Für viele Geflüchtete aus der Ukraine ist Tanja Maier mit "Cards for Ukraine" eine wichtige Hilfe.

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Die Arizonierin und Wahl-Wienerin Tanja Maier wurde in Kanada geboren und spricht fließend Russisch.

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Während sich Rechtsradikale wie Attila Hildmann oder staatsfeindliche Querdenker auf der Plattform Telegram organisieren und radikalisieren, wird eine Flüchtlingshelferin von der Plattform ausgesperrt. Tanja Maier ist sauer: "Das ist verrückt. Telegram lässt mich nicht einmal mehr Menschen schreiben, mit denen ich in der Vergangenheit in Kontakt war."

Maier betreibt ehrenamtlich das Hilfsprojekt "Cards for Ukraine". Das Konzept: Spender bezahlen Einkaufsgutscheine der großen Supermarktketten, und Maier verteilt sie an die Geflüchteten weiter. 2.309 Gutscheine wurden bereits gespendet, das sind umgerechnet 115.450 Euro, die es geflüchteten Familien ermöglichen, sich zumindest mit den nötigsten Lebensmitteln und Gebrauchsartikeln zu versorgen.

Telegram als Mittel der Wahl

Die Kommunikation läuft großteils über die Messenger-Plattform Telegram. Denn: Während hierzulande Whatsapp den Markt dominiert, ist Telegram im Osten Europas die beliebteste Messenger-App. Doch jetzt wurde Maiers Account gesperrt – damit sind hunderte Geflüchtete schlagartig alleingelassen.

Denn Maier, die gebürtige Kanadierin und Wahl-Wienerin, ist für viele Geflüchtete dank ihrer Sprachkenntnisse auch die erste Adresse, wenn sie abseits von der Lebensmittelbeschaffung Hilfe brauchen. So verschickte sie gestern mehrere Hundert Mal die gleiche PDF-Datei mit der Anmeldung für die Familienbeihilfe. Offenbar bewertete Telegram das als Spam-Versuch und sperrte Teile von Maiers Account ohne Vorwarnung.

"Mehrere User haben Ihre Nachrichten als störend empfunden und sie an unsere Moderatoren zu Untersuchung weitergeleitet", wurde ihr mitgeteilt. Maier kann nun keine Dateien mehr teilen oder Personen zu Gruppen oder Kanälen hinzufügen. Aber selbst der Nachrichtenaustausch mit Menschen, die bereits mit Maier in Kontakt waren, wurde eingeschränkt. Den Account wieder freizuschalten gestaltet sich als schwierig, denn bei Telegram gibt man sich wenig kooperativ. Maier musste mit einem Chatbot verhandeln – erfolglos.

Tausende Anfragen seit März

"Meine Inbox ist voll mit tausenden Anfragen von Ukrainerinnen und Ukrainern, also wollte ich eine gemeinsame Gruppe eröffnen", berichtet Maier im Gespräch mit dem STANDARD. Aber auch diese Funktion wurde eingeschränkt. Also wich Maier auf den Facebook-Messenger aus, wo ebenfalls nach einigen Hundert Nachrichten der Account der Helferin eingeschränkt wurde.

Noch bis 7. August soll das Telegram-Konto von Maier eingeschränkt bleiben, was vor allem die Geflüchteten trifft, denn Maier kann ihnen aktuell nicht mehr im vollen Ausmaß helfen, weil sie nur noch auf direkt an sie gerichtete Nachrichten antworten kann.

Dass böswillige Menschen am Werk sind, die Maiers Flüchtlingsarbeit sabotieren wollen, glaubt sie nicht: Die Flut an Nachrichten dürfte die Teilsperre ihres Accounts ausgelöst haben. Dass Maiers Hilfe für die Ukrainerinnen und Ukrainer nötig ist, liegt nicht nur an der Sprachbarriere. Maier hilft auch, wenn etwa Hilfszahlungen sofort eingestellt werden, sobald die Menschen aus der Ukraine in Österreich einen Job finden. Denn bis das erste Gehalt ausbezahlt wird, stehen viele einen Monat lang ohne finanzielle Mittel da – und sind auf die Lebensmittelgutscheine angewiesen.

Maier hat trotz der Rückschläge ihren Humor nicht verloren und versucht weiter, die Geflüchteten in einer Telegram-Gruppe zu vereinen: "Wenn das gelingt, habe ich wahrscheinlich mehr Daten als die Behörden." (Peter Zellinger, 5.8.2022)

Eine Anfrage des STANDARD bei Telegram blieb vorerst unbeantwortet. Wir werden den Artikel entsprechend ergänzen, sollte sie jemals eintreffen.