"Absolutes Fiasko: Woodstock ’99" auf Netflix, seit Mittwoch auf Netflix.

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Die in ein Batikshirt eingewickelte Champagnerflasche, die das Festivalgelände einweihen sollte, wollte einfach nicht zerbrechen. In der dreiteiligen Netflix-Dokuserie "Absolutes Fiasko: Woodstock '99" (seit Mittwoch online) wird die misslungene Zeremonie rückblickend als schlechtes Vorzeichen gedeutet.

Die Woodstock-Neuauflage 30 Jahre später hatte mit dem harmonischen Mythos der 69er-Generation nicht mehr viel gemein. Anstatt "flower power, love and music" herrschte "Anarchie, Chaos und Mob-Mentalität". Ein Festival, das aus dem Ruder läuft und in seiner Organisation versagt, als Dokumentation nachzuzeichnen ist prinzipiell nichts Neues. Mit "Fyre" nahm sich der Streaming-Riese 2019 etwa das Fyre Festival vor, das auf den Bahamas hätte stattfinden sollen. Der Veranstalter sitzt mittlerweile wegen Betrugs hinter Gittern.

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Das Ausmaß an Gewalt nach drei Tagen Hitze, Substanzen und Sexismus schockiert in "Woodstock '99" in Form von Plünderungen, Brandstiftung und Vandalismus aber besonders. Neben eindeutigen Originalvideoaufnahmen, die einen wütenden Mob zeigen, der das Gelände zerstört, versuchen die interviewten Veranstalter, Teilnehmende und Künstler die Eskalation des Festivals zu rechtfertigen.

Was an der Dokumentation fasziniert, ist der hoffnungslose Versuch, das Gefühl einer sozialen Bewegung kapitalistisch auszuschlachten. Vor 250.000 Menschen, die dem Exzess frönen, Bands wie Limp Bizkit auftreten zu lassen, die die Menge bewusst aufheizen und dabei lediglich mit einer "Friedenspatrouille" für Sicherheit zu sorgen, hätte aber wohl schon 1969 nicht funktioniert. (Anna Wiesinger, 4.8.2022)