2015 wurde bekannt, dass VW mit einer manipulierten Software den Schadstoffausstoß manipuliert hat. Zwölf Millionen Fahrzeuge von mehreren Herstellern sind vom Abgasskandal betroffen. Mit dem neuen OGH-Urteil können wohl wieder viele Fälle gelöst werden.

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In der Anwaltskanzlei von Michael Poduschka stapeln sich die Fälle zur Causa VW. Rund 800 Mandanten warten in der Abgasaffäre (Dieselgate) rund um manipulierte Software auf die Einreichung ihrer Klage gegen den Autobauer. Verzögert wurde das Vorhaben, weil einige Versicherungen die Deckung über die Rechtsschutzversicherung abgelehnt haben.

Vier Jahre lang bestand keinerlei Zweifel daran, dass Klagen von Besitzern betroffener Dieselfahrzeuge gegen VW von der Rechtsschutzversicherung zu decken sind. Doch vor rund einem Jahr seien eine Versicherung, ein Bezirksgericht für Handelssachen und in einem Fall auch das Handelsgericht Wien plötzlich anderer Meinung gewesen. Die Rechtsexperten vertraten nun die Ansicht, dass kein Anspruch auf Deckung besteht, weil der Schaden, der den Autokäufern durch den Verkauf eines manipulierten Fahrzeuges entsteht, nicht durch die Verwendung des Kraftfahrzeugs verursacht wurde. Das wäre aber die Voraussetzung dafür, dass Artikel 17 ARB (Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung) für die Deckung greift. Für eine Deckung nach Artikel 17 muss das konkrete Auto zudem Teil der Rechtsschutzversicherung sein.

Neue Ausgangslage

Diese Einschätzung haben viele Versicherungen fortan übernommen, weswegen sich die offenen Fälle in vielen Kanzleien häufen.

Übersehen worden sei damit aber, dass in so einem Fall andere Deckungsbestimmungen griffen und daher die Versicherungen zur Übernahme der anfallenden Verfahrenskosten verpflichtet seien. So jedenfalls sieht es Poduschka, der mit einem Beispielfall nun beim Obersten Gerichtshof (OGH) recht bekommen hat.

In einem Urteil, das am 26. Juli zugestellt wurde, hält der OGH fest, dass dem Versicherungsnehmer die Deckung zu erteilen ist – nach Artikel 19 ARB. Dieser Vertragsbestandteil sowie das Urteil sagen aus, dass eine allgemeine Rechtsschutzversicherung für die Deckung in diesem Fall reicht und das betroffene Kraftfahrzeug nicht Teil der Rechtsschutzversicherung sein muss.

Das OGH-Urteil eröffnet laut Poduschka nun "völlig neue Möglichkeiten", weil die Versicherungen sich jetzt nicht mehr aus der Verantwortung nehmen können, sagt der Anwalt. Es herrsche jetzt mehr Klarheit für die Betroffenen.

Deckungsklage

In einem nächsten Schritt wird Poduschka eine sogenannte Deckungsklage gegen jene Versicherung einreichen, die sich zuletzt am meisten aus der Deckung nehmen wollte. "Allein die jetzt laufenden Verfahren werden die betreffende Versicherung geschätzt mehr als 200.000 Euro kosten", sagt Poduschka und legt nach: "Es wäre sicher vernünftiger, das Geld der Versichertengemeinschaft für das auszugeben, für das es gedacht ist – nämlich das versicherte Risiko abzudecken und Deckungen für Klagen gegen betrügerische Automobilhersteller zu erteilen." Schließlich hätten die betroffenen Kunden bisher ja auch ihre Prämien eingezahlt.

Namen involvierter Versicherungen will Poduschka nicht nennen. Der Anwalt weist aber im Gespräch mit dem STANDARD darauf hin, dass es viele Assekuranzen gibt, die sich in dieser Causa als verlässliche Partner erwiesen haben.

Die VW-Affäre rund um manipulierte Schadenssoftware schwelt seit 2015. Aufgeflogen ist der Schwindel in den USA, wo Forscher der West Virginia University durch Zufall entdeckten, dass die bei Tests gemessenen Stickoxidwerte die Angaben von VW um ein Vielfaches überstiegen. Mittlerweile sind mehr als zwölf Millionen Fahrzeuge von mehreren Herstellern vom Skandal betroffen. (Bettina Pfluger, 3.8.2022)