung

Mit den Protesten will die Sadr-Bewegung verhindern, dass ihre ebenfalls schiitischen politischen Gegner um Ex-Regierungschef Nouri al-Maliki eine Regierung bilden können. Die Rivalen des 47 Jahre alten Religionsführers al-Sadr hatten vor kurzem einen eigenen Kandidaten als Premier vorgestellt. Aus Sicht Sadrs steht aber der für das Amt vorgesehene ehemalige Minister Mohammed Shiya al-Sudani Ex-Premier Maliki viel zu nahe. Sadr und Maliki sind verfeindet. Außerdem sympathisieren Maliki und dessen Allianz offen mit dem Nachbarland Iran. Sadr wiederum möchte den Einfluss der Führung in Teheran zurückdrängen.

Fast zehn Monate nach der Parlamentswahl befindet sich der Irak in einer Pattsituation ohne neue Regierung. Sadrs Bewegung ging bei den Wahlen als klarer Wahlsieger hervor, konnte jedoch nicht die wichtige Zweidrittelmehrheit erreichen, die für die Präsidentenwahl erforderlich ist. Erst mit Unterstützung des Präsidenten kann eine neue Regierung gebildet werden. Die Unzufriedenheit und der Frust in der irakischen Gesellschaft über weitere zehn Monate politischen Stillstands nehmen ständig zu. (APA, 1.8.2022)