Auch in Führungspositionen ist Jobsharing möglich, davon sind die beiden Gründerinnen des Portals "Jobtwins", überzeugt.
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Alle Jobportale adressieren seit vielen Jahren Wechselwillige, und die meisten senden regelmäßig aus, dass enorm viele Menschen gerne einen neuen Job hätten. Das Sample entsteht dabei meistens aus simplen Onlinebefragungen. Verschiedene Matching-Algorithmen leisten dann die Basisarbeit.

Katharina Miller und Sigrid Uray-Esterer sind in diesem Bereich nun mit dem maßgeschneiderten Geschäftsmodell "Jobtwins" in der Welt. Beide kommen aus Konzernkarrieren, wo Teilzeitarbeit, sei es erzwungen durch Care-Pflichten oder gewünscht für eine Lebensbalance, meistens ein Ausschlusskriterium für gute Karrieren ist. Oft bedeutet das sogar eine Tätigkeit unterhalb des Qualifizierungsniveaus. Irgendwie ist das in der Unternehmenlogik auch verständlich. Eine Head of Sales in einem Konzern, der in drei Zeitzonen arbeitet, und die Chefin ist donnerstags ab 14 Uhr nicht mehr verfügbar, freitags gar nicht – wie soll das gehen?

Türen auf für Diversität

Da kommen die beiden Frauen mit großen Lösungspaketen, allesamt basierend auf dem Aufteilen einer Funktion. Damit, ist Miller überzeugt, kämen Unternehmen zu insgesamt besseren Ergebnissen und automatisch auch zu mehr Diversität, denn: "Vier Augen sehen mehr als zwei, zwei diverse Zugänge ermöglichen bessere Lösungen."

Ein angenehmer Nebeneffekt für den Nachhaltigkeitsbericht: Das Sustainable Development Goal Nummer fünf, also Diversität und Gleichstellung, wird damit fokussiert angegangen. Plus: Die rund 190.000 Mütter in Teilzeit in Österreich, sagt Uray-Esterer, müssten nicht in Teilzeitjobs verharren und könnten dem Arbeitsmarkt mit voller Qualifikation zur Verfügung stehen.

Katharina Miller und Sigrid Uray-Esterer, die Jobtwins, sehen die Lösung des Fachkräftemangels inklusive des Wunsches nach weniger Arbeitsstunden und mehr Diversität im Teilen von Jobs.
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Die Wirtschaftsförderagentur aws sieht das offenbar genauso oder ähnlich, denn jüngst konnten die beiden Gründerinnen aussenden, dass sie 400.000 Euro an Förderungen aus dem Social-Impact-Topf lukrieren. Apropos Geld: Derzeit ist die Plattform für registrierte User gratis zu bespielen. Unternehmen können verschiedene Pakete kaufen, um dort ihre Teilzeit- oder Jobsharing-Positionen zu posten. Der Matching-Algorithmus bringt die beiden dann zusammen.

Aber ist ein Job, auf zwei Personen aufgeteilt, nicht wesentlich teurer für Unternehmen, und sind Firmen deswegen nicht skeptisch – ganz abgesehen vom Abstimmungsbedarf und anderem internem Mehraufwand? Miller sagt: "Nein, nicht wirklich". Netto bleibe beiden Arbeitenden bei Teilung des Bruttogehalts inklusive Lohnnebenkosten mehr, für Arbeitgeber sei es bis dahin ein Nullsummenspiel. Teurer werde es erst, wenn es um Nebenleistungen, etwa Dienstwagen, gehe.

Gegen den großen Mangel

Miller: "In unseren Gesprächen ist derzeit eine Mehrbeschäftigung von qualifizierten Frauen das Thema, aber es ist ja viel größer. Es geht um Lösungen für den Fachkräftemangel." Der Hintergrund: Fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Österreich arbeiten in Teilzeit, oftmals sind das nur rund 20 Stunden, wie auch der Chef des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf, bekrittelt.

Arbeitsminister Martin Kocher sieht es ebenfalls als großes Thema für den Arbeitsmarkt, mehr Arbeitsstunden für Frauen zu ermöglichen – sei es durch (endlich) verbesserte Infrastruktur in der Betreuung von Kindern, sei es durch unternehmensinterne Lösungen. Vor diesem Hintergrund erscheint es glaubwürdig, wenn die beiden Gründerinnen von "sehr gut anlaufendem Geschäft" berichten.

Wissen nicht verlieren

Bei einigen deutschen Großkonzernen werden Pilotprojekte zu "Ein Job für zwei" bereits großflächiger getestet und eingesetzt. Dabei geht es auch um Ältere, um aus dem Unternehmen Ausscheidende und darum, ihr Wissen und ihre Erfahrung durch innovative Angebote und Arbeitsmodelle in der Organisation zu halten. So bahnt sich nun offenbar in der Fachkräftenot auch eine Erfüllung der Inklusion Älterer ihren Weg in die neue Arbeitswelt.

Im Baukonzern Strabag ist ebenfalls eine Matching-Plattform entstanden, die ihr Geschäft bereits im Markt gestartet hat. Teamup Rocks heißt das Start-up, es sitzt in Stuttgart in Süddeutschland und berichtet ebenfalls von einem gut anlaufenden Geschäft, großem Interesse und bereits erfolgreichen Paarungen für Jobs, die früher bedingungslos nur eine einzige Person machen sollte. (Karin Bauer, 8.8.2022)