Freund- und Feindbilder dominieren aktuell die Gesellschaft auf verschiedensten Ebenen. Zu dieser Problematik gesellt sich jene der zunehmenden Spaltung der Gemeinschaft in Arm und Reich, sprich in Fortschrittsverlierer und Fortschrittsgewinner, was in der bereits ohnehin schon angespannten Situation die Wirkung eines Biokatalysators entfaltet. Letzterer setzt die Aktivierungsenergie sozialer Prozesse im übertragenen Sinne so weit herab, dass Archetypen und Persönlichkeiten wie Donald Trump, Wladimir Putin oder Viktor Orban mit zunehmendem Erfolg in das entstandene psychosoziopolitische Vakuum stoßen.

Begünstigt die momentane gesellschaftliche Situation eine Rückkehr von Donald Trump?
APA/AFP/ROBYN BECK

Während sich die eine Seite des politischen Spektrums wundert, wie aus ihrer Sicht aus der Zeit gefallen zu scheinende Menschen eine derartige Resonanz erhalten können, fühlen sich nicht wenige durch derartige Wertesysteme und Weltbilder angesprochen. Renommierte Medien sowie Expertinnen und Experten rätseln über das Auftreten eines solchen Phänomens in unserer so aufgeklärten und modernen Epoche.

Kampf der Wertesysteme und Weltbilder

Die Konflikte der letzten Jahre sowie der kulturelle Wandel, in dem klassische Rollenbilder und Kräfteverhältnisse intensiven Erosionen unterliegen, liefern ein psychodynamisches Spannungsfeld, welches der Nährboden für eine multipolare Politik zu sein scheint. Letzterer eignet sich perfekt, um Donald Trump den Weg zu einer neuerlichen Präsidentschaft zu ebnen - und das trotz neu erwachsener und medial gehypter innerparteilicher Konkurrenz in der Gestalt von Ron DeSantis, dem es gelingt, sich als eine Art “Trump Junior“ zu positionieren. Verschiedene Medien sehen ihn bereits als größten Konkurrenten, ob dies auch bei den Wählerinnen und Wählern funktioniert ist fraglich. Im Folgenden sollen nun elementare Faktoren analysiert werden, die Donald Trump den Weg zur Macht erleichtern könnten.

Corona: Wissenschaft ist kein faradayscher Käfig

Das Vertrauen in Expertinnen und Experten sowie einstige Autoritäten ist in der letzten Zeit tief beschädigt worden. Das passierte nicht zuletzt aufgrund diverser Polarisierungen und Simplifizierungen verschiedener medialer Berichterstattungen. Dies geht soweit, dass sonst angesehenen Berufsgruppen mit akademischem Hintergrund nichts mehr abgenommen wird.

“Die Wissenschaft“, und damit ist die Dominanz naturwissenschaftlicher Denkströmungen und deren Gleichsetzung mit dem Wissenschaftsbegriff unter Ausklammerung von beispielsweise geistes- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen gemeint, ist vielerorts zum Unwort verkommen und die Skepsis ihr gegenüber mündet in Misstrauen und Hass gegen Wissenschaftserklärer. Dies ist auch Donald Trump nicht verborgen geblieben. Er macht sich diesen Faktor zunutze, indem er mit gefährlichem Halbwissen gegen jede Koryphäe polemisieren kann.

Fortschrittsverlierer gegen Fortschrittsgewinner

Die Schere zwischen Arm und Reich geht nicht nur hierzulande immer weiter auf, sondern auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zudem blasen die Krisen der letzten beiden Jahre stetig weiter frischen Wind ins lodernde Konfliktfeuer und der Unterschied zwischen Fortschrittsgewinnern und -verlierern wird noch deutlicher sichtbar. Ein Umstand, der Trump und seiner Politik weiter ordentlich Energie zuführt. Der Selfmade-Milliardär nutzt die Chance und kann mehr oder minder auf “seine Erfolgsstory“ verweisen, die ihn von “Angepassten“ und “Mitschwimmern“ abhebt.

Die Seele der USA auf der Suche nach einem starken Mann

Der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Konsequenzen verunsichern sogar die Bevölkerung im militärisch und ökonomisch stärksten Land der Welt, den USA. Die Sehnsucht nach einem archetypisch starken Anführer im aufzuflackern drohenden Kalten Krieg 2.0 mit Russland und China als Gegner kann große Ölmengen in die politische Feuersbrunst des Donald Trump gießen. Viele US-Amerikaner und US-Amerikanerinnen wünschen sich - bewusst oder unbewusst - eine analog zu Wladimir Putin dominante archaische Führungsfigur. Joe Biden passt trotz aller Bemühungen nicht unbedingt auf das beschriebene Anforderungsprofil. Hier könnte Donald Trump zum zweiten Mal in die Fußstapfen von Ronald Reagan treten, indem er die im kollektiven Unbewussten verankerten Szenen zwischen Reagan und Michail Gorbatschow stimulieren kann. Wer kann sich nicht ein Macho-Treffen zwischen Wladimir Putin und Donald Trump vorstellen, in denen die großen Themen der Zeit besprochen werden und ein Frieden in der Ukraine ausverhandelt wird? Wer wäre im Sinne der Hoffnung nach Beendigung des Krieges und wirtschaftlicher Stabilität ein Gegner eines derartigen luziden Traums?

Die beschriebenen drei Faktoren dienen Populisten und Populistinnen in den USA sowie in Europa zum Aufladen ihrer Akkus. Ob die Zeiten derart aufgeheizt sind, dass es “The Donald“ erneut gelingt Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden, wird sich weisen. Doch wie man bekanntlich weiß, frisst der Teufel in der Not Fliegen. (Daniel Witzeling, 25.8.2022)

Weitere Beiträge im Blog