Laut Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger gebe es keine Obmannsdiskussion. Dabei stellt er sich klar hinter Kickl. (Hier bei einem Parteitag der FPÖ Tirol im Juli.)

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Wien – In der Causa rund um den aus der FPÖ ausgetretenen ehemaligen Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein hat sich die FPÖ am Montag recht verschlossen präsentiert. Kolportierte Rufe nach der Einberufung des Parteipräsidiums, um wegen des bei Jenewein gefundenen Anzeigeentwurfs gegen die Wiener FPÖ Klarheit zu schaffen, kommentierten Landesparteivertreter zurückhaltend. Scharfe Kritik hingegen übte die FPÖ an den Medien wegen der Berichte über Jeneweins Suizidversuch vom Wochenende.

Laut einem Bericht der Tageszeitung "Österreich" sollen wegen der Causa mehrere FPÖ-Landesgruppen gegen Parteichef Herbert Kickl "Sturm" laufen und umgehend ein FPÖ-Präsidium fordern. Demnach wird von Teilen der FPÖ von Kickl verlangt, in einer solchen Sitzung für "restlose Aufklärung" zu sorgen. Aus der Bundes-FPÖ gab es auf Anfrage am Montag dazu vorerst keine Stellungnahme.

"Wenn es notwendig ist, kommen wir zusammen"

In einem Länderrundruf zeigte sich ein Teil der Landesparteichefs hinsichtlich einer Präsidiumssitzung offen – als Forderung aufstellen wollte das von den Befragten aber niemand. Außerdem stellte sich ein Teil der Landesparteien einmal mehr klar hinter Kickl.

"Wenn es notwendig ist, kommen wir zusammen. Wir reden gerne in Präsenz, um uns alle auf denselben Stand zu bringen. Aber das ist kein Muss und auch kein Krisentermin", sagte dazu Salzburgs FPÖ-Chefin und Bundesparteiobmann-Stellvertreterin Marlene Svazek. Der Bundesparteiobmann, die Landesgruppen und der Generalsekretär seien ohnehin beständig im Austausch. "Es hat von niemandem ein Wort des Zankes und des Haders gegeben. Es gibt keinen Richtungsstreit und keine Turbulenzen. Im Präsidium hat mir das zumindest noch nie jemand direkt ins Gesicht gesagt, und dem Bundesparteiobmann auch nicht", sagte sie.

Tirols FPÖ-Chef: Es gibt keine Obmanndiskussion

Der burgenländische Landesparteiobmann Alexander Petschnig würde die Einberufung eines Präsidiums begrüßen, um Sachverhalte aufzuklären, und geht davon aus, dass ein solches auch stattfinden wird – vielleicht in virtueller Form, da einige wie er selbst gerade auf Urlaub sind. Das Vorgehen Kickls in der Causa wollte Petschnig im Gespräch nicht bewerten, da er die Hintergründe nicht genau kenne. Inhaltlich hält er die Causa aber für aufgebauscht und für ihn ist "nicht vorstellbar", dass Kickl den Auftrag gegeben hätte, Mitglieder der FPÖ Wien anzuzeigen.

Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger erklärte, er sehe keinen besonderen Gesprächsbedarf und damit auch kein dringendes Erfordernis für die Einberufung eines Bundesparteipräsidiums: "Das ist nicht unbedingt notwendig". Kickl sah Abwerzger völlig unbestritten, es gebe überhaupt keine Obmanndiskussion oder gar einen Aufstand gegen den Bundesparteiobmann. Kickl kommuniziere auch innerhalb der Partei ausreichend. "Herbert Kickl ist für mich 24 Stunden am Tag erreichbar", meinte der sich im Landtagswahlkampf befindliche Abwerzger.

Kritik der FPÖ an der Suizid-Berichterstattung

"Ich kenne die Forderungen zur Einberufung eines Parteipräsidiums nicht und stelle sie auch nicht", sagte Kärntens FPÖ-Landesparteiobmann Erwin Angerer. "Der Bundesparteiobmann hat gesagt, das Präsidium wird einberufen, wenn es etwas zu besprechen gibt. Bis dahin warte ich ab." Generell zum Vorgehen von Parteichef Kickl wollte sich Angerer nicht äußern, die Lage sei für ihn schwer zu beurteilen: "Ich kenne die Details nicht." Knapp fiel der Kommentar der steirischen FPÖ aus: "Parteiinterne Sitzungen werden auf allen Ebenen gemäß Satzungen regelmäßig abgehalten und dort berät man aktuelle Entwicklungen."

Lautstarke Kritik übten FPÖ-Vertreter an der medialen Berichterstattung. Er frage sich wo das "journalistische Ehrgefühl, das Verantwortungsbewusstsein, das Berufsethos und die Fähigkeit zur soliden Recherche bei so manchem Vertreter der vierten Gewalt geblieben ist", sagte Kickl in einem Video auf Facebook. "Das persönliche Leid von Hans-Jörg Jenewein (...) wird schamlos öffentlich ausgeschlachtet, um politische Drecksarbeit gegen die FPÖ zu erledigen." Kickl kritisierte weiter, dass in den Medienberichten zur Situation innerhalb der FPÖ ausschließlich anonyme Quellen genannt würden: "Im Unterschied zu manchen Medien stehen wir mit unserem Namen für unsere Aussagen ein." Deren Glaubwürdigkeit sei durch die "Corona-Propaganda" ohnehin schon geschädigt, meinte Kickl.

Svazek hatte schon vor Bekanntwerden des Suizidversuchs Jeneweins von einer medial hochgespielten und leicht durchschaubaren Kampagne gegen die FPÖ gesprochen. "Das ist uns jetzt noch einmal traurig bestätigt worden", sagte sie am Montag. Wenn Medien bei einer so tragischen Geschichte Halbwahrheiten und Gerüchte ohne Rückbestätigung wiedergeben, stelle sich die Frage, wer künftig überhaupt noch politisch aktiv sein möchte. "Da hilft es auch nicht, wenn die Informationen später online korrigiert worden sind."

Forderung nach Diskussion über Medienethik

Scharfe Worte fand auch Abwerzger: "Die mediale Hetze von zwei Tageszeitungen war und ist unter aller Sau". Weder gebe es einen Abschiedsbrief Jeneweins noch habe dieser in einem solchen geschrieben, dass er von Kickl "tief enttäuscht" sei. Dies habe die Schwester Jeneweins, die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch, auch ihm, Abwerzger, gegenüber erklärt. "Hier werden einfach Sachen erfunden. Da müssten sich auch die anderen Medien einmal dagegenstellen", so der Tiroler FPÖ-Chef. Es werde einfach versucht, der FPÖ durch unwahre Berichte zu schaden, weil "Wahlen vor der Tür stehen". Dies sei "kein redlicher Journalismus mehr".

Der steirische FPÖ-Landesparteisekretär Stefan Hermann sagte in einer schriftlichen Stellungnahme, anzumerken sei, wie mit der Privatsphäre von Jenewein umgegangen wurde und welche Falschinformationen in so mancher Berichterstattung aufgetaucht sind – dies sollten auch in Österreich zu einer tiefergehenden Diskussion über Medienethik führen.

Eine Anfrage bei der Wiener FPÖ – gegen die sich die Anzeige ja richtete – blieb am Montag unbeantwortet.

Auslöser: Hausdurchsuchung bei Jenewein

Den Ausgang nahm die Causa vergangenen Donnerstag, als der Parteiaustritt Jeneweins bekannt wurde. Auslöser für die Turbulenzen dürfte ein Zufallsfund der Staatsanwaltschaft bei Jenewein sein. Die Ermittler hatten bei dem Ex-Abgeordneten wegen dessen Kontakten zum früheren BVT-Mitarbeiter Egisto Ott eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Ott wird vorgeworfen, Informationen nach außen getragen bzw. verkauft zu haben, er bestreitet das allerdings vehement. Auf einem der elektronischen Geräte Jeneweins wurde bei der Durchsuchung – zufällig – ein Entwurf für eben jene Anzeige gegen Vertreter der FPÖ Wien gefunden, die im Oktober 2021 anonym von einem "getäuschten und enttäuschten Wähler" eingebracht worden war.

Die Ermittler gehen laut Medienberichten davon aus, dass Jenewein der Verfasser ist. Mediale Spekulationen, Kickl selbst hätte etwas von dieser Anzeige wissen müssen oder würde sogar dahinterstehen, wies dessen Büro bereits klar zurück. Kickl sei über die Anzeige erst "vor wenigen Tagen" in Kenntnis gesetzt worden, hieß es am vergangenen Freitag. Am Wochenende wurde dann bekannt, dass Jenewein in der Nacht auf Sonntag einen Suizidversuch unternommen hat.

Für Aufsehen in den Social Media im Zusammenhang mit Jeneweins Suizidversuch sorgte unterdessen ein Facebook-Posting von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. "Das ist tragisch. Ich wünsche baldige Besserung. Niemand sollte mit einem Suizid aus dem Leben scheiden und davonlaufen, sondern sich den behördlichen Anwürfen stellen und diese helfen, restlos aufzuklären!", sprach Strache dabei die laufenden Ermittlungen an. (APA, 8.8.2022)