Dagmar Belakowitsch und Herbert Kickl zogen vor 16 Jahren gemeinsam in den Nationalrat ein. Sie gelten als enge Verbündete.

Foto: APA/Neubauer

Rund um den Suizidversuch des früheren FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein ist eine Schlammschlacht ausgebrochen. Dabei krachte es am Montag vor allem innerhalb der FPÖ, aber auch zwischen den Blauen und ihrem früheren Koalitionspartner.

Wie berichtet, war Jenewein am Sonntag medizinisch betreut worden, er ist nach wie vor stationär in Behandlung. Ihr Bruder sei "stabil und auf dem Weg der Besserung", sagt FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch dem STANDARD.

Viele offene Fragen gibt es dazu, wie die Nachricht von Jeneweins Notfall an die Medien gelangt war. Die erste Meldung veröffentlichte die Kronen Zeitung, sie wurde auf Twitter rasch von Kanzlersprecher Daniel Kosak verbreitet. Auch das ist ein Grund dafür, warum innerhalb der FPÖ spekuliert wurde, dass die ÖVP die Geschichte "durchgestochen" habe. Zudem wurde Jenewein zwar zuerst nach Wien gebracht, dann aber in Niederösterreich behandelt – und das dortige Spital soll beste, auch private Verbindungen zur ÖVP haben. Die ÖVP wehrte sich gegen diese Darstellung, Kosak sprach auf Twitter von "kruden Theorien" und "Unterstellungen".

In einer ersten Version war in der Krone auch von der Existenz eines "Abschiedsbriefs" zu lesen – und davon, dass Jenewein im Koma liege. Beides sei nicht wahr, sagt Belakowitsch. FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisierte, dass das Leid von Jenewein schamlos von Medien ausgeschlachtet werde.

Schock in der FPÖ

Innerhalb der FPÖ zeigten sich von den Vorgängen viele schockiert. Jenewein ist ein blaues Urgestein, seine erste politische Funktion hatte er dort vor 27 Jahren bekleidet. Vergangene Woche war er aus der Partei ausgetreten – offenbar, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Jenewein steht innerparteilich im Verdacht, Dirty Campaigning gegen Parteifreunde betrieben zu haben.

So soll auf seinem Handy eine anonyme Anzeige gegen Politiker der FPÖ Wien gefunden worden sein. Am Dienstag will deshalb die Spitze der Landespartei tagen. In Wien, aber auch in anderen Bundesländern wie Oberösterreich kursiert die These, dass Jenewein im Auftrag von Kickl gehandelt habe.

Wie sich das alles zugetragen haben soll: Nachdem am 17. Mai 2019 das Ibiza-Video erschienen war, herrschte innerhalb der FPÖ rasch hektische Betriebsamkeit. Missstände sollten abgestellt oder zumindest Sündenböcke dafür gefunden werden. Während die Aufarbeitung lief, wurde die Liste der blauen Sünden immer länger: Ein Netzwerk FPÖ-naher Vereine wurde enthüllt, dazu kam die Spesenaffäre rund um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache. Dessen Parteiausschluss verzögerte die Wiener Landespartei so lange, bis sie sich den Zorn von Bundespartei und anderen Ländern zuzog.

Einfluss der "Ibiza-Partie"

Jenewein hatte sich unter Türkis-Blau als engagierter Verteidiger von Ex-Innenminister Kickl im BVT-U-Ausschuss einen Namen gemacht – offenbar auch deshalb, weil er Hilfe von abtrünnigen Verfassungsschützern bekommen hat, wie Ermittlungen zeigen. Auch in den nächsten U-Ausschüssen sollte Jenewein eine Rolle spielen, künftig ohne Mandat als Referent. Bei seinen Recherchen stieß Jenewein offenbar auf einige undurchsichtige Konstruktionen rund um Strache, blaue Vereine und die FPÖ Wien. Geld floss von der Wiener Landespartei zu PR-Firmen und zu Vereinen; von dort zum Beispiel als Mietkosten zu Unternehmen, an denen auch Strache, sein früherer Weggefährte Johann Gudenus und der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp als stille Teilhaber beteiligt waren. Ein Gespräch mit zwei Beteiligten nahm Jenewein auf, angeblich als Vorbereitung für den U-Ausschuss – manche meinen, er habe belastendes Material gesammelt.

Vor allem Kickl hatte nach dem Rücktritt von Strache darauf gedrängt, den Einfluss der "Ibiza-Partie" zu minimieren. Nach dem Fund der Anzeige sei eine Distanzierung zu Jenewein notwendig gewesen, heißt es aus Kickls Umfeld – fallengelassen habe er Jenewein aber nicht. So sei der auch nicht als Referent entlassen, sondern nur suspendiert worden.

Am blauen Himmel brauen sich jedenfalls einige Gewitterwolken zusammen. Kickls Gegner wollen die Vorfälle zu einer weiteren Attacke auf den Parteiobmann nützen. (Fabian Schmid, 8.8.2022)