Ein 31-jähriger psychisch Kranker soll im März einen Blumentopf angezündet haben. Efeu und ein Holzzaun fingen bei dem Vorfall Feuer, ein Großbrand wurde nur durch glückliche Umstände verhindert.

Foto: Getty Images / iStockphoto / J. Park

Wien – Geht es nach Staatsanwalt Raphael Schuber, muss Michael B. dringend in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert werden. Denn der an paranoider Schizophrenie Leidende soll am 14. März im Garten seiner Ex-Freundin ein Stück Kohle mit einem Feuerzeug angezündet haben und dann in einen Blumentopf geworfen haben, was Schuber als versuchte Brandstiftung sieht. Stimmt nicht, kontert Verteidigerin Sonja Scheed: Es sei ein Unfall gewesen, ihr Mandant habe eine Zigarette nicht ordentlich ausgedämpft. Als er zwei Stunden später aufwachte, hätten die Flammen bereits gelodert. Er alarmierte sogar die Bewohner und versuchte, den Brand mit Wasser aus einem Gartenschlauch zu löschen.

Der Anklagevorwurf mit der bewussten Brandstiftung beruht auf B.s eigener Aussage zu den ersten Polizisten, die vor Ort eintrafen. Als er danach in eine psychiatrische Abteilung gebracht und zwei Tage stationär aufgenommen wurde, notierten die Mediziner, der Betroffene sei "hochgradig psychotisch" und habe erzählt, er sei ein japanischer Geheimagent, eine Verletzung an seiner Hand rühre daher, dass ihm dort ein Chip eingepflanzt worden sei.

Zwei Möglichkeiten

Was zu einer interessanten Doppelmühle führt: Entweder war B. so psychotisch, dass er sich für einen Agenten hielt, dann ist aber auch sein Geständnis mit Vorsicht zu genießen, und dann könnte es sich tatsächlich um einen Rauch-Unfall handeln, womit die für eine Einweisung nötige Straftat nicht mehr vorliegt. Oder aber, die Geschichte mit dem Kohlestück stimmt, dann war B. zu diesem Zeitpunkt aber möglicherweise noch klar im Kopf, womit wiederum keine Einweisung, sondern eine Verurteilung wegen versuchter Brandstiftung in Betracht käme.

Vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Christian Böhm bekennt sich der Betroffene "nicht schuldig". Er habe damals im März seine Ex-Freundin, die ein Monat zuvor zum wiederholten Male eine einstweilige Verfügung gegen den dreifach vorbestraften 31-Jährigen erwirkt hatte, treffen wollen. "Ich wollte in ihrer Nähe sein. Sie einfach sehen", erklärt B. dem Gericht. Die Frau habe mit ihm durch das Fenster im ersten Stock gesprochen, dann Lebensmittel und Bettzeug hinuntergeworfen, damit der Arbeits- und Obdachlose, wie schon öfter, auf ihrer Terrasse übernachten kann.

Bewohner gewarnt

B. sagt, er sei zwischen 3 und 5 Uhr Früh aufgewacht, habe eine halbe Zigarette geraucht und die Glut dann bei dem Blumentopf abgewischt. Anschließend sei er wieder eingeschlafen, ein oder zwei Stunden später habe ihn das Feuer geweckt. Laut einem Zeugen soll B. "Anwohner der XY-Gasse, hier brennt es!" gerufen und dann zum Gartenschlauch gegriffen haben.

B. ist sich sicher, erfolgreich gewesen zu sein. Dass die Tochter eines Nachbarn ihr Kaninchen aus dem nahen Stall rettete, will er ebenso wenig mitbekommen haben wie den Vater der Tierfreundin, der einen ganzen Feuerlöscher benötigte, um die schon bis zum ersten Stock lodernden Flammen zu ersticken. Nur diesem raschen Handeln sei es zu verdanken, dass aus dem Brand des Efeustrauchs und eines dahinterliegenden Holzzaunes kein Inferno wurde, das die ganze Häuserzeile hätte einäschern können, ist der Brandsachverständige Christian Tisch in seinem Gutachten überzeugt.

Glücklicherweise keine Dämmung

Ein zweiter Glücksfall: Das Haus war nicht gedämmt. Bei einem Vollwärmeschutz hätten die verwendeten Kunststoffe schon zu brennen begonnen, dann wäre der Einsatz des Feuerlöschers nutzlos gewesen. Als ihn Verteidigerin Scheed zur möglichen Brandursache fragt, sagt Tisch einen äußerst hübschen Satz: "Grundsätzlich, aus brandsachverständiger Sicht, beginnt ein Blumentrog nicht von alleine zu brennen."

Er geht davon aus, dass bei Verwendung eines Kohlenstückes sofort ein Flammbrand entstanden sein muss. Habe dagegen Zigarettenglut den Torf in der Blumenerde Feuer fangen lassen, sei ein ein- bis zweistündiger Glimmbrand zu erwarten, ehe die ersten Flammen entstehen. Möglich sei das durchaus, aus seinen 37 Jahren Berufserfahrung wisse er, dass das immer wieder vorkomme. Da der Topf zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung aber bereits entsorgt war, könne er keine näheren Auskünfte geben.

Betroffener hält sich für gesund

Dann kommt der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann zu Wort. Betroffener B. hat seiner Verteidigerin Scheed zuvor einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die hatte in ihrem Eröffnungsplädoyer nämlich gesagt, ihr Mandant wisse, dass er psychisch krank sei, sein Zustand sei aber so gut, dass das Gericht im Jahr 2018 sogar seine Erwachsenenbetretung beendete. B. selbst sieht das auf Nachfrage des Vorsitzenden Böhm anders: "Ich bin mir sicher, keine Schizophrenie mehr zu haben." Daher habe er im Vorjahr auch seine Medikamente abgesetzt.

Experte Hofmann kommt zu einem anderen Schluss: "B. leidet an einer ungünstigen Kombination aus schwerer Geisteskrankheit und Drogenkonsum", diagnostiziert er, Krankheitseinsicht sehe er keine, obwohl die Krankheit eine lebenslange Behandlung erfordere. "Er macht zwar jetzt in der Justizanstalt die medikamentöse Therapie mit, aber nicht aus Überzeugung", ist sich Hofmann sicher. Ein Symptom der paranoiden Schizophrenie seien auch Gedächtnisstörungen. Da der Betroffene sich erst auf Nachfragen an seinen Spitalsaufenthalt erinnern konnte, geht der Sachverständige davon aus, dass er in Wahrheit auch keine Ahnung hat, was in der Nacht des Vorfalls passiert sei. Hofmann plädiert für eine Einweisung, schließlich sei B. "sozial desintegriert", eine ambulante Therapie sei in diesem Fall schwierig.

Mehrere Pyroaktionen

Zeugen berichten, dass der Betroffene schon ein oder zwei Tage vorher mit einem brennenden Gegenstand bei den Mistkübeln des Tatorts gewesen sei, woran B. sich nicht erinnern kann. Auch nach seiner Entlassung aus dem Spital kam es in der Pension, in der er nächtigte, zu einem pyrobezogenen Ereignis: Da er dachte, jemand hätte aus seinem Zimmer etwas gestohlen, drohte er der Rezeptionistin den Einsatz eines Molotowcocktails an.

Für den Senat ist das nach nur zehnminütiger Beratung Grund genug, vom angezündeten Kohlenstück als Brandursache überzeugt zu sein. B. wird daher eingewiesen. Ankläger Schuber ist damit zufrieden, der Betroffene und seine Verteidigerin nehmen sich Bedenkzeit, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 3.8.2022)