Nasa-Astronautin Jessica Watkins befindet sich seit April 2022 auf der ISS.
Foto: NASA/Bill Ingalls

Jessica Watkins ist nicht nur die erste schwarze Frau, die eine Langzeitmission auf der Internationalen Raumstation (ISS) absolviert – und damit als reale "Erbin" der fiktiven "Star Trek"-Protagonistin Lieutenant Uhura durchgehen könnte. Sie schreibt auch in einem ungewöhnlicheren Aspekt Geschichte: Die 34-jährige US-Amerikanerin ist die erste Person, die eine wissenschaftliche Studie aus dem Weltall heraus veröffentlichte. Seit April befindet sie sich mit rund 400 Kilometer Abstand zur Erdoberfläche im Orbit, nun wurde eine Forschungsarbeit der Geologin in einem Fachmagazin publiziert.

Dass dem Multitalent eine glänzende Karriere mit vielerlei Höhepunkten bevorsteht, zeichnete sich spätestens seit der Studienzeit ab. Mit dem Rugbyteam der Universität Stanford wurde Watkins US-amerikanische Meisterin. Und sie schaffte es in der Rugbyvariante, die mit sieben statt 15 Mannschaftsmitgliedern gespielt wird, 2009 bis ins Halbfinale der Weltmeisterschaft.

Klimawandel auf dem Mars

Die begeisterte Sportlerin, die auch Basket- und Fußball sowie Skifahren zu ihren Hobbys zählt, bringt also in Sachen körperliche Fitness beste Voraussetzungen für die herausfordernde Arbeit auf der ISS mit. Ihre Dissertation schrieb Watkins an der University of California in Los Angeles (UCLA). Die Geologin erforscht nicht nur die Erdgeschichte, sondern auch die Entwicklung anderer Planeten, vor allem des Mars.

Marsrover Curiosity (hier auf einem Selfie zu sehen) untersucht den Gale-Krater, wo sich wohl einst ein See befand.
Foto: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Den Großteil der nun veröffentlichten Studie erledigte die Astronautin freilich nicht auf der ISS, sondern mit festem Boden unter den Füßen. Thematisch geht es um den etwa 3,5 Milliarden Jahre alten Marskrater Gale. Dort könnte sich einst ein See aus Wasser befunden haben, heute ist nur mehr eine trockene Sedimentwüste übrig. Daten des Nasa-Rovers Curiosity lassen vermuten, dass hier – wie auf dem ganzen Planeten – mit der Zeit das feuchte Klima zu einem trockenen wurde, schreibt Erstautorin Watkins im Fachblatt "Journal of Geophysical Research: Planets".

Schildkröte unter Wasser

Bis die Forschungsarbeit veröffentlicht wurde, sind Jahre vergangen – was durchaus üblich ist. So kam die Anfrage zur Überarbeitung der Studie, als Watkins bereits das Astronautentraining der Nasa absolvierte. Ihre Raumfahrt-Ausbildungsgruppe trug den Spitznamen "Turtles" (Schildkröten).

Jessica Watkins mit ihren Crewmitgliedern Bob Hines, Kjell Lindgren und Samantha Cristoforetti (von links nach rechts) vor dem Abflug.
Foto: Imago/UPI/Kim Shiflett

Passenderweise mauserte sich Jessica "Watty" Watkins vor dem erfolgreichen Abschluss nicht nur zur Astro-, sondern auch zur Aquanautin: Sie nahm an der Mission Neemo 23 teil, die Weltraumbedingungen unter Wasser simuliert. Eine ihrer Kolleginnen war dabei die italienische Astronautin Samantha Cristoforetti von der europäischen Weltraumbehörde Esa, mit der sie nun den Alltag auf der ISS teilt.

Losgelöste Forschung

Nun, bei ihrer ersten Weltraummission auf der ISS, führt Watkins Experimente abseits ihrer Spezialisierung durch: Beispielsweise züchtet sie Pflanzen und untersucht Immunzellen, um herauszufinden, wie sie unter schwerelosen Bedingungen altern. Gleichzeitig profitiert die Wissenschafterin selbst von der Schwerelosigkeit und hängt für die Analysen quasi kopfüber in der dichtgepackten Raumkapsel am Mikroskop.

Zudem sind die Körper von Raumfahrerinnen und Raumfahrer selbst Gegenstand medizinischer Forschung. Daten darüber, wie sie auf die besonderen Bedingungen fern der üblichen Anziehungskraft der Erde reagieren – und sich nach der Rückkehr neu anpassen müssen –, helfen mitunter dabei, die Bedingungen für künftige Weltraumreisende zu verbessern.

Zukunft auf Mond und Mars?

Bevor die Space-X-Crew Nummer vier abflog, war Watkins' geologische Marsstudie größtenteils erledigt. Aus dem Orbit hatte sie glücklicherweise nicht mehr viel zu tun, sagt die Wissenschafterin: "Neben der begrenzten Bandbreite für Datentransfer und Kommunikation auf der ISS ist es als Crewmitglied nur eingeschränkt möglich, Zeit und Energie für Projekte abseits der Weltraummission aufzuwenden." Dem Einsatz ihrer Co-Autorinnen und Co-Autoren sei es zu verdanken, dass sie die letzte Version auf der Raumstation Korrektur lesen und so den Publikationsprozess abschließen konnte.

Wenn alles gutgeht, könnte Watkins nicht nur aus der Ferne über den Mars schreiben, sondern sogar zu den ersten Menschen gehören, die den Roten Planeten betreten. Zuvor steht aber ein näher gelegener Himmelskörper auf dem Plan: Die Astronautin ist Crewmitglied des Artemis-Programms, das den Mond ins Visier nimmt. In den kommenden Wochen startet die erste Artemis-Rakete zum Erdtrabanten, allerdings ohne Besatzung. Ab 2025 sollen wieder Menschen zum Mond reisen. Erstmals wird auch eine Frau dabei sein – vielleicht handelt es sich dabei um die erste Studienautorin aus dem All. (Julia Sica, 5.8.2022)