Der Anemonensee in Wiener Neustadt.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Duisburg / St. Pölten – Die deutsche Binnenschifffahrt kämpft mit Niedrigwasser. Seit Wochen regnet es kaum, die Pegelstände der Flüsse sinken, Uferzonen fallen trocken, neue Inseln steigen auf. Weiterhin sagt der Deutsche Wetterdienst kaum Regen voraus. Laut dem Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) können Fahrgastschiffe und Fähren nicht mehr alle Anlegestellen anfahren und viele Frachtschiffe nur noch zum Teil beladen werden. Auf der Elbe verkehren schon seit Wochen keine Frachter mehr.

Laut BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen verschärft das Niedrigwasser das Gerangel um knappen Schiffsraum in Zeiten von Ukraine-Krieg und Energiekrise. Zur hohen Nachfrage von Industrie, Landwirtschaft und Handel kämen etwa Kohletransporte beim Wiederhochfahren der Kohlekraftwerke. "Die Zahl der Binnenschiffe ist begrenzt", sagt Schwanen. "Lkws sind keine grundsätzliche Alternative, weil wir so viel größere Mengen transportieren. Schon ein 110-Meter-Schiff kann bis zu 3.000 Tonnen befördern", erklärt der BDB-Chef. "Verteilen Sie das mal auf Lkws." Auch Bahnunternehmen müssten schon eine starke Nachfrage bedienen – bei insgesamt zu wenigen Waggons und Lokführern.

Wenig Spielraum für Binnenschiffer am Rhein in Bonn.

Quellen in Bad Fischau versiegt

Auch in Niederösterreich macht sich die Trockenheit bemerkbar. Wo vor einem Jahr noch Besucher geschwommen sind, warten nun Sand und Holzliegen auf die Gäste des Fischauer Thermalbads. Zwei von drei Quellen sind versiegt, eines der beiden großen Becken in Bad Fischau-Brunn (Bezirk Wiener Neustadt) kann nicht mehr befüllt werden. In Wiener Neustadt sind durch Trockenheit und den damit verbundenen niedrigen Grundwasserspiegel einige Seen fast ausgetrocknet. Hauptgrund sind fehlende oder durch den Klimawandel veränderte Niederschläge.

In Wiener Neustadt blicken manche Anrainer auf eine Lacke statt auf einen Badeteich. Der Wasserstand von Grundwasserseen wie Anemonensee, Föhrensee und Achtersee liegt zum Teil bis zu sieben Meter tiefer als noch im Jahr 2009, teilte das Rathaus auf Anfrage mit: "Seit Sommer 2021 ist der Pegelstand um rund zwei Meter gesunken", im Juni habe es jedoch erstmals eine "leichte Entspannung" gegeben.

Ermäßigte Saisonkarten

Im Fischauer Thermalbad ist derzeit nur mehr eine Quelle aktiv, und das mit rund der Hälfte der üblichen Quellschüttung, sagt Bürgermeister Reinhard Knobloch (ÖVP) zur APA. Das sogenannte Damenbecken kann nicht befüllt werden, der Boden wurde daher für die diesjährige Badesaison mit Sand und Kies bedeckt. Auch der Wasserfall bleibt geschlossen, das Herrenbecken muss wegen der geringeren Durchflussmenge häufiger gereinigt werden.

Sand statt Wasser: das "Damenbecken" im Fischauer Thermalbad.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Zur Ursache für das Versiegen der Quellen ist ein geologisches Gutachten in Arbeit, berichtet der Bürgermeister. Am Alleinstellungsmerkmal "Schwimmen im Trinkwasser" wird jedenfalls festgehalten, eine Umstellung auf Chlorwasser in dem traditionsreichen Bad ist daher kein Thema. "Der Badebetrieb ist nicht besonders beeinträchtigt", so Knobloch. Die Saisonkarten im Fischauer Thermalbad werden heuer ermäßigt angeboten, was laut dem Bürgermeister für einen Rekordverkauf sorgte. Bei Tagestickets sei der Absatz "zufriedenstellend".

Niedriger Grundwasserspiegel

In Baden ist die Förderung von Schwefelwasser in den vergangenen Jahren rückläufig. Von 15 Quellen, deren Schüttungen erfasst werden, sei eine kleine Nebenquelle versiegt, sagte Andreas Rohrer von der Abteilung Wasserwirtschaft. Auswirkungen auf das Thermalstrandbad, die Römertherme oder die Kurbetriebe habe dies allerdings nicht. Hier wird das Schwefelwasser aus drei größeren Quellen genutzt. In Bad Vöslau und Bad Erlach hat die Trockenheit ebenfalls keine Folgen für den Badebetrieb. "Wir beziehen unser Thermalwasser aus rund 1.000 Metern Tiefe", erklärt Walter Kois, Geschäftsführer des Asia-Resorts Linsberg in Bad Erlach.

Im südöstlichen Niederösterreich ist der Grundwasserspiegel laut Martin Angelmaier, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft des Landes, derzeit sehr niedrig. Zum Teil ist auch die Quellschüttung zurückgegangen. Ursache dafür sind die seit Herbst 2021 unterdurchschnittlichen Niederschläge. Im Raum Wiener Neustadt bewege sich der Grundwasserspiegel "bei den Niedrigstständen oder knapp darunter".

Das Zusammenwirken vieler Ursachen führt laut Angelmaier zu einem niedrigeren Grundwasserspiegel. Hauptgrund sind veränderte Niederschläge. Mit Blick auf den Klimawandel sagt Angelmaier: "Wir müssen damit rechnen, dass es längere Trockenheitsperioden geben wird und dann viel Regen innerhalb kurzer Zeit." Der Boden könne jedoch diese Menge nicht aufnehmen, wodurch der Niederschlag in die Gewässer fließe und damit für die Region verloren gehe. Um den Grundwasserspiegel zu erhöhen, wäre "Landregen, also möglichst gleichmäßiger, nicht zu intensiver Niederschlag, ideal", erklärt Angelmaier. Weiters bräuchte es auch Schneelagen, die aber generell weniger werden.

Regionale Unterschiede

In Niederösterreich herrschen indes große regionale Unterschiede: Während es im Weinviertel einen hohen Bedarf, aber wenig Wasser gibt, verfügt das Gebiet der Kalkalpen über große Vorräte bei wenig Verbrauch. Ausgleich schaffen überregionale Versorgungsnetze. Prognosen für den Osten und Nordosten Niederösterreichs sagen bis zu zehn Prozent weniger Grundwasserneubildung bis zum Jahr 2050 vorher. Im Umland von Wien soll der Verbrauch – analog zum Bevölkerungswachstum – um 25 bis 30 Prozent steigen.

Als Maßnahme gegen die Trockenheit wird in Niederösterreich auf Regenwassermanagement gesetzt. Unter dem Motto "Den Regentropfen halten, wo er fällt" analysieren beispielsweise Gemeinden, wie sie auch im verbauten Bereich mehr Wasser halten können. Auch im Agrarbereich kann die Bewirtschaftung angepasst werden, damit es zu weniger Erosion kommt.

In Wiener Neustadt haben private Seenbesitzer nun zum Teil Ausbaggerungen in Auftrag gegeben. "Dies ist im Prinzip die einzige Möglichkeit, die Situation zu verbessern, was aber natürlich am extrem niedrigen Grundwasserstand nichts ändert", heißt es vom Rathaus. Für ein stabiles Ökosystem in den Schotterteichen seien drei Meter Tiefe nötig, sonst leide die Wasserqualität, erläutert Angelmaier zu von der Wasserrechtsbehörde seit längerem aufgetragenen Baggerarbeiten.

Für die Trinkwasserversorgung ist der aktuell niedrige Grundwasserspiegel indes kein Problem, heißt es. Die entsprechenden Brunnen sind viel tiefer gegraben, teilt das Wiener Neustädter Rathaus mit. (APA, red, 8.8.2022)