Auch Alexander Van der Bellen zeigt in den Social Media gern seine Volksnähe.

Foto: IMAGO/Isabelle Ouvrard

Viel tanzen will er auf Tiktok nicht, lässt Alexander Van der Bellen in einem seiner ersten Videos auf der Social-Media-Plattform wissen. Der amtierende Bundespräsident hat vor wenigen Wochen auf der vor allem von jüngeren Menschen genutzten App einen Account angelegt und dort seine Wiederkandidatur verlautbart. Wahlkampf geht in Österreich längst nicht mehr allein mit dem Ausschenken von Freibier, dem Anbieten von Würsteln mit Senf und energiegeladenen Reden. So betonen die Kandidaten der diesjährigen Bundespräsidentenwahl in ihren Reden, vor allem in den Social Media ihren Wahlkampf führen zu wollen. Das kommt vor allen jenen Kandidaten zugute, die "nur ein paar Tausender" zur Verfügung haben, wie etwa Marco Pogo sein Wahlkampfbudget beschreibt.

Zielgruppen an die Wahlurne bringen

Knapp sechs Stunden pro Tag verbringen Österreicherinnen und Österreicher im Schnitt im Internet. Zu allem Überfluss nutzt praktisch jede Altersgruppe ein anderes Medium, was dem mittlerweile breiten Angebot an Plattformen zu verdanken ist. Wollen Marco Pogo und Co etwa die 16- bis 24-Jährigen der rund 6,4 Millionen Wahlberechtigten erreichen, müssen sie Videos auf Tiktok platzieren. Instagram legt den Fokus auf die 18- bis 34-Jährigen, und Facebook wird vor allem ab einem Alter von 35 Jahren benutzt.

Erreicht wird die Zielgruppe entweder durch eine bereits aufgebaute Followerschaft oder durch bezahlte Werbekampagnen. Das größte Budget unter den Kandidaten bringt Walter Rosenkranz in den Wahlkampf. Rund drei Millionen Euro hat ihm die FPÖ für die kommenden Wochen zur Verfügung gestellt. Das Budget soll in parteinahe Medien fließen, Plakatwerbung und natürlich auch Facebook, wie er in einem Interview mit Ö1 erklärt. Der amtierende Bundespräsident Alexander Van der Bellen beziffert sein Budget mit einer Million, finanziert durch Spenden der Grünen und von Privaten. Der parteilose, ideologisch allerdings von seiner BZÖ- und FPÖ-Vergangenheit geprägte Gerald Grosz zahlt aus eigener Tasche und greift laut eigenen Aussagen auf ein paar Tausend Euro Spenden zurück. Marco Pogo, mit bürgerlichem Namen Dominik Wlazny, schätzt sein Budget wie erwähnt auf, "wenige tausend Euro".

Das Anlegen von Werbekampagnen auf den verschiedenen Meta-Kanälen ist heute keine Kunst mehr. Das sinnvolle Ansprechen der Zielgruppe allerdings schon.
Foto: iab

Es ist kein Zufall, dass der Fokus in diesem Wahlkampf und mit den teilweise sehr geringen Budgets auf Social Media liegt. "Mit Social Media kann man prinzipiell auf sehr günstigem Wege eine größtmögliche Reichweite generieren", sagt Clemens Marischen von der AG Social Media bei IAB Austria dem STANDARD. Über die gängigsten Netzwerke wie Tiktok, Facebook, Instagram, Pinterest und Co lassen sich laut Marischen ohne weiteres mehr als die Hälfte aller wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher gezielt ansprechen. Für ein Posting müsse man etwa zwei bis fünf Euro pro tausend Kontakte rechnen.

"Unabhängig vom Budget ist die Optimierung von Inhalten, Zielgruppe, Frequenz und gewünschtem Output relevant", ergänzt Marischen. Es gehe um ganz viele Faktoren, die eine erfolgreiche Social-Media-Kampagne ausmachen, die im Idealfall Baustein eines Kommunikationskonzepts sein sollte. Es gehe um die gute Aufbereitung von Inhalten, die unmissverständliche Botschaft und auch Glaubwürdigkeit.

Der Facebook-Auftritt von Marco Pogo wirbt für die diversen Jobs des Jungpolitikers.
Foto: Marco Pogo

Passende Inhalte

"Glaubwürdigkeit ist tatsächlich mindestens genauso wichtig", weiß Stefan Schett, Chefredakteur des Neos-Parlamentsklub-Mediums "Materie", angesprochen auf das nötige Kleingeld für einen Wahlkampf auf Facebook und Co. "Wenn man auf den Meta-Kanälen, also Instagram oder Facebook, regelmäßig Beiträge postet und die Followerschaft das likt, dann ist das mehr wert, als Unmengen von Geld in eine Werbekampagne zu stecken." Facebook und Co bestrafen zudem Inaktivität, weshalb alle Kandidaten in den letzten Wochen sehr regelmäßig, vom tagespolitischen Kommentar bis hin zur Eigenwerbung, alles an ihre Fans kommuniziert haben.

Passende Inhalte für die einzelnen Plattformen zu erstellen sei dabei ebenfalls nicht unwichtig, um die unterschiedlichen Zielgruppen von Instagram und Co anzusprechen. Einen TV-Spot einfach auf allen Kanälen auszuspielen ergebe nur wenig Sinn, sagt Schett, auch weil das jeweilige Alterssegment der Plattformen völlig unterschiedlich sei. Würde er heute einen Kanal möglichst günstig bespielen wollen, dann wäre das wohl Tiktok, wo mittlerweile auch alle Kandidaten ein Zuhause gefunden haben. Hier wäre allein mit dem Erstellen von guten Videos sehr viel an Reichweite möglich, so der Social-Media-Experte. "Tiktok belohnt sogar Neueinsteiger, damit diese schnell an Reichweite gewinnen und motiviert sind, noch mehr Inhalte zu erstellen."

In der Regel gelte allerdings, dass man eine gewisse Vorarbeit leisten müsse, um die Zielgruppe in den Social Media zu erreichen beziehungsweise die passende Kampagne nicht allzu teuer werden zu lassen. Es lohnt also der Blick auf die aktuellen Auftritte der aussichtsreichsten Kandidaten.

Der alternde Platzhirsch: Facebook

Ursprünglich war Facebook eine Plattform für Studierende, auf welcher sie die Attraktivität ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen bewerten konnten. Mittlerweile ist Facebook eines der einflussreichsten Medien mit politischer Bedeutung, auch in Österreich.

Auf Facebook hat Grosz über 300.000 Follower. Auch deshalb war seine Empörung groß, als seine Seite am Freitag offline genommen wurde. Laut Grosz ohne Angabe von Gründen. Mittlerweile ist die Seite allerdings wieder online. Die kurzfristige Sperrung und die daraus resultierende mediale Aufmerksamkeit könnten zusätzlich zur Wahrnehmung beigetragen haben. Grosz ist zudem ein sehr aktiver Nutzer, welcher inhaltlich vor allem kritische Worte gegen diverse Regierungen formuliert.

Mit rund 338.000 Followern hat Van der Bellen die größte Reichweite auf Facebook. Es ist auffällig, dass die Kandidaten Inhalte der einzelnen Plattformen spiegeln. Der rote Faden durch den Online-Auftritt des Bundespräsidenten ist geprägt von einer Rhetorik der Menschlichkeit. Er greift tagespolitische Themen auf und ist Teil des Diskurses, den Herr und Frau Österreicher führen. Mit 8.000 Followern ist Rosenkranz ein wesentlich kleinerer Akteur des Diskurses. Seine Facebook-Präsenz spiegeln seine Wahlkampfthemen und Werte wider – "Tradition und Brauchtum liegen mir besonders am Herzen" –, visuell äußert sich das vor allem durch viel Trachtenmuster.

"Wenn man sich die Profile der anderen Kandidaten anschaut, ist es nicht schwierig aufzufallen – es geht ja auch oft mit einer großen Peinlichkeit einher", so Wlazny. Mit circa 23.000 Followern liegt er im Mittelfeld. Der Hauptbanner seiner Facebook-Seite zeigt die Termine seiner Tour als Musiker. Die Seite ist eine Amalgamation seiner Selbst, und so teilt er Beiträge von Show-Auftritten und geht auf Kritik zum Beispiel von Nina Hoppe ein, die meint, "das Amt des Bundespräsidenten ist kein Popkonzert", das Verhalten von Pogo "demokratiegefährdend".

Junge Socialisten: Instagram und Tiktok

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – mit dieser Philosophie versuchen die Bundespräsidentschaftswahl-Kandidaten, vor allem auf jüngere Wähler einzugehen. Die meisten Augenpaare, 189.000, sind dabei auf den amtierenden Bundespräsidenten gerichtet. In den neuesten Beiträgen wurde Van der Bellen viermal beim Händeschüttlen abgelichtet, seinen Kampagne-Slogan aus dem Jahr 2016, "Heimat braucht Zusammenhalt", lebt er also. Thematisch ähnelt Instagram der Facebook-Präsenz, differenziert sich aber von den für Tiktok produzierten Inhalten. Mit humoristischem Touch und Musikuntermalung hat er unter dem Namen @derkandidat_vdb bislang fünf Videos geeilt. Van der Bellen kündigte an, dass die junge Plattform ein wichtiges Medium im Wahlkampf sein wird.

Rosenkranz hat die jungen Plattformen erst kürzlich für sich entdeckt. Vor circa drei Wochen veröffentlichte er auf Instagram seinen ersten Beitrag, zeitlich nah am ersten Tiktok-Video. Mit derzeit 1.367 Followern auf Instagram ist in jedem Fall Aufholbedarf gegeben, sieht man sich die Präsenz der anderen Kandidaten an. Grosz, im Gegensatz, "versucht" Social Media nicht, sondern beherrscht sie. Mit 94.400 Followern und 1,2 Millionen Likes hat er sich auf Tiktok etabliert. Inhaltlich vermarktet er Videoinhalte von seinen Oe24.tv-Auftritten und richtet viele Aufnahmen direkt an die Zuseherinnen und Zuseher. Die Selbstbeschreibung seines Instagram-Accounts ist als einzige der Kandidaten auf Englisch verfasst.

Foto: Walter Rosenkranz

Der große Wiedererkennungswert spielt Wlazny alias Marco Pogo in die Karten, auch wenn die Thematik Künstlername am Wahlzettel eventuell zu Schwierigkeiten führen könnte. Mit 34.700 Followern gewinnt man vielleicht noch keine Wahl, aber der Grundstock an Interessierten ist gelegt. Die Inhalte auf Instagram ähneln denen auf Facebook, mit Bildern zu Konzerten, Kampagnenwerbung und lustigen Elementen aus seinem Alltag als Dominik Wlazny. Diese Selbstironie und die humoristische Note funktioniert auch auf Tiktok gut, 30.900 Follower und eine halbe Million Likes sind das bisherige Ergebnis der Bemühungen.

Die Polit-Bubble: Twitter

Mit rund 170.000 Nutzern zählt Twitter sicher zu den Randnotizen in diesem Wahlkampf, aber gerade für Politiker zählt es mittlerweile zum guten Ton, auf der Plattform vertreten zu sein. Walter Rosenkranz sieht das offenbar nicht so, ist er doch als einer von wenigen nicht auf dem Nachrichtendienst zu finden. Van der Bellen informiert seine rund 280.000 Follower dort seit Dezember 2015, startete seine Präsenz also wenige Wochen, bevor er offiziell seine Kandidatur zur Bundespräsidentenwahl 2016 bekannt gab. Das Profil nutzt er, um beispielsweise zu Jahrestagen mahnend über den Zweiten Weltkrieg zu schreiben, er lobt dort heimische Sportler, wenn diese aktiv an einem Turnier beteiligt sind, oder er nimmt zu tagespolitischen Themen Stellung – etwa zum Fall Kellermayr.

Gerald Grosz, bereits seit zehn Jahren auf Twitter, zählt rund 37.000 Follower und teilt auch hier gerne kritische Worte. Den Politiker Karl Lauterbach bezeichnet er dort als "Horrorclown der deutschen Regierung", Österreichs Politik sei eine "Lachnummer", und "Nehammer hat kein Format, keinen Intellekt und keine Antworten auf die Probleme unserer Zeit".

Seit Juli 2016 konnte Marco Pogo rund 47.000 Twitter-Follower sammeln. Wie auf anderen Plattformen wirbt er auch hier für seine Konzerte, kommentiert tagespolitische Geschehnisse, und in seiner Signatur verlinkt er seinen Turbo-Shop, in dem man Merchandise zur Kunstfigur Pogo kaufen kann. (Sophie Marie Werner, Alexander Amon, 9.8.2022)