Ganze 150 Einwohner zählt das Dorf Seitelschlag in der Gemeinde Ulrichsberg im oberen Mühlviertel. Man hat in dieser Böhmerwald-Idylle durchaus gelernt, mit dem Tourismus zu leben. Das Skigebiet Hochficht ist im Winter nahe – im Sommer der Golfpark Böhmerwald noch näher.

Wir befinden uns im Jahr 2022. Die ganze heimische Skiwelt wird von der Schröcksnadel-Gruppe dominiert. Die ganze Skiwelt? Nein! Ein von unbeugsamen Mühlviertlern bevölkertes Dorf hört im Moment nicht auf, Widerstand zu leisten.
Foto: Karin Bayr

Doch für die Seitelschläger gibt es offensichtlich ganz klare touristische Grenzen. Den Punkt, an dem der Nutzen für die Region in den Hintergrund rückt und willige Projektbetreiber plötzlich auf Mühlviertler Granit beißen. Grund dafür, dass der Haussegen im oberen Mühlviertel aktuell schief hängt, ist der geplante Bau eines Appartement-Komplexes. Ein ähnliches Aparthotel wird aktuell in Hinterstoder betrieben.

Heilige Beteiligung

Konkret soll direkt neben dem Klubhaus des örtlichen Golfplatzes eine Hotelanlage mit 73 Appartements in vier Häusern entstehen – in "kombinierter Stein- und Holzbauweise" und mit insgesamt 330 Betten. Projektbetreiber ist die Schröcksnadel-Gruppe gemeinsam mit dem Stift Schlägl.

Nachdem sich der Ulrichsberger Gemeinderat bis auf eine Enthaltung einstimmig für die Einleitung des Umwidmungsverfahrens ausgesprochen hat, laufen aktuell die Behördenverfahren. Konkret ist eine Widmungsänderung von Grünland/Erholungsgebiet – Golfplatz in Bauland/Tourismusgebiet geplant.

Was man im Dorf Seitelschlag nicht hinnehmen will. Mit einer eigenen Petition setzt man sich nun gegen die "völlig überdimensionierte Anlage" zur Wehr. Unerwähnt darf dennoch nicht bleiben, dass die Reihen der 150 Dorfbewohner nicht ganz geschlossen sind. Denn das aktuell für den Golfbetrieb gepachtete Areal müsste im Zuge der Umwidmung angekauft werden. Und die betroffenen Seitenschläger Grundbesitzer sind ganz offensichtlich zum Verkauf bereit.

Auf Gegnerseite befürchtet man hingegen ein deutliches Plus beim Verkehr sowie eine massive Zerstörung des Orts- und Landschaftsbilds, zudem sei die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung derzeit ungelöst. Und es bestehe die Gefahr, dass "mit Blick auf Hinterstoder" auch in Seitelschlag Appartements letztlich als Zweitwohnsitze verkauft werden.

"Wir haben das Gefühl, dass über die Bevölkerung einfach drübergefahren wird. Da ist überhaupt nichts transparent gelaufen", sagt Mario Lang, Sprecher der örtlichen Bürgerinitiative. Man habe vor gut zwei Jahren mitbekommen, dass da etwas passiert. "Da wurden plötzlich Bauern im Ort gefragt, ob sie Gründe verkaufen würden. Im Mai des heurigen Jahres ist dann deutlicher geworden, dass etwas Größeres geplant ist", sagt er.

Er habe damals dem Bürgermeister von Ulrichsberg geschrieben und nachgefragt, erzählt Lang: "Zurück kam nur die knappe Antwort, dass eh noch nichts fix ist." Außerdem wisse Bürgermeister Wilfried Kellermann (ÖVP) nicht, wie groß das Projekt werde, habe er geantwortet. "Und zwei Wochen später halte ich dann die Gemeindezeitung in Händen, in der steht, dass es bis Ende Juli ein Bürgerbeteiligungsverfahren gebe, bei dem man Einwendungen einbringen könne."

Natur und Landschaftsbild

Man sei prinzipiell nicht gegen einen Hotelbau in der Region. "Aber nicht in dieser Größenordnung. Diese großen Gebäude passen überhaupt nicht in die Landschaft. Wir haben einen Kompromiss vorgeschlagen. Mit 100 Betten könnten wir gut leben. Das ist auch hinsichtlich der Auslastung in unserer Region realistisch." Die Chancen, das Projekt noch zu kippen, seien aber gering, glaubt Lang. "Wir haben über 400 Unterschriften aus der Region gegen das Projekt gesammelt. Aber wenn sie es durchziehen wollen, werden sie es auch durchziehen. Aber ich will zumindest nicht sagen müssen, ich hätte nichts dagegen gemacht."

Rückendeckung bekommen die Gegner jedenfalls von der oberösterreichischen Umweltanwaltschaft. In einem Gutachten wird das Hotelprojekt regelrecht zerpflückt: "Die geplante Umwidmung bzw. sodann widmungskonforme Nutzung führt zu maßgeblichen, nachhaltigen und massiv negativen Beeinträchtigungen und Eingriffen in die Umwelt und hat dauerhafte und maßgeblich disharmonische Auswirkungen auf Naturhaushalt und Landschaftsbild", heißt es dort. Zudem sei mit einer "mehr als deutlich spürbaren Intensivierung des Individualverkehrs" zu rechnen.

Standorttreue

Die Projektbetreiber zeigten sich auf Nachfrage "über den massiven Widerstand" überrascht. "Was das Thema Wasserversorgung und Verkehr betrifft, werden wir sicher eine für alle befriedigende Lösung finden. Und das Thema Zweitwohnsitz ist keines, da die Widmung ausschließlich eine touristische Nutzung erlaubt", sagt Franz Xaver Gruber, Sprecher der Vereinigte Bergbahnen GmbH. Am Standort wolle man trotz des Gegenwinds festhalten. Gruber: "Einen besseren Platz für alle Beteiligten und alle Ziele für die Gemeinde und Region, Betriebe und Arbeitsplätze sehen wir nach monatelanger Untersuchung nicht."

Zudem würden für die Errichtung keine wertvollen Ackerflächen versiegelt und nur geringe Infrastrukturerweiterungen notwendig sein. Der Hotelbau sei vor allem eine längerfristige Absicherung der Region Hochficht. "Sowohl für den Sommer- als auch den Wintertourismus." Hinsichtlich der Dimensionen brauche es eine Größe, mit der eine "nachhaltige und wirtschaftliche Nutzung möglich ist", sagt Gruber.

Zumindest räumt man aber bei der Bergbahnen GmbH ein, bislang "nicht proaktiv auf die Bevölkerung zugegangen zu sein". Gruber: "Wir haben vor allem mit den Verantwortlichen der Gemeinde kommuniziert, werden aber künftig den direkten Kontakt zur Bevölkerung intensivieren."

Ein Plan, den auch der Ulrichsberger Ortschef Kellermann verfolgt: "Wir werden uns jetzt anschauen, welche Aspekte im Rahmen des Bürgerbeteiligungsverfahrens aufgezeigt werden. Und auf jeden Fall die Bedenken der Seitelschläger ernst nehmen." (Markus Rohrhofer, 2.8.2022)