Im Vorjahr erzeugten in Österreich rund 1.300 Windkraftanlagen Strom.

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Vor kurzem hat der STANDARD den Klimatreffpunkt ins Leben gerufen – einen Austauschort im Forum für Personen, die sich für die Klimakrise, die großen ökologischen Probleme unserer Zeit und mögliche Lösungsvorschläge interessieren. Der Treffpunkt ist ein Ort zum Diskutieren, aber auch ein Ort des Austauschs zwischen Community und Redaktion. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten beantworten wir regelmäßig die Fragen der Userinnen und User zu Umwelt- und Klimathemen.

Den Anfang macht User Franz A., der uns im Klimatreffpunkt gefragt hat:

Wie viele Windräder (moderne, eher große) braucht es, um ein österreichisches, größeres Gaskraftwerk zu ersetzen, in Jahresleistung gerechnet?

Das Gaskraftwerk Mellach, eines der größeren Kraftwerke in Österreich, hat einen sogenannten Volllaststundenwert von 2.000 bis 3.000 Stunden pro Jahr – wobei der letztere Wert schon die obere Grenze bildet. Das heißt, dass das Kraftwerk jährlich 2.000 bis 3.000 Stunden "auf Anschlag" laufen müsste, um die 1,7 bis 2,5 Terawattstunden Strom zu produzieren, die Mellach jährlich ins Netz einspeist. In Wirklichkeit läuft das Kraftwerk natürlich oft auf Sparflamme – die Volllaststunden sind ein theoretischer Wert, um die Auslastung eines Kraftwerks zu messen.

Ein modernes Windrad kommt laut IG Windkraft auf 2.600 bis 3.000 Volllaststunden und zwischen fünf und sechs Megawatt Nennleistung. Im Mittel erzeugt ein solches Windrad 15 Millionen Kilowattstunden Strom (0,015 Terawattstunden) pro Jahr. Es bräuchte also 166 Windräder, um eine Jahresleistung von 2,5 Terawattstunden zu ersetzen. Bei einer Kraftwerksleistung von 1,7 Terawattstunden bräuchte man entsprechend 111 Windräder.

Wie viele Dächer (in Quadrametern) müssten für dasselbe in Photovoltaik bestückt werden?

Eine Umlegung ist laut dem Branchenverband Photovoltaik Austria schwierig und maximal theoretisch möglich. Dennoch seien circa 5,1 Quadratmeter – das entspricht etwa drei Modulen – Photovoltaik erforderlich, um 1.000 Kilowattstunden bzw. eine Megawattstunde Strom pro Jahr zu erzeugen.

Das Gaskraftwerk Mellach hat wie beschrieben eine Jahresleistung von 2,5 Terawattstunden, also 2.500.000 Megawattstunden. Multipliziert man diese Zahl mit 5,1 Quadratmetern erhält man eine Fläche von 12,75 Quadratkilometern. Im Vergleich: Der Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt hat eine Fläche von rund 19 Quadratkilometern.

Bei einer Kraftwerksleistung von 1,7 Terawattstunden pro Jahr wäre entsprechend eine Fläche von rund 8,6 Quadratkilometern nötig. Das entspricht der Fläche des Wiener Bezirks Ottakring. Würde es also reichen, sämtliche Häuser des 16. Bezirks mit Solardächern auszustatten, um Mellach abschalten zu können? Nein, denn die 8,6 Quadratkilometer beziehen sich nur auf die Dachfläche – und Ottakring besteht auch aus Straßen, Gärten und Parks, die sich nicht mit Solarmodulen bestücken lassen.

Bei Freiflächenanlagen ist der Platzbedarf laut dem Verband um einiges größer. Das liegt am auftretenden Schatten und dem Abstand zwischen den Modulreihen, der in der Freifläche größer sein muss.

Wie ist das mit der Kombi aus Photovoltaik (PV) und Sonnenkollektoren für Warmwassergewinnung? Wäre das nicht eine tolle Sache, gerade für kleinere Anlagen?

Laut dem Branchenverband Photovoltaik Austria ist die Kombination denkbar. Es sei aber eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Denn: Sich zwei unterschiedliche Energiesysteme zuzulegen ist kostenintensiv und wird praktisch nicht angewandt. Das liegt auch daran, dass Photovoltaik in den letzten Jahren günstiger und effizienter geworden ist. Die örtlichen Gegebenheiten und der Bedarf der Anwenderinnen und Anwender beeinflussen die Wahl des Systems zusätzlich.

Mehr und mehr wird die Stromproduktion durch PV aber genutzt, um Warmwasser zu gewinnen – etwa mit dem Einbau von Heizstäben, die mittels PV betrieben werden, so der Verband. Damit nutzen Haushalte häufig Überschüsse aus dem PV-Strom. Wenn viel Warmwasser benötigt wird und die Gegebenheiten für Photovoltaik nicht optimal sind, hat Solarthermie durchaus klare Vorteile.

Warum eigentlich können die westlichen Bundesländer so sehr auf der Bremse stehen, bei Sonnen- und vor allem Windenergie?

In den westlichen Bundesländern wie Tirol, Vorarlberg und Salzburg geht der Ausbau bisher wenig oder nur schleppend voran. Zum Teil liegt das an fehlender Akzeptanz und Skepsis gegenüber Erneuerbaren, die sich wiederum auf politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auswirkt. Widerstand ist aber nicht nur politisch verankert. In Salzburg befürchtet der Alpenverein etwa, dass Windräder das Landschaftsbild und die Natur beeinträchtigen, ebenso Wander- und Skitourenrouten.

Hinzu kommen die Tücken des Föderalismus: Der Bund gibt zwar allgemeine Ziele vor, die Länder entscheiden aber jeweils, wie sie diese umsetzen. So werden die Flächen für Erneuerbare von den Ländern zugewiesen. Diese sogenannte Zonierung ist aber in vielen der westlichen Bundesländer noch nicht weit fortgeschritten, obwohl es sie für den Ausbau braucht. Solange politischer Widerstand vorhanden ist, passiert auch bei der Zonierung wenig.

Oft bringen die Bundesländer auch an, schon einen erheblichen Teil ihres Stroms aus Wasserkraft zu gewinnen. Für die Ausbauziele von Photovoltaik und Windkraft sind Expertinnen und Experten zufolge jedoch alle Bundesländer gleichermaßen gefragt.

Wie viele Stromspeicher werden wir brauchen, wenn wir 100 Prozent auf Erneuerbare setzen?

Das lässt sich bisher nicht seriös beantworten. Laut dem Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) hängt das von vielen Einflussfaktoren ab – etwa wie der Energiemix bis dahin konkret aussieht und wie sich der Verbrauch entwickelt. Zudem ist bedeutsam, wie die Bereiche Verkehr und Wärme aussehen und auf den Strommarkt auswirken. Künftig wird auch eine Rolle spielen, wie sich die Klimakrise auf Stromerzeugung und -verbrauch auswirkt. Für konkrete Angaben müsste man mit Modellen rechnen, die zu allen relevanten Einflussfaktoren Annahmen treffen, so Martina Prechtl-Grundnig vom EEÖ.

Laut Grundnig sei die Energieversorgung der Zukunft komplett anders zu denken, als wir es aktuell kennen. Außer der Energiespeicherung stellen sich viele Fragen. Ein Stromversorgungssystem, das zu 100 Prozent aus Erneuerbaren und damit zu einem guten Teil aus volatilen Quellen bestehe, bedarf laut Grundnig etwa einen guten Mix aus allen verfügbaren Technologien (Wind, Sonne, Wasse, Biogene), die saisonale Schwankungen untereinander ausgleichen. Zudem brauche es so viel erneuerbare Stromerzeugungsanlagen wie möglich, um Flauten zu reduzieren und Überschüsse zu schaffen. Diese Überschüsse könnten mittels Elektrolyse als Wasserstoff zeitlich verlagert werden und so zu einem Ausgleich beitragen.

Nicht zuletzt seien Flexibilitäten im Gesamtsystem zu nutzen – nicht nur bei Erzeugern, sondern auch bei den Verbrauchern. Dazu gehören etwa kleine Speichereinheiten bei Haushalten, die mit Photovoltaik kombiniert werden oder bidirektional ladefähige E-Autos, die sich auch als Speicher nutzen lassen. (Florian Koch, 8.8.22)