Panzer haben einen enormen Treibstoffverbrauch.

Foto: REUTERS/Alexander Ermochenko

Ein Fahrzeug, das mit rund 41 Tonnen auf Ketten über Straßen, Schlamm oder Schnee fährt, ist ein ziemlicher Energiefresser. 250 Liter Treibstoff benötigt ein russischer T-72-Panzer pro hundert Kilometer allein auf befestigten Straßen – und noch deutlich mehr, wenn das Gelände unwegsam ist. Das erschwert nicht nur die Logistik, sondern treibt auch den Klimawandel voran. Noch mehr Treibstoff frisst etwa ein B-52-Bomber: Mit rund 15.000 Liter verbraucht er in der Stunde so viel wie ein durchschnittlicher Autofahrer in Österreich in 18 Jahren.

Gleichzeitig machen selbst Panzer und Bomber nur einen Bruchteil jener Emissionen aus, die durch Kriege wie jenen in der Ukraine verursacht werden. Schon allein die Fertigung von Waffen und Munition verbraucht enorme Mengen CO2. Kriege kosten Geld, das für die Abwendung des Klimawandels benötigt würde, und sie führen neben menschlichem Leid und CO2-Belastung zu Umweltschäden, die noch Jahrzehnte nach Kriegsende bestehen können. Durch neue Satellitenbilder und Internetdaten sollen einige dieser Schäden künftig besser dokumentiert und die Verursacher stärker zur Verantwortung gezogen werden. Aber können Kriege damit künftig weniger klima- und umweltschädlich sein?

Knapp an Katastrophe vorbei

In der Ukraine hätte der Krieg laut Experten schon beinahe zu einigen verheerenden Umweltkatastrophen geführt. Etwa als russische Streitkräfte vor einigen Monaten tagelang das Asow-Stahlwerk im Osten der Hafenstadt Mariupol bombardierten. Würden die tausenden Tonnen darin enthaltener giftiger Schwefelwasserstofflösung in das Asowsche Meer ausfließen, würde das die gesamte Flora und Fauna des Meeres töten, hieß es von der Stadtregierung Mariupol im Mai. Letztlich konnte ein Austreten der Flüssigkeit wahrscheinlich gerade noch verhindert werden.

Denn es sind nicht nur Atommeiler, die ein Risiko in Kriegsgebieten darstellen, sondern auch die vielen Stahl- und Chemiefabriken und Bergwerke im Land. Stehen diese unter Beschuss, können giftige Dämpfe und Substanzen freigesetzt werden, die die Luft verschmutzen, die Böden verunreinigen und das Grundwasser kontaminieren. Laut einer Studie der OSZE aus dem Jahr 2017 gibt es allein im Donbass 4.500 potenziell umweltgefährdende Unternehmen. Schon bei den Kämpfen 2014, die im Vergleich zu jenen von heute weniger schwer waren, sei es zu erheblichen Schäden an Flüssen und Wäldern gekommen. Größere Mengen an Stickstoff, Phosphor, Eisen, Chlorid und Sulfat seien in Flüsse und das Grundwasser eingedrungen.

Eine Zerstörung von Industrien wie dem Asow-Stahlwerk könnte fatale Folgen für Menschen und Umwelt haben.
Foto: IMAGO/ITAR-TASS

Daten durch "Online-Krieg"

Dass Kriege dem Klima und der Umwelt schaden, ist nichts Neues. Im Irakkrieg 1990 etwa wurden hunderte Ölquellen in Kuwait in Brand gesetzt, von denen viele über Monate brannten. Rund 240 Milliarden Liter Erdöl verbrannten dabei unkontrolliert und verursachten in diesem Jahr zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Zudem liefen 1,7 Milliarden Liter Rohöl in den Persischen Golf aus.

Der Unterschied zu den Kriegen von damals ist jedoch, dass noch nie so viele Daten geteilt und gesammelt wurden wie heute in der Ukraine, sagt Eoghan Darbyshire. Man könne den Ukraine-Krieg deshalb auch als einen "Online-Krieg" bezeichnen. Darbyshire ist Wissenschafter der britischen NGO Ceobs und sammelt seit Jahren Daten zu Kriegen und Konflikten überall auf der Welt und auch zu jenem in der Ukraine, um so dessen Schäden an Umwelt und Menschen aufzuzeigen.

Viele Gefahren

Dafür greift er auf Fotos, Videos und persönliche Berichte von Augenzeugen auf Social Media zurück, vergleicht diese mit Satellitenbildern und erstellt anschließend einen Risikowert für das Ereignis. 500 bis 600 verschiedene Umweltschäden haben er und sein Team seit Beginn des Ukraine-Kriegs registriert: Angriffe auf Tankstellen, Gasleitungen, Ölraffinerien, Kohleminen, Glasfabriken, Wasseraufbereitungsanlagen und Mülldeponien, Waldbrände nach Granatbeschuss, zerstörte Teile von Naturschutzgebieten, verminte oder zerbombte Felder.

Viele der Angriffe bergen potenziell gefährliche und langfristige Schäden an der Gesundheit der Menschen und der Umwelt. Weil in der Ukraine ein großer Teil des Weizens und andere Lebensmittel für Europa angebaut werden, droht die Gefahr von Lebensmittelengpässen und weiteren Konflikten. Auf rund einem Drittel der Fläche von Naturschutzgebieten haben bereits Kämpfe stattgefunden.

Einige Datenlücken

Auch einfache Gebäude stellen eine Gefahr dar. Denn in der Ukraine wurde in vielen Wohnhäusern Asbest als Baustoff eingesetzt. Werden die Gebäude von Bomben zerstört, kann der krebserregende Stoff in die Luft und von dort in die Lunge, Gewebe und Organe gelangen und Jahre später Tumore verursachen. Zudem kann Wind den Stoff auch in umliegende Regionen befördern und damit die Gesundheit von Menschen und Umwelt großflächig gefährden.

Lückenlos ist die Datensammlung jedoch nicht. Gerade in abgelegeneren ländlichen Gebieten, in denen Menschen weniger Zugang zu Internet haben, fehle es an Daten, sagt Darbyshire. Was es deshalb brauche, seien Teams an Wissenschaftern, die Bodenproben, Luftqualitätsmessungen und Wasseranalysen vor Ort durchführen. Gerade in Kriegsgebieten sei das jedoch häufig schwierig.

Schlechte CO2-Bilanz

Noch schwieriger sei es, Daten über die CO2-Emissionen zu bekommen, die so ein Krieg verursacht: durch die Herstellung von Waffen, Munition, Kampfflugzeugen, Panzern und Schiffen und deren Treibstoffverbrauch, durch die Brände, die Zerstörung von Infrastruktur, die Reaktivierung von Kohlekraftwerken und die Auswirkungen auf die wirtschaftliche und technologische Entwicklung eines Landes. Besonders Rüstungsunternehmen, aber auch Staaten halten sich bei Auskünften bezüglich CO2-Emissionen tendenziell zurück – offiziell zum Schutz der nationalen Sicherheit.

Fest steht: Weltweit fließen rund 1,8 Billionen US-Dollar ins Militär. Hauptinvestor ist jedoch nicht Russland, sondern sind nach wie vor die USA. Laut einer Studie der Brown University hat das US-Verteidigungsministerium zwischen 2001 und 2017 1,2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. Wäre das Pentagon ein Staat, wäre es laut Studie auf Platz 55 der weltweit größten Emittenten.

Klagen nach Umweltschäden

Zumindest die Daten über die Umweltschäden von Kriegen sollen künftig dabei helfen, das Thema stärker in den Fokus der Diskussion zu rücken und die Schäden nach dem Krieg schneller und besser zu reparieren, hofft Darbyshire.

Die ukrainische Regierung hat indes bereits andere Pläne: Sie will die Umweltdaten nutzen, um Russland eines Tages auf Schadenersatz für die Verursachung von Umweltschäden zu verklagen. Eine Taskforce stellt jede Woche einen Bericht über die Umweltschäden zusammen, der sich auch aus den Daten speist, die Wissenschafter wie Darbyshire zusammengetragen haben. Nach dem Krieg will die Regierung die Schadenersatzforderungen vor dem Internationalen Gerichtshof durchsetzen.

Geringe Erfolgsaussichten

Grundsätzlich sind kriegsbedingte Schäden an der Umwelt bereits im Völkerrecht verankert. Im Zusatzprotokoll der Genfer Konvention sind Kriegsformen, die der Umwelt "langanhaltende, verbreitete und schwere Schäden" zufügen, verboten. Sowohl die Ukraine als auch Russland haben das Abkommen unterzeichnet.

Um wirklich ein Land oder einzelne Personen zur Verantwortung zu ziehen, fehlt es dem Abkommen jedoch an Durchsetzungskraft, sagen Experten. Einzig der Irak musste nach dem Überfall auf Kuwait 1990 dem Land 52,4 Milliarden Dollar als Entschädigung für Umweltschäden zahlen. Damals jedoch hatte auch Russland im UN-Sicherheitsrat für die Strafzahlungen gestimmt. Beim aktuellen Ukraine-Krieg ist die Situation freilich eine andere. Die Aussichten für die Ukraine, mit ihren Klagen durchzukommen, sehen wohl eher düster aus, vermuten Experten – selbst wenn die Beweislage gut ist. (Jakob Pallinger, 6.8.2022)