Was den Fall der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr und andere weniger dramatische Begleitvorgänge und Vorläuferereignisse so exemplarisch macht, ist Staatsversagen.

Ein Staat, ein Innenministerium, eine Polizei, eine Staatsanwaltschaft können und/oder wollen nichts Ernsthaftes gegen die Psychoterroristen unternehmen, die im Netz und auf der Straße wüten. Leute, die sich vordergründig als Impfgegner und Corona-Leugner präsentieren, dann wieder als Putin-Versteher und Sanktionenkritiker. Die aber im Kern aus einer rechtsextremen, staats- und vor allem demokratiefeindlichen Ecke kommen. Was sagen die Polizei, der Innenminister, der Kanzler zu der Gruppe von Demonstranten, die den Bundespräsidenten seit kurzem bei öffentlichen Auftritten verfolgen und beschimpfen, wobei einer einen Galgen mitführt? Wie übrigens der Mob, der in den USA das Kapitol erstürmte? Gewähren lassen, brav polizeilich begleiten und die Innenstadt besetzen lassen? Wie bei den Corona-Demos, die von einem bekannten Kern an Rechtsextremen und Neonazis unter Mithilfe der FPÖ organisiert wurden?

Polizei und Staat versagen im Kampf gegen Rechtsextreme, die im Netz und auf der Straße wüten.
Foto: Karl Schöndorfer/TOPPRESS

Unerträglich ist das Verhalten der oberösterreichischen Polizei im Fall Kellermayr. Die engagierte Ärztin kritisierte, dass im November 2021 die Polizei eine Demonstration von Corona-Schwurblern direkt vor dem Krankenhaus Wels nicht auflöste. Daraufhin erhielt sie eine öffentliche Retourkutsche der Polizei, die die anonymen Hetzer erst richtig auf sie lenkte. Als sie sich wehrte, gab die oberösterreichische Polizei Unfassbares von sich: Es werde der "Eindruck gewonnen, dass Frau Dr. Kellermayr sich bemüht, die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person zu erweitern, indem sie Druck auf die Ermittlungsbehörden ausübt". Und noch besser. David Furtner, Pressesprecher der oö. LPD, sagte im Mittagsjournal, die Ärztin, die inzwischen schwer bedroht wurde, wolle ihr eigenes Fortkommen befördern. Ein anderer gab ihr den Rat, in den sozialen Medien weniger aktiv zu sein. Wieso ist da noch niemand vom Dienst suspendiert?

Reden ist zwecklos

Daniel Landau, der am Montagabend eine Mahnwache für Kellermayr mit 3000 Teilnehmern vor dem Stephansdom organisierte, sagte, man dürfe kein Appeasement, keine Beschwichtigungspolitik, gegenüber diesen Leuten betreiben. Richtig. Es gibt Typen, mit denen zu reden zwecklos ist. Das zeigt ein Blick in deren Wahnwelt. Der Punkt ist aber, dass die Behörden, der Staat versagen. Aus populistischer Feigheit. Die Impfgegnerpartei MFG, deren Demokratieverständnis hinterfragbar ist, schaffte es im Herbst 2021 mit sieben Prozent in den Oberösterreichischen Landtag.

Die Kurz-ÖVP hat einen Herbert Kickl, der bewundernd vor Rechtsextremen in Linz sprach, zum Innenminister gemacht. Karl Nehammer hat als Innenminister eine großangelegte "Operation Luxor" gegen "jihadistischen Terror" geleitet, die ein gigantischer Flop wurde. Die dafür abgezogenen Verfassungsschützer fehlten dann beim Attentat in der Wiener Innenstadt, wie die Kommissionsvorsitzende Ingeborg Zerbes in ihrem Zwischenbericht festhielt.

Der türkis geleitete Staat konzentriert sich auf eine Art von Bedrohung und vergisst dabei auf die andere: die Existenz eines rechten staatsfeindlichen Netzwerks. (Hans Rauscher, 2.8.2022)