Eine Frau steht vor einem Memorial für fünf im Zuge der Salem-Hexenprozesse erhängte Frauen.

Foto: Stephan Savoia / AP

Es waren Monate voller Paranoia und Angst: Die Hexenprozesse von Salem brachten zwischen 1692 und 1693 mehr als 200 Personen – hauptsächlich Frauen – vor Gericht. Zwanzig wurden in der damaligen englischen Kolonie Massachusetts, heute USA, hingerichtet. Auslöser war der Fall dreier junger Mädchen, die aus Sicht der Dorfbewohner seltsame Geräusche von sich gaben und wunderliche Posen einnahmen.

Der Grund war damals schnell gefunden: Der Teufel musste von ihnen Besitz ergriffen haben. Drei Frauen sollen im Austausch gegen magische Fähigkeiten einen Pakt mit ihm geschlossen und die Mädchen verdorben haben. Als eine von ihnen gestand, war der Bann gebrochen. Die wörtliche Hexenjagd nahm ihren Lauf.

Die Letzte ihrer Art

Nach den Prozessen wurde vielen Verantwortlichen bewusst, dass hier Unrecht geschehen war. Einige Richter gaben öffentlich zu, falsch gehandelt zu haben. Im Jahr 1711 erließ die Kolonie schließlich ein Gesetz, das den Ruf von allen damals Verurteilten wiederherstellte. Hinterbliebene und Nachkommen erhielten eine Wiedergutmachungszahlung. Es dauerte allerdings bis 1957, bis sich der US-Bundesstaat Massachusetts für das Unrecht von damals entschuldigte. Und erst in der vergangenen Woche wurde tatsächlich die letzte der verurteilten Personen freigesprochen: Elizabeth Johnson Jr. gilt 325 Jahre später nicht mehr als Hexe.

Geschafft hat das eine Klasse der achten Schulstufe aus North Andover in Massachusetts mit einem Projekt in ihrem Staatsbürgerschaftsunterricht. Die Teenager – unter der Leitung ihrer Lehrerin Carrie LaPierre – beschäftigten sich zum ersten Mal vor drei Jahren mit dem Fall von Johnson Jr.

Die Frau lebte auf dem heutigen Gebiet von North Andover und war eine von 28 Personen ihrer erweiterten Familie, denen 1692 Hexerei vorgeworfen wurde. Über ihren Lebenslauf weiß man recht wenig – nur so viel, dass sie 1670 geboren wurde, kinderlos und möglicherweise mental beeinträchtigt war. Johnson Jr. wurde nach einem Geständnis zum Tod verurteilt, erhielt aber durch den Gouverneur eine Begnadigung und starb erst im Alter von 77 Jahren.

Ohne Nachkommen

Dass Johnson Jr. – im Gegensatz zu allen anderen Verurteilten – nie offiziell freigesprochen wurde, liegt unter anderem auch daran, dass es keine Hinterbliebenen gab, die sich darum gekümmert haben. Offenbar wurde sie auch einfach in den Aufzeichnungen übersehen, da auch ihre gleichnamige Mutter verurteilt worden war.

Der Freispruch war ein Anhang zu einem Budgetgesetz, den die Senatorin Diana DiZoglio aus Kansas eingebracht hat. "Diese Schüler sind ein unglaubliches Beispiel dafür, dass es etwas bewirken kann, wenn man sich für jene einsetzt, die das nicht selbst können", wird DiZoglio in der "New York Times" zitiert. Unterschrieben hat das Gesetz der republikanische Gouverneur Charlie Baker.

"Ich bin aufgeregt und erleichtert", sagte die Lehrerin LaPierre zur selben Zeitung, "aber ich bin auch enttäuscht, dass ich es nicht mit den Kindern besprechen kann." Diese sind im Moment auf Sommerurlaub. Die Klasse hätte Johnson Jr. einfach nur E.J.J. genannt: "Sie wurde auf eine Art Teil unserer Welt", sagte die Lehrerin. (Bianca Blei, 2.8.2022)