Das Monumental-Sgraffito des NSDAP-Kulturfunktionärs Karl Reisenbichler am Salzburger "Anker-Haus".

Foto: Thomas Neuhold

Es ist ein ziemlich großer Brocken, den Salzburgs Baustadträtin Martina Berthold vor sich hat: Die Grün-Politikerin geht gerade daran, die Sanierung von zwei zentralen Altstadtplätzen zu organisieren. Der Residenzplatz im Zentrum der Altstadt und der Kajetanerplatz im Kaiviertel sind bereits runderneuert, jetzt sind der Mozartplatz und der Waagplatz an der Reihe. Sie sei jedenfalls "wild entschlossen", die Neugestaltung des Waag- und des Mozartplatzes "auf qualitätsvolle, menschenfreundliche und klimafitte Beine zu stellen", sagt Berthold im STANDARD-Gespräch.

Einfach ist so ein Projekt im historisch wie architektonisch sensiblen Weltkulturerbebereich nicht. Alles geschehe in enger Abstimmung mit dem Denkmalamt und der Sachverständigenkommission von Land und Stadt für die Altstadterhaltung.

Schotter statt Asphalt

Aktuell bereite ihr Ressort die Ausschreibungen für den Architekturwettbewerb vor, berichtet Berthold. Basis dafür ist ein über 40 Seiten starkes bauhistorisches Amtsgutachten. Hinzu kommen die politischen Zielsetzungen der Ressortchefin. Berthold spricht von "Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit der Materialien, konsumfreien Räumen, Sitzmöblierung für unterschiedliche Gruppen" und auch von "Baumpflanzungen oder Teilentsiegelungen". Teilentsiegelung bedeutet konkret, dass der Mozartplatz im Kernbereich geschottert werden könnte wie aktuell bereits der Residenzplatz.

Was Berthold im STANDARD-Gespräch nur andeutet, sind die zu erwartenden politischen Querelen. Beide Plätze sind zwar offiziell Fußgängerzone, werden aber auch als Autoabstellflächen benutzt. Wer die Autos aus der Altstadt verbannen möchte, wird voraussichtlich auf Widerstand stoßen: vor allem von der ÖVP. Berthold schlägt daher – quasi präventiv – schon jetzt vor, den in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Basteiparkplatz in einen Parkplatz für die Anrainer und Anrainerinnen umzuwandeln. Dieser wird derzeit vor allem von Innenstadttouristen gegen Bezahlung genutzt.

Baubeginn 2024

Baubeginn soll laut Berthold 2024 sein; begonnen wird mit dem Waagplatz. Für die Umgestaltung von Salzburgs ältestem Platz, einst auch Markt- und Gerichtsplatz der Stadt, wo die öffentliche Hauptwaage stand, seien 1,3 Millionen Euro budgetiert. Der wesentlich größere Mozartplatz finde sich noch nicht im Stadthaushalt, sagt die Baustadträtin.

Der kleine Waagplatz (links hinten) und der doch recht große Mozartplatz in der Stadt Salzburg. Im Hintergrund der Kapuzinerberg.
Foto: Alexander Killer/Stadt Salzburg

Derzeit präsentiert sich der Platz zwischen Judengasse und Mozartplatz als ziemlich unansehnlicher Asphaltfleckerlteppich und ist regelmäßig völlig zugeparkt. Berthold schwebt vor, das Wasser des unter dem Platz Richtung Salzach fließenden Almkanals sichtbar zu machen und für einen Brunnen zu nutzen.

Ein eigenes Thema am Waagplatz wird wohl das Haus mit der Adresse Waagplatz 1 werden, im Volksmund schlicht "Anker-Haus" genannt. Der Name rührt von einer Versicherung, die hier ihren Sitz hatte. Ein überdimensionales Sgraffito an der Fassade erinnert bis heute daran.

Karl Reisenbichler

Dieses Sgraffito an dem Haus, das einem Salzburger Immobilienentwickler und Geschäftsmann gehört, ist Gegenstand eines Antrags von KPÖ-Gemeinderat Kay-Michael Dankl an Kulturressortchef und Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ). Dankl, selbst Historiker, erinnert daran, dass das mit verschiedenfarbigen Verputzschichten (Sgraffito) gestaltete Nazi-Kitsch mit dem Titel "Aussaat und Ernte eine äußerst "problematische Urheberschaft" hat: Karl Reisenbichler trat bereits 1933 der NSDAP bei und war während der Nazi-Herrschaft führender Kulturfunktionär in Salzburg. Unter anderem war er Landesleiter der Reichskammer für bildende Künste.

Erläuterungstafel

Das Bild aus dem Jahr 1928 selbst ziele auf die Verknüpfung von "Volk" und "Boden" ab, heißt es in Dankls Antrag. Gemeint ist damit die "Blut-und-Boden-Ideologie", die zu einem wesentlichen Bestandteil der Nazi-Ideologie wurde. Demzufolge war der "arische Volkskörper" mit seinem Siedlungsgebiet besonders verbunden. Diese Verwurzelung sei wiederum Grundlage eines "gesunden Staates" und bilde den Gegensatz zum "jüdischen Nomadentum". "Ein überdimensionales Sgraffito mit Blut-und-Boden-Bildsprache eines NS-Künstlers prangt unkommentiert im Herzen der Salzburger Altstadt. Das ist schon verwunderlich", erklärt Dankl dem STANDARD.

Er erinnert an die stadteigene Geschichtskommission, die für die Reisenbichler-Straße im Stadtteil Aigen eine entsprechende Erläuterungstafel zur Vergangenheit des 1962 verstorbenen Nazi-Künstlers empfohlen hat: "Es ist nur konsequent, auch das Sgraffito in der Altstadt aus der Feder desselben Künstlers mit Erläuterungstafeln kritisch einzuordnen."

Ähnliche Erläuterungstafeln gibt es in Salzburg jedenfalls schon. So wurden vor wenigen Jahren die zwei Thorak-Statuen im Kurgarten mit Hinweistafeln versehen, die auf die nationalsozialistische Gesinnung von Hitlers Lieblingsbildhauer Joseph Thorak verweisen. (Thomas Neuhold, 3.8.2022)