Es ist ein Besuch voller Solidaritätsbekundungen für Taiwan.

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Pelosis Ankunft wurde in Taipeh mit Spannung erwartet.

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Nancy Pelosi nach der Landung.

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Pelosi beim Treffen mit Präsidentin Tsai Ing-wen.

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Taipeh – Der Besuch von Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, in der taiwanischen Hauptstadt Taipeh schlägt wie erwartet hohe Wellen. China hatte bereits im Vorfeld mit Konsequenzen gedroht, sollte Pelosi die geplante Reise tatsächlich antreten. Um nicht das territorial umstrittene südchinesische Meer überqueren zu müssen, war Pelosis Flugzeug von Malaysia kommend östlich der Philippinen nach Norden geflogen. Die amerikanische Solidarität mit dem taiwanischen Volk sei heute wichtiger denn je, sagte Pelosi in einer ersten Stellungnahme.

Ihr Besuch würdige die Unterstützung der USA für die taiwanische Demokratie. Am Mittwoch besuchte Pelosi das taiwanische Parlament und traf die Präsidentin Tsai Ing-wen. Sie dankte der taiwanischen Präsidentin für deren Führungsstärke und warb für eine verstärkte interparlamentarische Zusammenarbeit. "Wir schätzen, dass Taiwan eine der freiesten Gesellschaften der Welt ist", sagte Pelosi.

China reagierte umgehend – und setzte den Handel mit der Insel zeitweilig aus. Der Export von Sand nach Taiwan sei ab sofort eingestellt, teilte das chinesische Handelsministerium mit. Die Einfuhr von Zitrusfrüchten, gefrorenem Makrelenfilet und gekühltem Fisch der Sorte Haarschwanz aus Taiwan sei ab dem 3. August untersagt, erklärte der chinesische Zoll.

DER STANDARD

Pelosi kritisiert China

Zeitgleich mit ihrer Landung veröffentlichte die "Washington Post" einen Gastkommentar Pelosis, in dem sie ihre Reise begründet. Taiwan sei zunehmend unter chinesischer Bedrohung. Chinas Hongkong-Politik etwa habe die Doktrin "Ein Staat, zwei Systeme" "in den Mistkübel getreten". Die USA könne "nicht daneben stehen, wenn die kommunistische Partei Chinas Taiwan – und die Demokratie als solche – gefährdet". Das taiwanische Außenministerium betonte, der Besuch werde die Beziehungen des Landes zu den USA stärken.

China hält Militärmanöver ab

Das chinesische Außenministerium ließ prompt wissen, dass der Besuch Pelosis in Taiwan Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan massiv beschädige. Er belaste das politische Fundament der Beziehungen zwischen China und den USA.

Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua meldete, dass China ab Mittwoch Militärmanöver zu Luft und Wasser im Norden, Südwesten und Südosten Taiwans abhalten werde. Chinas Verteidigungsministerium kündigte "zielgerichtete Militäroperationen" an. Bereits vor Pelosis Ankunft hatten Berichten zufolge chinesische Kampfflugzeuge die Taiwanstraße überflogen. Das taiwanische Verteidigungsministerium dementierte zunächst, rief die Bevölkerung aber zu "hoher Wachsamkeit" auf und dazu, nicht auf Gerüchte zu hören. Meldungen vom Abend zufolge seien laut Taipeh 21 chinesische Kampfjets in den Luftraum Taiwans eingedrungen. Zudem patrouillieren chinesische Kriegsschiffe seit Montag in der Nähe der inoffiziellen Pufferzone in der Meerenge. Taiwan beschuldigt China, die Stabilität der Region zu gefährden. Der Status Taiwans ist einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen den USA und China.

Warnung vor "Spiel mit dem Feuer"

Das chinesische Außenministerium warf Washington mit Blick auf den Besuch Pelosis ein "Spiel mit dem Feuer" vor. "Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen", erklärte das Ministerium in Peking. Es wiederholte damit jene Aussage, die der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping vergangene Woche in einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden gemacht hatte.

"Die chinesische Volksbefreiungsarmee ist in hohem Alarmzustand und wird mit einer Serie gezielter militärischer Aktionen antworten", erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Dienstagabend. Die Manöver dienten der "ernsten Abschreckung gegen die jüngste Eskalation durch negative Schritte der USA in der Taiwan-Frage" und seien "eine ernste Warnung an die Unabhängigkeitskräfte, die eine Abspaltung wollen", sagte der Sprecher. Es gehe um die Abwehr "der Einmischung ausländischer Kräfte und separatistischer Versuche von Unabhängigkeitskräften in Taiwan".

Vergeltungsmaßnahmen erst nach Pelosis Abflug erwartet

Das Weiße Haus warnte Peking vor einer Eskalation. "Es gibt keinen Grund für Peking, einen möglichen Besuch, der im Einklang mit der langjährigen US-Politik steht, in eine Krise oder einen Konflikt zu verwandeln", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag im Weißen Haus. Die USA würden sich nicht auf "Säbelrasseln" einlassen, sagte er. "Gleichzeitig lassen wir uns aber auch nicht einschüchtern."

Die USA rechnen mit Vergeltungsmaßnahmen Chinas erst nach Pelosis Abflug. Erst dann werde China seine militärische Präsenz in der Region erhöhen, prognostizierte Kirby, am Dienstag. Denkbar seien chinesische Manöver mit scharfer Munition. Darüber hinaus stellten die USA sich auf wirtschaftlichen Druck seitens der Chinesen ein. Unterdessen berichtete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, Vizeaußenminister Xie Feng habe mit großer Dringlichkeit den US-Botschafter Nicholas Burns einbestellt. Xie Feng habe gegen den Taiwan-Besuch Pelosis protestiert.


US-Kriegsschiffe in Stellung

Auch die USA hatten vier Kriegsschiffe in die Gewässer östlich von Taiwan entsandt. Aus der US-Marine hieß es, es gehe dabei um einen Routineeinsatz. China hatte seit Wochen gegen eine Reise Pelosis nach Taiwan protestiert und am Montag mit ernsthaften Konsequenzen gedroht. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, das Militär werde nicht tatenlos zusehen, wie Pelosi in Taiwan eintreffe.

Die USA unterhalten zwar wie viele andere Staaten mit Rücksicht auf China keine formalen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Sie unterstützen das Land jedoch mit militärischer Ausrüstung und sind dessen wichtigster Lieferant von Rüstungsgütern.

Warnungen aus dem Kreml

Auch der Kreml warnte die USA, dass ein Besuch Pelosis in Taiwan die USA auf Kollisionskurs mit China bringen und Spannungen in der Region provozieren würde.

Kurz vor dem erwarteten Besuch von Pelosi haben unbekannte Hacker die Website der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen lahmgelegt. Das Präsidialamt in der Hauptstadt Taipeh bestätigte einen Ausfall für rund 20 Minuten am Dienstagnachmittag. Es seien Gegenmaßnahmen ergriffen worden, sodass die Website nun wieder normal funktioniere.

Die Website "flightradar24.com" verzeichnete in den Stunden vor Pelosis Landung eine Vielzahl ihrer üblichen Zugriffe und brach zeitweise unter der Last der Anfragen zusammen. Flug SPAR19 von Kuala Lumpur nach Taipeh sei der am häufigsten getrackte Flug aller Zeiten gewesen, teilte das Unternehmen mit.

Hypersensibles Thema Taiwan

Taiwan ist für Peking ein hypersensibles Thema: Peking betrachtet die Insel als abtrünnig, früher oder später müsse sie wieder mit dem Festland vereint werden – zur Not auch mit Gewalt. Vor allem seit Xi Jinping 2012 die Macht im quasi Einparteienstaat übernommen hat, spitzt sich die Situation zu. Die "Wiedereingliederung" Taiwans gilt als eines seiner Lebensziele. Als Russland im Februar die Ukraine überfiel, löste das große Sorgen aus: Könnte das ein Präzedenzfall für Xi sein, dem er folgen könnte? Im Kern der Taiwan-Politik der USA liegt strategische Ambiguität: Washington lässt offen, ob die USA Taiwan im Fall der Fälle verteidigen würden.

Pelosis Anti-China-Politik

Dass es gerade Nancy Pelosi ist, die nun Taiwan besucht, ist Peking ein besonderer Dorn im Auge. Denn die 82-Jährige ist zeit ihres Lebens eine scharfe China-Kritikerin, sie scheut seit Jahrzehnten auch nicht vor Aktionismus zurück. Als sie 1991, also zwei Jahre nach der brutalen Niederschlagung der Massenproteste, Peking besuchte, enthüllte sie ein Banner auf dem Tian'anmen-Platz: "Für alle, die für die Demokratie in China gestorben sind". Sowohl bei den Olympischen Spielen 2008 als auch 2022 rief sie zum diplomatischen Boykott auf.

Wenn Pelosi also nach Taiwan fliegt, dann steht Präsident Xi unter Druck, mit Nachdruck zu reagieren. Man "spiele mit dem Feuer", war das Diktum der vergangenen Tage aus Peking.

Xis glückliche Zwickmühle

Doch wie weit Peking wirklich gehen würde, daran sind auch gewichtige innenpolitische Überlegungen gebunden. Denn im Oktober will sich Xi einen anderen Traum besiegeln lassen: Beim 20. Parteikongress der Kommunisten soll er seine dritte Amtszeit antreten und damit in die Fußstapfen von Staatsgründer Mao Tse-tung treten. Gerade nach der verhassten Null-Covid-Politik steht er im Land unter Druck. Ein offener militärischer Konflikt passt nicht ins Konzept, vielmehr ist Stabilität das Gebot der Stunde.

So könnte Xi den Besuch am Ende in jedem Fall als Erfolg verkaufen, meinen Beobachter. Wenn Pelosi am Mittwoch im taiwanischen Parlament auftritt und Präsidentin Tsai trifft, dann sei das vielleicht genau die Dosis an Bedrohung, die Xi gerade recht komme: Peking kann den chinesischen Nationalstolz bedienen, Xi kann den starken Mann darstellen, meint etwa der Politologe Dali Yang zur "South China Morning Post".

Auslandsbesuche "gang und gäbe"

Katherine Chang, Leiterin des Taipei Wirtschafts- und Kulturbüros in Österreich, betonte am Dienstagabend, dass Peking "immer aggressiv" reagiere. Es starte immer China, nicht Taiwan, die Provokation. Der Besuch gehe lediglich die USA und Taiwan etwas an. Wichtige Besuche aus dem Ausland seien in Taiwan "gang und gäbe". (APA, Reuters, miwi, saw, 2.8.2022)