Screenshot: Thymesia
Screenshot: Thymesia
Screenshot: Thymesia
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Screenshot: Thymesia
Screenshot: Thymesia

Womöglich war es etwas mutig, mir als "Abschlussprojekt" vor dem Urlaub "Thymesia" zuzumuten. Denn obwohl ich das von "Dark Souls" quasi begründete (jedenfalls aber benannte) "Soulslike"-Genre spannend finde, habe ich bis jetzt nur recht wenig Spielerfahrung damit. Aber Setting und künstlerische Umsetzung ließen mich derlei Überlegungen über Bord werfen und ein Testmuster anfordern. Zu sehr lockte das Abenteuer in der Goth-Apokalypse mit einem Helden mit Pestdoktor-Schnabelmaske.

Hier darf vorweggeschickt werden: Dieser Text wurde Anfang August verfasst auf Basis von einer Ende Juli veröffentlichten Preview-Version des Spieles, das am 18. August für Windows (Steam, Gog), die Playstation 5 und Xbox Series S/X erscheint. Es besteht also eine Chance, dass erwähnte Mängel bis dahin oder per Launchday-Patch ausgemerzt werden. Ich nehme auch Abstand davon, hier von einer Rezension zu sprechen, denn letztlich hat mich das Game so stark an mir selbst zweifeln lassen, dass ich mir kein abschließendes Urteil erlauben möchte.

Raben-Boy auf Monsterjagd

Was ist "Thymesia" eigentlich? Wie schon erwähnt, fällt es ins "Soulslike"-Genre. Darunter versteht man, grob formuliert, Games, die den Spieler ständig in Kämpfen fordern. Insbesondere Auseinandersetzungen mit Bossgegnern sind hier ein wichtiger Teil der Erfahrung. Diese dauern meist recht lange und verlangen dem Spieler hohe Konzentration beim Ausweichen, Blocken und gezielten Attackieren ab, weil wenige Gegentreffer meist das eigene Ende besiegeln. Hoher Schwierigkeitsgrad und beschränkte Speichermöglichkeiten sind ebenfalls oft ein Element solcher Spiele.

Der hier angekündigte Release-Termin wurde kürzlich nach hinten verlegt.
Team17

"Thymesia" versetzt den Spieler in die Rolle des kämpferisch begabten Seuchendoktors Corvus, der nach einem kurzen Tutorial in einer Burg erwacht und nicht mehr weiß, was ihn eigentlich hergeführt hat. Klar ist nur, das einst durch seine alchemistischen Experimente aufgeblühte Königreich Hermes ist in der Substanzforschung zu weit gegangen und hat eine Seuche in die Welt gesetzt, die die Befallenen in Tollwut versetzt und teilweise auch in entstellte Monster verwandelt.

Das muss man allerdings online nachlesen, denn die im Spiel präsentierte Erzählung gibt sich keine Mühe, die Sachverhalte verständlich darzulegen. Ganz generell ist Storytelling ein Schwachpunkt des Games. Ein Umstand, den das Fehlen vertonter Dialoge und die oft nichtssagenden Texte in herumliegenden Schriftstücken noch verschärfen.

Schön, aber ...

Corvus' Abenteuer ist eine Reise durch seine Erinnerungen, über die er seine eigentliche Mission erfahren möchte. Und sie führt durch allerlei spannend umgesetzte Umgebungen. Bei der grafischen Umsetzung hat sich das taiwanische Indie-Entwicklerstudio Over Border wirklich gut ins Zeug gelegt. Auch die Musikuntermalung ist meist gut gewählt und unterstreicht die visuellen Eindrücke gelungen.

Allerdings blitzen immer wieder auch Schwächen durch. Da wären etwa die aufgesetzt wirkende Laufanimation von Corvus im Stile des "Naruto Run", die aus dem Stand noch dazu fast ohne Zwischenschritt beginnt. Während das nur ein ästhetisches Problem darstellt, ist die Kameraführung auch ein praktisches Hindernis. Mit Vorliebe klebt sie viel zu nah am Geschehen, wenn man sich entlang von Wänden bewegt. Gerade während Kämpfen kann das für massiven Frust sorgen.

Zu hinterfragen ist auch, warum sich Corvus trotz Steuerung mit Analog-Stick faktisch nur in acht Richtungen bewegt, was der Präzision bei Kämpfen nicht gerade zuträglich ist. Auch Bug-frei ist das Erlebnis nicht. Im Test deaktivierte das Game den Fokus auf einen Gegner (der es ermöglicht, ausschließlich auf diesen zu zielen) mehrfach ohne erkennbaren Grund.

Den extrem schwankenden Schwierigkeitsgrad bin ich geneigt, dem Spiel zu verzeihen. Einige Gegner, auch Zwischenbosse, sind im Prinzip nur Kanonenfutter mit unterschiedlich großem Kontingent an Lebenspunkten. Andere wiederum sind extrem beweglich und verfügen über enorme Schlagreichweite, der man sich kaum entziehen kann. Aber gut, Balance in dieser Hinsicht ist nicht das, wofür Soulslikes bekannt sind.

Irres Gelächter und Schimpftiraden

Manchmal allerdings neigt "Thymesia" meinem subjektiven Empfinden nach zur Übertreibung. Und die beginnt mit einem Boss-Gegner namens Odur, der das erste Level der Erinnerungsreise abschließt. Den muss man nicht nur in einem zweistufigen Kampf bezwingen, er kann sich auch ohne weiteres hinter den Spieler teleportieren und verfügt über Schlagabfolgen, die schneller sind, als man selbst blocken kann. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das daran liegt, dass die Animationen von Corvus einfach langsamer sind, ich den passenden Zeitpunkt zum Drücken des Schulterbuttons verpasse oder das Game einfach manchmal Eingaben erst verspätet umsetzt.

Möglicherweise ist es auch eine Kombination aus allen drei Aspekten. Denn ich muss gestehen, dass ich fast ausschließlich Spiele mit Maus und Tastatur bediene und dementsprechend im Umgang mit dem Controller etwas eingerostet bin, seit mich die Lust an Fußballsimulationen verlassen hat.

Eigene Spezialattacken lassen sich auch nicht abbrechen, nur lassen sich auch Gegner nicht davon beeindrucken, dass man sie gerade mit einem riesigen Geisterspeer absticht – und führen trotzdem ihre eigenen Angriffe aus. Bei normalen Widersachern ist das ein überschaubares Problem, Odur und Konsorten allerdings ziehen mir mit einer Kombination locker über die Hälfte meiner Lebenspunkte ab.

Nach ungefähr 40 Anläufen war ich dann auch kurz davor, ob meines Zorns über die als sehr unfair empfundene Niederlage das Steuergerät gegen die nächste Wand zu werfen. Zum Glück verhindern dicke Altbauwände, dass Nachbarn ob meines irren Gelächters und der definitiv nicht mehr jugendfreien Schimpftiraden den Notruf wählen.

Gut gelöstes Levelingsystem

"Thymesia" versucht, die Kämpfe mit einer "Wundenmechanik" zu ergänzen. Einen Großteil des Schadens durch normale Säbelattacken erleiden Gegner also in Form von Verletzungen, die nach einer gewissen Zeit dank ihrer alchemistisch verursachten Transformation wieder abheilen. Um aus ihnen permanenten Schaden zu machen, müssen Angriffe mit Corvus' Klauen ausgeführt werden. Dabei gewinnt man auch Energie für Spezialattacken zurück. Zusätzlich gibt es auch noch Federn, die man schießen kann, um leichten Schaden zu verursachen oder kritische Attacken zu unterbrechen.

Das zweistufige Schadenssystem macht Auseinandersetzungen definitiv komplexer und langwieriger, aber meinem Empfinden nach nicht unbedingt besser. Dazu unterscheiden sich normale Angriffe und Klauenattacken einfach zu wenig.

Anders sieht das mit dem Leveling-System aus, das man sich bei Actionrollenspielen abgeschaut hat. Mit den von toten Gegnern erhaltenen Seelenfragmenten kann man sich Levelaufstiege "kaufen", bei denen man jeweils entweder Lebenspunkte oder Schadenswerte steigern kann. Zusätzlich baut man auch die eigenen Fertigkeiten für Säbelangriffe, Klauen, Ausweichen und Abwehr auf recht übersichtlichen Skilltrees aus. Im Gegensatz zu den Basisattributen werden diese aber nicht fix vergeben, sondern lassen sich stets an Speicherpunkten ändern.

Umgestellt werden können auch die Spezialangriffe, von denen man (nach einem Upgrade) maximal über zwei gleichzeitig verfügt. Sie basieren jeweils auf einer bestimmten Waffe und können durch das Aufsammeln dazupassender Wissenssplitter erlernt und verbessert werden.

Abschließende Gedanken

Was bleibt nun für mich an Eindrücken? Soulslikes sind eine Herausforderung, und im konkreten Fall habe ich diese Herausforderung eventuell unterschätzt. Andererseits täuscht mein Versagen am Controller aber auch nicht darüber hinweg, dass dieses Spiel auf technischer Ebene Probleme hat, die den ohnehin knackigen Schwierigkeitsgrad nochmals hinaufdrehen und damit der Herausforderung mehr Frustfaktor bescheren, als sie haben sollte.

Dazu kommt eine verwirrend bis lieblos erzählte Geschichte, die aber in einer – gerade für ein Indie-Game – ästhetisch und akustisch wunderbar umgesetzten Welt stattfindet. Das Gefühl beim Spielen von "Thymesia" erinnert mich teilweise an "Balan Wonderworld", das mich trotz seiner offenkundigen Mängel aufgrund seines fantasievollen Ideenreichtums immer wieder zum Weiterspielen motiviert hat. Das brachte mir allerdings auch Vorwürfe der Geschmacksverwirrung in den Kommentaren zum Test ein.

Dann wiederum könnte das Werk der Over Border Studios aber auch besser sein, als ich es ihm zugestehen würde. Schlicht, weil so manch absurd schwer wirkende Herausforderung mit mehr Übung im Nachhinein gar nicht mehr so absurd schwer wirkt. Gerade deswegen will ich hier kein finales Urteil fällen über ein Spiel, das mich binnen 20 Minuten derart in Rage versetzen kann, dass ich mir laut schreiend vornehme, es umgehend zu deinstallieren. Nur um dann eine Stunde später wieder einmal elendiglich an einem Endgegner zu scheitern. Vielleicht ist es ja das, dieses Kitzeln der eigenen masochistischen Ader, was am Ende die Anziehungskraft dieses Genres ausmacht. (gpi, 5.8.2022)