Bild: David Andrijevic, Zvonimir Vrselja, Taras Lysyy, Shupei Zhang; Sestan Laboratory; Yale School of Medicine
Foto: David Andrijevic, Zvonimir Vrselja, Taras Lysyy, Shupei Zhang
Die Transplantationsmedizin ist auf gesunde Organe angewiesen. Bei Nierenverpflanzungen, wie hier gezeigt, können lebende Personen Organe spenden. Bei vielen anderen Organen kommen derzeit nur hirntote Spenderpersonen infrage.
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Den biologischen Tod zu verhindern oder umzukehren ist ein uralter Traum der Menschheit. Das Thema ist nicht nur Teil von Glaubensschriften, etwa in Form der Wiedererweckung von Lazarus durch Jesus im Neuen Testament, sondern zieht sich auch als roter Faden durch die Popkultur, von Mary Shelleys "Frankenstein" bis hin zu H. P. Lovecrafts sonderbarer Erzählung "Herbert West, Wiedererwecker".

Beim Horrorkönig Lovecraft ist es die "Frische" der Körper, die über einen Erfolg der Erweckung entscheidet. Tatsächlich sterben Körperzellen schnell ab, sobald sie nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden. Wie schnell, hängt von der Art der Zelle ab. Gehirnzellen erleiden schon nach sieben Minuten irreparable Schäden, während Hautzellen nach dem Tod zwölf Stunden überleben können. Doch in den meisten Zellen beginnen die Verfallsprozesse schon wenige Minuten nach Unterbrechung der Sauerstoffversorgung.

Zellschäden als Hindernis für Transplantationen

Das Absterben von Gewebe zu verhindern hat einen praktischen medizinischen Hintergrund, ist es doch von zentraler Bedeutung in der Transplantationsmedizin. Um Organe transplantieren zu können, müssen sie in gutem Zustand sein. Ein Team von der Yale-Universität hat nun eine neue Methode zur Verhinderung von Zellschäden bei Schweinen erfolgreich erprobt. Es gelang, Schäden an den Organen von Schweinen bis zu sechs Stunden nach deren Tod zu verhindern, wie nun im Fachjournal "Nature" publiziert wurde. "Zellen sterben nicht sofort", erklärt David Andrijevic, einer der Erstautoren der Studie. "Es ist ein Prozess, in den man eingreifen kann. Man kann ihn aufhalten und einige der zellulären Funktionen wiederherstellen."

Hirntod als Voraussetzung

Konkret müssen verstorbenen Spenderpersonen möglichst schnell die Organe entnommen werden, um sie erfolgreich verpflanzen zu können – am besten, wenn der Kreislauf noch aktiv ist. In Österreich ist die Feststellung des Hirntods Voraussetzung für die Entnahme eines zur Transplantation vorgesehenen Organs – übrigens durch ärztliches Personal, das nicht an der Transplantation beteiligt ist, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Spenderperson ist dabei klinisch tot, hat aber noch Puls, die Organe sind also weiterhin mit Blut versorgt.

Der Hirntod wird dabei durch die Nulllinie des EEG festgestellt, also durch nicht mehr messbare Hirnaktivität. Viel häufiger ist der Kreislauftod, der durch die Nulllinie des EKG festgestellt wird, also durch fehlende Herz-Kreislauf-Aktivität. Der Bedarf an Organen in der Medizin ist aber so hoch, dass er sich nicht allein durch hirntote Spenderpersonen decken lässt. Da aber beim Kreislauftod die Versorgung der Organe durch Blut unterbrochen war, können solche Organe in der Regel nicht für Transplantationen verwendet werden.

Herz-Lungen-Maschine als Ausweg

Dabei wäre es in vielen Fällen möglich, den Körper einer verstorbenen Person an eine Herz-Lungen-Maschine anzuschließen, um die Organe weiterhin mit Sauerstoff zu versorgen. Doch mit dieser "Reperfusion" genannten Technik gibt es Probleme, wie Professor Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskular-Chirurgie im deutschen Bad Oeynhausen erklärt: "Sauerstoff ist zum Überleben der Zellen natürlich notwendig, aber führt nach Organischämie [Ausfall der Durchblutung in Organen, Anm.] zu sogenannten Reperfusionsschäden."

Diesem Problem konnte die Gruppe aus Yale nun im Tierversuch beikommen. Es gelang ihr, bei Schweinen, die bereits seit einer Stunde tot waren, wieder Flüssigkeit im Körper zirkulieren zu lassen und damit den Verfall aufzuhalten. Dazu verwendeten sie eine neu entwickelte Alternative zur Herz-Kreislauf-Maschine, die OrganEx genannt wird und eine spezielle Lösung in den Blutkreislauf einbringt, die darauf optimiert ist, den Elektrolyt- und Stoffwechselhaushalt wieder in Balance zu bringen.

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Blutfluss wiederhergestellt

Vergleichend wurde dasselbe auch mit einer in der Intensivmedizin üblichen Herz-Kreislauf-Maschine namens Emco versucht. Dabei zeigte sich, dass viele kleine Blutgefäße kollabiert waren und nicht mehr reaktiviert werden konnten. Das OrganEx-System stellte dagegen den Blutfluss fast vollständig wieder her.

Ein wesentlicher Unterschied seien die Sauerstoffträger der Perfusionsflüssigkeit, sagt Gummert: "Diese sind kleiner als die roten Blutkörperchen und erhalten zudem Medikamente, die den Perfusionsschaden hemmen sollen."

Muskelzucken

Der Zugang war so erfolgreich, dass unter dem Mikroskop zum Teil kein Unterschied zwischen lebendem und dem mit OrganEx reanimierten Gewebe mehr festzustellen waren. Auch konnte das Einsetzen zelleigener Reparaturmechanismen nachgewiesen werden. Dem nicht genug, wurden plötzlich Aktivitäten von Zellen in Herz und Hirn und sogar Muskelzucken festgestellt, wobei das Team um Andrijevic betont, dass es sich um keine geordneten Abläufe gehandelt hat, wobei das Herz seine Fähigkeit bewahrte, sich zusammenzuziehen.

Herzchirurg Jan Gummert sieht einen baldigen Einsatz in der Transplantationsmedizin optimistisch, schließlich seien die Techniken und das Equipment, die bei den Schweinen verwendet wurden, schon vorhanden. Die Forschenden aus Yale betonen aber, dass noch Fragen der Bioethik zu klären seien.

In Deutschland muss für eine Organspende eine schriftliche Erklärung vorliegen.
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800 Menschen auf der Warteliste

Laut Gesundheitsministerium wurden in Österreich 2021 insgesamt 662 Organe transplantiert. Hierzulande kommt jede Person nach ihrem Tod für eine Organspende infrage, es sei denn, sie hat schriftlich widersprochen. In Deutschland ist die Situation umgekehrt, hier müssen die Menschen schriftlich zustimmen, wenn ihr Körper nach ihrem Tod für Organspenden zur Verfügung stehen soll. Dementsprechend kommt es dort, hochgerechnet auf die Bevölkerungszahl, nur zu etwa halb so vielen Organtransplantationen.

Mehr als 800 Personen warteten 2021 in Österreich auf ein Spenderorgan, wobei durch die Corona-Pandemie 33 Personen dazukamen, die auf eine neue Lunge warteten. Ihnen könnte durch die neue Technologie in Zukunft geholfen werden. (Reinhard Kleindl, 3.8.2022)