2009 traf der deutsche Ex-Kanzler Schröder den russischen Präsidenten Putin noch vor Kameras. Nun sind die Gespräche geheim.

Foto: APA / AFP / Alexey Druzhinin

Diesmal war Gerhard Schröder zurückhaltender: Vom erneuten Besuch des deutschen Ex-Kanzlers (1998 bis 2005) in Moskau wusste kaum jemand. "Ich mache hier ein paar Tage Urlaub. Moskau ist eine schöne Stadt", sagte er vor wenigen Tagen zum Korrespondenten des deutschen Nachrichtensenders n-tv, als dieser den ehemaligen Regierungschef zufällig in der russischen Hauptstadt erblickte.

Geglaubt hat das natürlich niemand. Doch immerhin war Schröder, der wegen seiner mangelnden Distanz zum russischen Präsidenten Wladimir Putin in Deutschland schwer in der Kritik steht, diskreter als noch im März.

Damals war seine Ehefrau Soyeon Schröder-Kim mitgereist und hatte ein Selfie gepostet, das sie, ins Gebet versunken, vor der Kulisse Moskaus zeigte. In Deutschland löste es Befremden aus.

Thema Energiepolitik

In einem Interview mit dem "Stern" sagte der Altkanzler nun, dass er natürlich auch diesmal nicht als Tourist gekommen sei: "Ich war in Moskau, um mich um Energiepolitik zu kümmern."

Er bestätigte auch ein Gespräch mit Putin und sagte darüber: "Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung." Lob gab es für die Türkei, diese habe sich in die Verhandlungen über Getreidelieferungen "sehr hilfreich" eingebracht. Vielleicht, so Schröder, "kann man das langsam zu einem Waffenstillstand ausbauen". Dafür müsse die deutsche Regierung sich aber stärker einbringen.

Allerdings wies Schröder auf zu erwartende rote Linien Moskaus hin: "Wer glaubt denn ernsthaft, dass ein russischer Präsident die Krim je wieder aufgeben könnte?" Und: "Ohne die Unterstützung der Amerikaner wird es keine Verhandlungslösung geben."

"Keine politische Ansage"

In Moskau, so Schröder, habe man ihm zudem versichert, es gebe "keine politische Ansage des Kreml", den Gasfluss in der Pipeline Nord Stream 1 zu drosseln. Durch die Pipeline strömt derzeit ja nur ein Fünftel jener Gasmenge, die bei Vollauslastung möglich wäre.

Es handle sich "hier vorwiegend um ein technisches und bürokratisches Problem, übrigens eins auf beiden Seiten", so Schröder.

Russland behauptet ja, der Betrieb von Nord Stream 1 laufe deshalb eingeschränkt, weil eine Turbine von Siemens Energy für den Aufbau des Drucks zur Gaslieferung fehle. Diese war zur Reparatur nach Kanada gebracht worden und ist jetzt in Deutschland, nämlich in Mühlheim an der Ruhr (Nordrhein-Westfalen), zwischengelagert.

Scholz besichtigt Turbine

Dorthin begab sich am Mittwoch der deutsche Kanzler Olaf Scholz persönlich. Er besichtigte die Turbine, stellte sich danach demonstrativ vor ihr auf und erklärte: "Die Turbine ist da, sie kann geliefert werden, es muss nur jemand sagen, ich möchte sie haben, dann ist sie ganz schnell da." In Moskau hingegen, beim Energieriesen Gazprom, heißt es, es fehlten noch Papiere.

Dem widerspricht Scholz: Alle nötigen Dokumenten lägen vor. "Es gibt keine Gründe, warum diese Lieferung nicht stattfinden kann. Alle vorgebrachten technischen Gründe sind nicht auf einer Faktenbasis nachvollziehbar."

Für die Versorgung mit Gas in Deutschland und Europa hat Altkanzler Schröder übrigens noch einen anderen Tipp: "Die einfachste Lösung wäre, die Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen." Diese wäre betriebsbereit, allerdings hat Deutschland das Projekt nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine auf Eis gelegt.

Nord Stream 2 zu nutzen – das fordern auch sieben Bürgermeister der Insel Rügen in Mecklenburg-Vorpommern. In dem ostdeutschen Bundesland, nicht weit von Rügen entfernt, befinden sich die Anlandestationen für Nord Stream 1 und 2.

Nur so, meinen die Ortschefs, könne Deutschlands Energiesicherheit "auf Dauer" gewährleistet werden. Dieses Argument führt auch Schröder an. Sonst könnte es "zu einer ganz neuen Dimension von Verteilungskämpfen" kommen: "Da möchte ich nicht in der Haut der Verantwortlichen stecken." (Birgit Baumann aus Berlin, 3.8.2022)