EVN und Wien Energie erhöhen ihre Preise schon ab Anfang September.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien – Was Expertinnen und Experten bereits seit Monaten erwarten, tritt nun ein: Die Konsumentenpreise für Strom und Gas ziehen im Herbst weiter an. Per 1. September erhöht die Energieallianz Austria (EAA) ihre Preise in Wien und Niederösterreich. Die Indexanpassung in den Standardtarifen der Wien Energie und der EVN als Teil der EAA wird aufgrund der aktuellen Marktsituation von 1. Jänner 2023 vorgezogen. Die "dramatischen Preisanstiege" erforderten das Vorziehen der Anpassung, so die EAA in einer Aussendung.

Für einen Haushaltskunden mit einem Stromverbrauch – je nach Haushaltsgröße – von 3.500 Kilowattstunden (kWh) beziehungsweise von 2.000 kWh bedeutet die Preisanpassung monatliche Mehrkosten von etwa 57 Euro beziehungsweise 36 Euro (jeweils inklusive Umsatzsteuer). Für Haushaltskunden mit einem jährlichen Gasverbrauch – je nach Haushaltsgröße – von 15.000 kWh beziehungsweise 8.000 kWh bedeutet die Preisanpassung monatliche Mehrkosten von etwa 108 Euro beziehungsweise 60 Euro (jeweils inklusive Umsatzsteuer).

Verbraucherinnen und Verbrauchern bleibt zumeist keine andere Wahl, als die Erhöhungen zu akzeptieren. Wenn Energielieferanten ihre Preise ändern, haben Kunden zwar theoretisch das Recht, ihren Vertrag zu kündigen. Doch derzeit macht das meist keinen Sinn, weil praktisch alle Versorger mehr als zuvor verlangen. Expertinnen und Experten raten daher davon ab, zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Bevor Kunden einen alten Vertrag wegen gestiegener Kosten kündigen, sollten sie sich daher jedenfalls erkundigen, ob andere Anbieter überhaupt billiger sind – etwa beim Tarifkalkulator der Energiebehörde E-Control.

Standardtarife betroffen

Der Österreichische Strompreisindex (ÖSPI) ist binnen eines Jahres um 247 Prozent gestiegen und der Österreichische Gaspreisindex (ÖGPI) um 323 Prozent, argumentiert die EAA. Basis der Preisanpassungen seien Lieferbedingungen, die dem steigenden Verlauf dieser Indizes folgen. Die vorgezogene indexgebundene Preisanpassung per 1. September 2022 gilt für klassische Tarife der Wien Energie und der EVN. Floater-Tarife, die ohnehin laufend angepasst werden und Verträge mit Preisgarantie sind nicht erfasst. Betroffen sind bei der EVN rund 50 Prozent aller Kundinnen und Kunden, erläutert EVN-Sprecher Stefan Zach.

Im Burgenland wird die indexgebundene Preisanpassung im Bereich Strom und Gas nicht vorgezogen. Neben Wien Energie und EVN ist auch die Burgenland Energie (BE) Teil der gemeinsamen Vertriebsschiene EAA. Für Kunden der BE Vertrieb GmbH & Co KG bleibt die bisherige Systematik der bestehenden Lieferbedingungen bestehen.

Die Preise werden künftig zweimal pro Jahr zum 1. April und zum 1. Oktober angepasst, so die EVN. Selbiges gilt auch für die Wien Energie. Die Burgenland Energie wird dabei noch folgen, sagten Kenner der APA. "Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass ein Jahr ein sehr langer Zeitraum sein kann. Durch eine zweite Anpassung im Jahr können wir rascher reagieren und auch allfällige Senkungen schneller an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben", so Zach.

Kritik von Opposition

Aus Sicht der Wiener Grünen sind die vorgezogenen Preiserhöhungen "völlig unverständlich". Warum Wien es hier so eilig hat und Erster bei der Preiserhöhung sein will, sei "vollkommen unverständlich", schreibt Peter Kraus, Parteivorsitzender der Wiener Grünen in einer Aussendung. "Hinzu kommt noch, dass Wien Energie 2020 einen Rekordgewinn verzeichnete – dieser müsste jetzt an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden, statt Preiserhöhungen auch noch kurzfristig vorzuziehen."

Der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) rechtfertigt die Preiserhöhungen mit der "massiven Teuerungslage". Bei den kriegsbedingten Energiepreisen "sind wir nur Passagier", umso dringender sei eine "rasche bundesweit einheitliche Lösung zur Entlastung der Bevölkerung", sagt Hanke.

In Niederösterreich kritisiert wiederum die oppositionelle SPÖ, dass die Preiserhöhungen für Familien "nicht mehr finanzierbar" seien. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner dürfe dem "Preis-Irrsinn nicht tatenlos zusehen", sagte der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl. "Ein Unternehmen wie die EVN, das überwiegend mit Wasserkraft arbeitet, kann den KundInnen nicht einfach den Wucherpreis von Gas verrechnen. Deshalb muss das Merit-Order-Prinzip sofort ausgesetzt werden."

Rabatt für Kunden

Die EVN verweist auf "zahlreiche Begleitmaßnahmen", die der "notwendigen Preisanpassung" entgegenwirken. "Seitens der öffentlichen Hand wirken etwa der NÖ Strompreisrabatt, der Energiekostenzuschuss oder der Klimabonus dämpfend. Aber auch von der EVN können sich die betroffenen Kunden bis zu 17% der gesamten Stromkosten zurückholen", sagt EVN-Sprecher Zach.

Entscheide sich der Kunde etwa aktiv für eine Registrierung im Kundenportal, für eine E-Mail-Rechnung oder für einen Bankeinzug helfe er der EVN die operativen Kosten zu reduzieren. "Diese Ersparnis geben wir unseren Kundinnen und Kunden in den betroffenen klassischen Tarifen gerne direkt weiter", so Zach. Was genau zu tun ist, erfahren betroffene Kunden laut EVN mittels eines persönlichen Info-Schreibens im August.

Auch die Wien Energie teilte gesondert mit, dass sie die Preisanpassung für ihre Kundinnen und Kunden abfedere. Mit zusätzlichen Bindungs- und Treueaktionen könnten die Verbraucher die Steigerung reduzieren. Das bedeutet für einen durchschnittlichen Wiener Haushalt monatliche Mehrkosten von rund zehn Euro (statt 36 Euro) bei Strom beziehungsweise rund 31 Euro (statt 60 Euro) bei Gas. Dazu gebe es eine Preisgarantie für zwölf Monate. Alle betroffenen Wien-Energie-Kunden werden noch im August per Schreiben über ihr persönliches Angebot informiert, heißt es in einer Aussendung. (APA, japf, 3.8.2022)