Eine Ampelkoalition aus SPÖ, Grünen und Neos: Wo liegen Gemeinsamkeiten und welche Differenzen gibt es?

Fotos: APA / Johann Groder, Georg Hochmuth, Regine Hendrich; Collage: DER STANDARD

Michael Ludwig ist auf die Grünen nicht gut zu sprechen. Gar nicht gut. Der Grant des Wiener Bürgermeisters ist erheblich, und dieser Grant hat viele Gründe. Der Streit um die Wiener Stadtstraße ist einer. Die Grünen hätten hier eine regelrechte Kampagne gegen Ludwig entfacht und ihn als Betonschädel darstellt, das gefällt ihm gar nicht.

Aber: Luwig ist pragmatisch. Er sei sogar der Chefpragmatiker, heißt es in seinem Umfeld. Daher könne er selbstverständlich alle Vorbehalte zur Seite schieben. Einer Ampelkoalition Rot-Grün-Pink steht also nichts im Wege.

Wie die SPÖ das sieht

Parteichefin Pamela Rendi-Wagner habe durchaus Sympathien für die Ampel, sie würde dies aber niemals so klar formulieren, auch Michael Ludwig nicht. Zwei Jahre vor der Wahl gebe es keinen Grund, sich festzulegen; den gebe es nicht einmal zwei Wochen vor der Wahl. Im Gegenteil: Die SPÖ werde sich alle Optionen offenlassen, versichern die Strategen. Eine zu frühe Festlegung wäre ein Fehler, mit dem man nur seine Verhandlungsposition schwächen würde.

Burgendlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sieht das nicht ganz so streng, er spricht sich klar für die Ampel und gegen die ÖVP aus. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser macht aus seiner Vorliebe für die Ampel auch kein Geheimnis.

Parteichefin Pamela Rendi-Wagner habe durchaus Sympathien für die Ampel, heißt es.
Foto: Regine Hendrich

Wo es mit den Neos, zumindest auf Bundesebene, erhebliche Auffassungsunterschiede gibt, ist das Thema Verstaatlichung oder Rekommunalisierung, wie es in Wien heißt. Die SPÖ ist für die Verstaatlichung der OMV, die Neos sind strikt dagegen. Die SPÖ ist für eine Abschöpfung der Übergewinne im Energiebereich, die Neos sind dagegen. Die SPÖ ist für Vermögens- und Erbschaftssteuern, die Neos sind dagegen. Mit den Grünen hat die SPÖ in diesem Bereich kein Problem, da verfolgen beide Parteien ähnliche Ziele. Der Trend gehe nach links, da kommen SPÖ und Grüne gut zusammen.

Wo es kracht, sind der Umweltschutz und die Verkehrspolitik, da setzt die SPÖ andere Prioritäten. Aber, so ätzt ein Roter: Die Grünen bauten auch weiterhin Straßen, nur in Wien seien sie dagegen. Wenn sie sich in einer zukünftigen Ampelkoalition ähnlich biegsam wie in der Koalition mit der ÖVP zeigten, werde man schon zusammenkommen.

Wie die Grünen das sehen

Bei den Grünen sieht man auf dem Weg zu einer Ampelkoalition zwei Knackpunkte: Bei der SPÖ ist das wenig überraschend die Energie- und Verkehrspolitik, bei den Neos ist es die Wirtschaftspolitik.

Bei der SPÖ machen die Grünen zwei Strömungen aus: einerseits den Kreis um Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und Klubchef Jörg Leichtfried. Sie seien auf Ampelkoalition umgeschwenkt. Andererseits Michael Ludwig, er trägt nach wie vor seine Vorbehalte gegen die Grünen vor sich her; auch der Gewerkschaftsflügel in der Partei habe Probleme mit der Ampel. Generell sehen die Grünen die roten Gewerkschafter als Problem: Solange Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze mit Betonieren gleichgesetzt würden, sei es schwierig, eine Linie zu finden. Schwierig, aber nicht unüberwindbar.

Bei den Grünen sieht man auf dem Weg zu einer Ampelkoalition zwei Knackpunkte.
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Die Neos müssten sich wirtschaftspolitisch bewegen, vor allem was den Ausbau des Sozialstaates und dessen Finanzierung betrifft. Da lägen SPÖ, Grüne und Neos Welten auseinander. Aber: Die Neos hätten sich als recht konstruktiv erwiesen. Selbstkritisch merkt ein Grüner an, dass auch seine Partei in der Koalition mit der ÖVP eine gewisse Biegsamkeit an den Tag gelegt habe. Das erwarte man auch von den Neos.

In gesellschaftspolitischen Fragen käme man mit Neos und SPÖ aber recht rasch zusammen, da ließe sich gemeinsam viel bewegen, ist die große Hoffnung der Grünen. In Fragen der Migration und der Integration sind Bröseln mit der SPÖ absehbar, da müsste der rechte Flügel innerhalb der SPÖ einen großen Schritt machen. Das wird die SPÖ schmerzen und ihr parteiintern kontroverse Diskussionen bescheren, hier fordern die Grünen aber ein deutliches Entgegenkommen.

Wie die Neos das sehen

Aus der Sicht der Neos gibt es zwischen SPÖ und Grünen keinen wesentlichen Unterschied – außer in der Klima- und Verkehrspolitik. Die Trägheit der SPÖ ist auch für die Neos ein Ärgernis, hier wird bei den Pinken gerne die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer zitiert: Die SPÖ sei die Partei des Betons und des Benzins.

Die Neos seien jedenfalls weit weniger konservativ als etwa die FDP in Deutschland. Daher würden die drei Parteien in gesellschaftspolitischen und bildungspolitischen Fragen rasch zueinanderfinden. Auch bei Migration und Integration sei leicht ein gemeinsamer Weg zu finden. Es gehe darum, die Menschen zu mobilisieren und rasch in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Grundrechte für alle stärken, das haben sich Neos, Grüne und SPÖ auf die Fahnen geschrieben, da könnte es gemeinsam eine neue Dynamik geben.

Die Brücke, die die Neos bei einer bundespolitischen Koalition mit SPÖ und Grünen überqueren müssten, sei ziemlich lang.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Die Brücke, die die Neos bei einer bundespolitischen Koalition mit SPÖ und Grünen überqueren müssten, sei dennoch ziemlich lang. In wirtschaftspolitischen Fragen liegen Neos, Grüne und SPÖ meilenweit auseinander. SPÖ und Grüne seien für höhere Steuern, die Neos sind dagegen.

Ein großes Problem sehen die Neos bei den Pensionen. Die Pensionen seien der am stärksten wachsende Posten im Budget, hier wollen die Neos entschieden entgegensteuern, um Mittel für Investitionen in den Bereichen Klima, Bildung und Innovationen freizubekommen.

Hier werde es vor allem mit der SPÖ zu Auseinandersetzungen kommen. Das werde bereits bei Koalitionsverhandlungen schlagend, wenn das Budget eingeteilt wird. Die SPÖ verteufle den Kapitalmarkt und negiere den demografischen Wandel, so der Vorwurf. Die Umverteilung der Pensionsmittel ist den Neos seit Jahren ein großes Anliegen, das könnte die Verhandlungen zumindest erschweren.

Auch was staatliche Eingriffe etwa in den Energiesektor betrifft, liegen die Neos weit von den Positionen vor allem der SPÖ entfernt. Die Barrieren in der Wirtschaftspolitik seien wohl die größten zwischen Neos, SPÖ und Grünen.

Eine andere Tangente, die in Koalitionsverhandlungen wohl nicht entscheidend sein würde, macht den Neos auch zu schaffen: In außen- und sicherheitspolitischen Fragen sei die SPÖ viel zu zögerlich. Es gebe keinen aktiven proeuropäischen Kurs.

Fazit

Alle drei Parteien haben – mit Abstrichen – große Sympathien für eine Ampelkoalition. Es gibt aber erhebliche Zweifel, ob nicht doch noch eine Zweierkoalition diese Träume sprengen könnte.

Was aber aus allen drei Parteien zu hören ist: Wenn die Verhandlungen zwischen SPÖ, Grünen und Neos erst einmal starten, dann werden sie auch zu einem positiven Abschluss kommen. Es gibt Hürden, aber keine, die nicht überwindbar wären. (Michael Völker, 6.8.2022)