Markus Fuchs hat Grund zur Vorfreude auf die EM in München. Am Samstag lief er beim Meeting in Andorf, Oberösterreich, die 100 Meter in 10,40 Sekunden – aus dem Training heraus, bei Gegenwind.

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Es ist in der Liebe so, im Krieg, in wirtschaftlichen Dingen und natürlich auch im Sport. Wer mehr investiert, erhöht seine Chancen, auch mehr zu erreichen. Markus Fuchs hat investiert, was er in den Sport investieren konnte, und schon einiges zurückbekommen. Der 26-jährige Niederösterreicher hat seit 16. Juli als der schnellste Mann des Landes zu gelten, da trommelte er bei einem Meeting in Eisenstadt die 100 Meter in 10,15 Sekunden herunter, das war Rekord. Noch hat er sich diesen mit dem 61-jährigen Oberösterreicher Andreas Berger zu teilen. Der ist mittlerweile etwas langsamer, war aber als 27-Jähriger am 15. August 1988 in Linz ganz genau so schnell.

Für Fuchs gibt es keine Zweifel, dass ihm der Rekord demnächst allein gehören wird. "Die 10,15 waren kein Ausreißer nach oben, das ist derzeit mein Niveau, ich kann sicher noch schneller sein." Die Leichtathletik-EM, die am 15. August in München beginnt, wäre keine schlechte Gelegenheit. Schon am Montag tritt er zum Vorlauf an und, wenn alles gutgeht, am Dienstag zum Semifinale und vielleicht sogar zum Finale.

Die Trauben hängen hoch, scheinen aber in Reichweite, im Endlauf der EM 2018 hätten 10,15 zum sechsten Platz gereicht. "Ich hab diese Zeit jetzt einfach drauf", sagt Fuchs, "und ich freu mich darüber."

Swiss Connection

Investiert und auch riskiert hat er tatsächlich nicht wenig. "Vor zwei Jahren", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD, "musste ich mir eingestehen: Ich bin nicht dort, wo ich hinwill. Deshalb hab ich dann mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt." Es war mehr als ein Drehen an kleinen Rädern, auch große Räder haben herhalten müssen. Das größte Rad war das Umfeld im Training, Fuchs hat sich ein völlig neues gesucht. Er trennte sich also – im Guten, wie er betont – von seiner langjährigen Trainerin Victoria Schreibeis und schloss sich den Schweizern an.

Mit Silvan Wicki (Bestzeit 10,11), einem der flottesten Eidgenossen, hatte er sich bei Meetings immer gut verstanden, Wicki legte ihm die Rutsche zu Patrick Saile, dem Schweizer Sprint-Nationalcoach. "Er hat mich eingeladen", sagt Fuchs, "und ich bin einfach hingefahren. Und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden."

Mittlerweile pendelt Fuchs regelmäßig zwischen Wien und Zürich, wobei er selten fliegt und oft den Zug nimmt. Das ist nicht optimal, weil eine fast zwölfstündige Zugfahrt an der Substanz zehrt, doch Fuchs muss aufs Geld schauen und darauf, wie er es einsetzt. Schließlich hat er sich auch punkto Regeneration neu aufgestellt und konsultiert nicht nur einen Physiotherapeuten, sondern auch einen Chiropraktiker und einen Osteopathen regelmäßig.

Profi durch und durch

Zudem hat er seine Ernährung umgestellt. "Ich will in allen Bereichen das Maximum herausholen. Ich hab gesehen, was mir das bringt, und dadurch eine große Selbstsicherheit entwickelt. Ich seh mich jetzt als Profisportler durch und durch." Das Sportstudium hat er dafür hintangestellt, es läuft ihm sicher nicht davon.

In den vergangenen Jahren ist Fuchs regelmäßig von leichten Verletzungen gebremst worden, als Achillesferse erwies sich etwa die gleichnamige Sehne. Dieses Problem bekam er in den Griff. "So konnte ich endlich meine traditionell guten Hallenzeiten im Freien bestätigen. Ich hab von Anfang an gewusst, diese Saison wird schnell." Der Rekord hatte sich angekündigt, schon zuvor hatte Fuchs Marken von 10,20 und 10,17 sowie, wenn auch bei Rückenwind unzulässige, Zeiten von 10,08 und 10,09 erzielt.

Olympischer Traum

Der geteilte Rekord und auch die EM sollen nur Stationen sein auf dem Weg zum ganz großen Ziel. Es heißt Olympische Spiele, es heißt Paris 2024. Fuchs will "in der geilsten Sportart der Welt auf der Olympiabahn stehen". Die Norm zu erfüllen wird nicht einfach sein, Fuchs glaubt aber fest daran, dass er sich über eine "bereinigte Weltrangliste" – pro Nation sind nur drei Läufer startberechtigt – qualifizieren kann.

Der Perchtoldsdorfer würde am liebsten noch mehr hineinbuttern. Derzeit muss er jeden Euro umdrehen, weil er zwar beim Bundesheer ("großes Danke!") angestellt ist, aber keinen erwähnenswerten Sponsor hat und auch von der Sporthilfe seit Jahren nicht bedacht wird. Möglich, dass Markus Fuchs bei der EM auch in diese Richtung ein Signal setzt. Das wäre der nächste gute Return on Investment. (Fritz Neumann, 8.8.2022)