Maria Windhager fordert möglichst rasch effiziente europaweite Regelungen gegen Hass im Netz.

Foto: Matthias Cremer

Nach dem Tod der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ist eine Diskussion um das im Vorjahr in Kraft getretene Maßnahmenpaket gegen Hass im Netz aufgekommen, das Abhilfe gegen virtuelle Hetze und Herabwürdigung bieten soll. Die auf dieses Thema spezialisierte Wiener Rechtsanwältin Maria Windhager hält scharfe Kritik an diesem Gesetzespaket für überzogen. Dem Gesetzgeber sei damit durchaus einiges gelungen, der Haken sei allerdings die behördliche Umsetzung.

Windhager billigte im Gespräch mit der APA dem neu geschaffenen Regelwerk das Bemühen zu, in einer komplizierten Querschnittsmaterie die Rechtsschutzmöglichkeiten von vom Hass im Netz Betroffenen zu stärken: "Wir haben an sich gute Gesetze. Aber wir haben nach wie vor Probleme bei der praktischen Umsetzung." Melden Betroffene – im überwiegenden Teil der Fälle handelt es sich um Frauen – verbale Übergriffe, die bis hin zu Morddrohungen gehen, unterbleibe oftmals die behördliche Ausforschungs- und Verfolgungstätigkeit. Anträge auf Feststellung der Identität von Hass-Postern bleiben laut Windhager oft wochenlang bei Polizei und Staatsanwaltschaften liegen, die Ermittlungen verlaufen meist ohne Erfolg. Im neu geschaffenen Ausforschungsverfahren erklären die Richter die ergebnislosen Verfahren einfach für beendet. Auch die Verfolgung von bekannten mutmaßlichen Tätern verläuft schleppend.

Mangelnde fachliche Qualifikation

In vielen Fällen habe das mit mangelnder fachlicher Qualifikation zu tun: "Es bräuchte spezialisierte Einheiten. Leute, die mit dem Internet vertraut sind, die die Rechtslage kennen und ernst nehmen, Sachverhalte einschätzen und zuordnen können. Und die vor allem schnell reagieren, aber auffällige Poster auch über längere Zeiträume beobachten können."

Das mit dem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Hass im Netz eingeführte Mandatsverfahren – an sich eine schnelle und kostengünstige Möglichkeit, um mit einer Bestimmung der Zivilprozessordnung (ZPO) gegen massive Persönlichkeitsverletzungen im Internet vorzugehen – wird in der Praxis "ganz selten genutzt", wie Windhager bedauert. Grund dafür sei, "dass es zu wenig qualifizierte kostenlose Rechtsberatung gibt". Dabei wäre nur eine Klage und der Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags bei Gericht einzubringen, wofür ein Formular auszufüllen und der Nachweis über den rechtsverletzenden Inhalt – etwa in Form eines Screenshots – anzuschließen ist. Das Gericht prüft dann, ob die Angaben in der Klage schlüssig sind. Liegt ein Inhalt vor, der eine erhebliche und die Menschenwürde beeinträchtigende Verletzung der Persönlichkeitsrechte darstellt, erlässt das Gericht den beantragten Unterlassungsauftrag.

System ist oft zu schwerfällig

Gegen Hass, Hetze, Häme und Verleumdung auf Twitter, Telegram & Co soll das Kommunikationsplattformen-Gesetz Abhilfe schaffen. Seit 1. April 2021 müssen Onlineplattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter einfachere Möglichkeiten bieten, rechtswidrige Inhalte zu löschen. Enthalten Beiträge beispielsweise offensichtlich Hetze, Verleumdung, gefährliche Drohungen oder stellen Mobbing dar, müssen die Plattformbetreiber den betroffenen Inhalt innerhalb von 24 Stunden entfernen. Ist eine genauere Prüfung der Inhalte nötig, hat gegebenenfalls eine Löschung innerhalb von sieben Tagen zu erfolgen.

"Dieses Meldesystem funktioniert besser, ist aber nach wie vor viel zu schwerfällig", meinte Windhager zur Praxistauglichkeit dieses Instruments. Während Youtube und kleinere Plattformanbieter vorbildlich agieren, würden Twitter und Telegram auf Meldungen von Hass-Kommentaren oder strafrechtswidrige Inhalte "gar nicht oder nur selten" reagieren, sagte Windhager. Auch Facebook verweigere sehr oft die Löschung, die dann auch nur österreichweit erfolge.

Dass der Hass im Netz keine Grenzen kennt, hat ein Mal der Fall Kellermayr gezeigt, die vor allem von Corona-Maßnahmengegnern aus dem deutschen Raum anhaltend beschimpft, beleidigt und bedroht worden sein dürfte. Für Windhager ist daher klar, "dass es letztendlich darum geht, dass möglichst rasch eine effiziente europaweite Regelung gegen Hass im Netz kommt." (APA, 4.8.2022)