Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sprach auf einem rechtskonservativen Kongress im US-Bundesstaat Texas und wetterte gegen die liberale Welt.

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Die verstörenden Thesen Viktor Orbáns über Rassenvermischung, fast schon im Geiste der Nürnberger NS-Rassegesetze ausgebreitet, waren noch gar nicht verhallt, da legte der rechtskonservative ungarische Ministerpräsident schon wieder nach: diesmal nicht vor ungarischen Rumänen, sondern bei einem rechten Kongress im US-Bundesstaat Texas.

Vor der applaudierenden Menge zog er Parallelen zwischen der Situation, in der sich "sein" Ungarn angesichts einer vermeintlich von "Globalisten", Liberalen und Kommunisten dominierten EU befände, und jener Situation rechter Kräfte in den USA, die sich dominierender Demokraten zu erwehren hätten. Die Tirade gipfelte in der Forderung, es brauche "weniger Dragqueens" und "mehr Chuck Norris".

Dass Orbán mit der Serienfigur aus Walker, Texas Ranger auf die Populärkultur Bezug nahm, zeigt, wie gezielt er mittlerweile rhetorisch in die Trickkiste greift, haben derlei Bezüge in den USA doch Tradition. Orbán wusste wohl, was vor einem von der US-Waffenlobby ideologisch gefütterten Publikum funktioniert, auf einem Event, bei dem u. a. der neurechte Strippenzieher und Trump-Macher Steve Bannon sprach, der einst in ähnlicher Manier lächelnd bekannte, dass er sich als Darth Vader, also Oberschurke in Diensten des Imperators, sehe.

Wer erweckt hier wen?

Längst kein Geheimnis mehr ist, dass die Neue Rechte Anleihen bei alten Linken nimmt: Antonio Gramscis Theorie, wonach gesellschaftlicher Wandel zunächst durch Dominanz (Hegemonie) auf dem kulturellen Feld erzielt werden muss, ehe sie politisch umgemünzt werden kann, hilft heute Kulturkämpfern wie Orbán oder den Identitären, die Gesellschaft auf vor 1968 zurückzudrehen.

Befremdlich mutet aber noch etwas an: Der Kongress fand unter dem Motto "Awake, not woke" statt. Man positioniert sich also als "wachsame" Kraft gegenüber der per Selbstdefinition "woken", also "erwachten" Linken, die ihrerseits im eigenen Spektrum mit radikaler politischer Korrektheit aneckt.

Als Aufforderung gelesen, kann "awake" auch "erwachet!" bedeuten, was mehr nach Erhebung "von unten" klingt. Und hier liegt der perfide Kniff: Denn die Rechte greift dankbar den innerlinken Vorwurf auf, wonach "woke" Linke, also bereits Erwachte, sich elitär "von oben" herab moralisch über weniger Wache entrüsten würden. Erinnert werden sollte nur vielleicht, dass "woke" ursprünglich ebenso "von unten" aus der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung hervorging.

Und dass die wiedererwachte Erweckungsrhetorik (mitbefördert durch Corona) überhaupt nachdenklich stimmen sollte, lehrt die Geschichte: Das "Deutschland, erwache!" der Nazis hallt grausam nach. (Stefan Weiss, 5.8.2022)