Vieles, das bei den alten Römern aus der Küche kam, würden die meisten Menschen heute einen kulinarischen Irrweg nennen. Dennoch: Was in der Antike gemundet hat, gilt vielerorts und in abgewandelter Form auch heute noch als Gaumenfreude. Zu den beliebtesten Speisen zählten damals Meeresfrüchte, wie ein aktueller Fund in Norditalien untermauert: Ein Team von Unterwasserarchäologen hat bei einer Ausgrabung in der Lagune von Venedig die Überreste einer wahrscheinlich römerzeitlichen Austernzucht entdeckt.

Die Überreste einer rund 2.000 Jahre alten Austernzucht.
Foto: Università Ca’ Foscari Venezia

Austern aus Istrien

Bei dem Fund handelt es sich um einen rechteckigen Ziegelsteintank auf dem Meeresgrund von Lio Piccolo in der Gemeinde Cavallino-Treporti. Eine Radiokarbondatierung lässt auf ein Alter der Anlage von 1.800 bis 2.000 Jahren schließen. "In der römischen Welt wurden die Austern in Gallien und auf der italienischen Halbinsel sehr geschätzt", teilten die Archäologen mit.

Auch die Austern Istriens waren berühmt, wie einige antike Autoren berichten. Daher sei es nicht verwunderlich, dass eine Austernzucht in Lio Piccolo gefunden wurde, also an einem Ort, der in der Römerzeit nahe der Küste gelegen haben muss, wo man ideale Wachstumsbedingungen vorfand", erklärte Carlo Beltrame, Professor für Meeresarchäologie an der Universität Ca' Foscari in Venedig.

Video: archäologischer Tauchgang in der Lagune von Venedig.
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Marine Landwirtschaft

Archäologen vermuten, dass die Austernzucht Teil eines größeren Komplexes war, wahrscheinlich eine maritime Villa mit Fischzuchtbecken. Fische und Meeresfrüchte kamen bei den Römern häufiger auf den Tisch als Fleisch. Entsprechend groß und ausgeklügelt waren ihre Aquakulturen, allen voran die Austernzucht.

"Diese versunkenen Bauwerke sind unschätzbare Anhaltspunkte für die Untersuchung des Phänomens des relativen Anstiegs des Meeresspiegels, das dazu führte, dass die römischen Bauwerke um mehr als zwei Meter unter den heutigen mittleren Meeresspiegel sanken", erklärte Beltrame. (red, APA, 4.8.2022)