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Richtig rund läuft es für Christian Lindner derzeit nicht – und schon gar nicht im Vergleich zu seinem ewigen Konkurrenten im deutschen Kabinett, Robert Habeck.

Während die Grünen in Umfragen wieder bei 20 bis 25 Prozent liegen und der Wirtschaftsminister im ZDF-Politbarometer der beliebteste Politiker ist, hat die FDP gegenüber dem Ergebnis bei der Bundestagswahl in Umfragen deutlich verloren. Lindner ist auch persönlich meilenweit von Habecks Umfragewerten entfernt.

Viele Menschen in Deutschland sind nicht nur mit seiner Politik (zurück zur Schuldenbremse) nicht einverstanden. Geschadet hat Lindner auch seine luxuriöse Hochzeit auf der Insel Sylt vor einigen Wochen.

Das Thema holt ihn wieder ein

Dann ist da auch noch das sogenannte "Porschegate", über das Lindner eigentlich nicht mehr sprechen wollte. Doch das Thema holt ihn wieder ein. Medienberichte legen nahe, dass das Verhältnis des deutschen Finanzministers und Porsche-Fans zum Sportwagenbauer enger ist, als zunächst bekannt war.

Vor zwei Wochen hat die ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" berichtet, dass Porsche-Chef Oliver Blume sich vor Mitarbeitern mit seinem Einfluss auf Lindner gebrüstet habe. Blume habe über die Koalitionsverhandlungen der Ampel im Herbst geplaudert und erklärt: "Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten."

"Haupttreiber gewesen"

Zudem wurde Blume so zitiert, als habe der Porsche-Chef Lindner quasi diktiert, eine über das Jahr 2035 hinausgehende Nutzung von synthetisch hergestellten E-Fuels für Verbrennungsmotoren in den Koalitionsvertrag einfließen zu lassen: "Da sind wir Haupttreiber gewesen."

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die wegen ihrer energieintensiven Herstellung umstritten sind. Porsche setzt als Ergänzung zur E-Mobilität vor allem für sein Flaggschiff, den 911er, auf sie, um auch nach 2035 – dem geplanten Ausstieg aus den Verbrennungsmotoren – PS-starke Autos anzubieten.

Blume entschuldigte sich später, er sei falsch verstanden worden. Doch nun berichtet der "Spiegel", Lindner und Blume hätten sich nach den Vorwürfen der Vetternwirtschaft, die auf den Beitrag der Anstalt folgten, persönlich ausgetauscht.

"Bitte um Telefonat"

Die Anstalt veröffentlichte "Porschegate" am 19. Juli. "Zwei SMS von BM Lindner an CEO Blume mit der Bitte um Telefonat", protokollierte das Finanzministerium für den 22. Juli. "Eine SMS von BM Lindner an CEO Blume mit Gratulation zur Übernahme VW CEO und zur Folgeberichterstattung zu Blumes angeblichen Äußerungen", wurde am Tag darauf notiert.

Und weiter: "Telefonat BM Lindner und CEO Blume." Insgesamt listet das Ministerium acht SMS und zwei Telefonate für die Zeit nach Lindners Amtsantritt auf.

Bisher war lediglich bekannt, dass sich die Sprecher von Lindner und Blume zu "Porschegate" verständigt hätten. Über die SMS- und Telefonliste und die direkten Kontakte zwischen den beiden Chefs hat der linke Abgeordnete Victor Perli informiert, der eine Anfrage an das Finanzministerium stellte.

Nach Argumenten gefragt

"Die Antwort belegt, dass die Wege vom Bundesfinanzminister zum Porsche-Chef kurz und direkt sind", sagt Perli und fordert umfassende Aufklärung des Ministers. Das bezieht sich auch auf eine SMS, über die das "Handelsblatt" berichtet. Am 27. Juni forderte die deutsche Regierung auf EU-Ebene eine Ausnahme für E-Fuels beim Aus für Verbrenner. Einen Tag später äußerte die deutsche Umweltministerin Steffi Lembke (Grüne) doch Zweifel daran.

Daraufhin wandte sich Lindner per SMS an Blume: "Ich kann da durchaus argumentative Unterstützung gebrauchen."

Porsche hat die Kontakte bestätigt, betont aber, es liege "keine Einflussnahme" vor. Blume tritt in drei Wochen seinen neuen Job an. Der Porsche-Chef (seit 2015 in dieser Funktion) wird am 1. September die Nachfolge von Herbert Diess an der Spitze von VW antreten. Diess war rausgeflogen.

Zeitgleich will Blume aber weiterhin die Sportwagentochter Porsche AG führen und noch in diesem Jahr an die Börse bringen. Ob das gelingt, ist derzeit aber offen. (Birgit Baumann, 8.8.2022)