Stadtbäume kämpfen mit Abgasen, Trockenheit und Salz. Manchmal sind sie damit überfordert.
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Mit den steigenden Temperaturen der letzten Wochen mehrten sich auch die Sorgen über hängende Blätter und schlaffe Zweige an so manchem Baum in der Stadt. Die Hitzewelle in diesem Sommer hat sich zuletzt immer deutlicher im Stadtbild niedergeschlagen. Viele Jungbäume seien gar kurz vor dem Absterben, schlug die Initiative "Zukunft Stadtbaum" Alarm. Sie wird betrieben von dem Forstwirt Alexander Mayr-Harting und dem Umweltpädagogen Klaus Wechselberger. Ihr Ziel ist es laut eigenen Angaben, in allen Wiener Gemeindebezirken "Hotspots mangelnder (Jung)baumpflege zu erfassen".

Dokumentierte Trockenheit

An Beispielen hierfür fehle es nicht: Auf ihrer Homepage dokumentieren sie seit eineinhalb Jahren Fälle von nicht aufgefüllten Gießsäcken oder aufgeplatzter Baumrinde. Ihr Vorwurf: Die Stadt gieße in besonders heißen Zeiten zu wenig, weshalb zahlreiche Jungbäume bereits vertrocknet und viele davon sogar verstorben seien.

Ende Juni machte die Initiative von sich reden, als sie eine Erklärung publik machte, die Wiener Wohnen ihnen zukommen hatte lassen. Das Unternehmen verwaltet und bewirtschaftet die städtischen Wohnhausanlagen, und damit auch rund 610 Hektar Grünfläche mit etwa 70.000 Bäumen. In einer Stellungnahme hielt die Gemeindebau-Verwaltungsstelle fest, dass "das Bewässern Betriebskosten verursacht, welche von den Mietern zu tragen sind". Diese "in wirtschaftlich problematischen Zeiten im Interesse einer Grünanlagenbewässerung zu erhöhen deckt sich nicht mit dem Unternehmensziel".

Die Passage sei "missverständlich formuliert", räumte eine Sprecherin von Wiener Wohnen inzwischen ein – und sie werde "unseren großen Bemühungen, die Jungbäume durchzubringen", nicht gerecht.

Bäume in besten Händen

Die Wiener Stadtgärten, in deren Zuständigkeit die Pflege der rund 500.000 Bäume in Parks, Wiesen und Wäldern im Stadtgebiet fällt, wiederum halten fest, dass eben diese in "in besten Händen" seien. Alle Jungbäume erhielten "für einen guten Start ins Stadtleben eine besondere Pflege", verteidigt Gabriele Thon, Sprecherin der Wiener Stadtgärten, das Baummanagement der Stadt. Ihr Stamm erhält einen weißen Anstrich, der vor Sonne und Frost schützt. Drei Jahre lang werden sie mindestens einmal wöchentlich händisch gegossen, hinzu kämen Bewässerungssäcke.

50 Gießfahrzeuge

Zu Spitzenzeiten seien 150 Personen täglich mit rund 50 Gießfahrzeugen für die Jungbäume im Einsatz. Dieses Jahr hätten die Wiener Stadtgärten bereits im März und damit einen Monat vor dem geplanten Gießstart mit der zusätzlichen Bewässerung begonnen. Ausfälle würden in einem eigenen Jungbaummonitoring kontrolliert, monatlich neu erfasst und mit den gepflanzten Jungbäumen in Relation gesetzt werden. 2021 habe sich ein Ausfall von rund einem Prozent ergeben. Thons Fazit: "Jungbäume der Wiener Stadtgärten vertrocknen nicht." Es gebe vielmehr zahlreiche andere Gründe für den Ausfall eines Jungbaumes wie Stürme, Verkehrsschäden, Krankheiten wie Pilze und Bakterien oder Schädlinge.

Die Initiative "Zukunft Stadtbaum" dokumentiert abgestorbene Bäume und ruft zum Einsenden von Bildern auf.
Foto: Initiative "Zukunft Stadtbaum"

Nachholbedarf bei Bewässerung

Alexander Mayr-Hartings Fazit hingegen lautet: "Ich unterstelle der Stadt nicht den vorsätzlichen Baummord, aber es gibt großen Nachholbedarf bei der Bewässerung." Das gelte vor allem für die Gemeindebaugründe, wo stellenweise bereits die vierte bis sechste Jungbaum-Generation absterbe. Hier fehle es an Personal und technischer Ausstattung.

Wien ist bekanntlich stolz auf seinen Grünbestand. Die Stadtverwaltung spricht von einem Grünraumanteil von rund 50 Prozent, das sei Weltspitze. Die Stadt freut sich regelmäßig über Spitzenplatzierungen in internationalen Vergleichsstudien über den Anteil von Grünflächen in der Großstadt. Vergangenes Jahr wurde sie sogar mit dem Europäischen Stadtbaumpreis prämiert – was unter anderem mit der verbesserten Anpassungsfähigkeit an die sich wandelnden Klimabedingungen begründet wurde. Das Pflanzen vom Bäumen ist tatsächlich Teil jener Strategie, mit der die Stadt gegen Überhitzung und Versiegelung ankämpft und ihren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten will.

Ersatzpflanzungen und Neupflanzungen

4500 Bäume werden jedes Jahr im Stadtgebiet neu gepflanzt oder ersetzt. Im Vorjahr handelte es sich dabei um über 4.000 Ersatzpflanzungen, den Rest machten Neupflanzungen aus. Insgesamt nähert sich die Zahl der sogenannten Straßenbäume – Bäume auf öffentlichen Straßen, nicht auf Grünflächen – momentan der 100.000er-Marke. Die Bäume sind allerdings höchst ungleich verteilt.

Der Großteil steht in den weniger verbauten Außenbezirken. In den Innenbezirken sowie in manchen Arbeitervierteln außerhalb des Gürtels finden sich ganze Straßenzüge ohne ein Stück grün, dafür mit unzähligen parkenden Autos. Dass aber gerade in der Innenstadt kühlende Grünanlagen "besonders wichtig" sind, hat auch die rot-pinke Stadtregierung in ihrem Koalitionspakt festgehalten. Bis 2025 plant sie deshalb, 25.000 neue Stadtbäume zu pflanzen, davon mindestens 3000 Bäume an mindestens 500 neuen Standorten. Bäume zu setzen, hat eine praktische Bedeutung, die weit über Lifestyleaspekte hinausgeht – während sich Asphaltflächen derart aufheizen können, dass sie zu schmelzen beginnen. In London mussten sie diesen Sommer deshalb mitunter mit Sand behandelt werden.

Mehrere Herausforderungen für Stadtbäume

Nun sind ohnehin schon nicht alle traditionell in Österreich heimischen Bäume für heiße Bedingungen geeignet. Der Stadtbaum steht darüber hinaus gleich vor zweierlei Herausforderung: Erstens jenen, die mit dem Leben in der Stadt einhergehen. Er muss Hitze und Abgase aushalten, außerdem den Stress, den Bauarbeiten oder Schadstoffe bringen. Zweitens hat der Straßenbaum zusätzlich noch mit jenen Schwierigkeiten zu kämpfen, die sich als Folge des Klimawandels ergeben.

Das Straßenbaum-Sortiment der Wiener Magistratsabteilung 42 besteht aus 30 Sorten – und dieses wird stetig weiterentwickelt. Die Anpassung des Baumpflanzungskonzepts an die neuen klimatischen Bedingungen gehe in der Bundeshauptstadt gut vonstatten, befindet Hubert Hasenauer, Professor am Institut für Waldbau an der Universität für Bodenkultur in Wien. Hasenauer meint auch, dass Wien auch in Sachen Bewässerung "sehr genau und sehr gut" vorgehe. Es sei "oft auch ein bisschen Glückssache, wie gut der Boden ist", betont Hasenauer. Nicht jeder Baumtod sei darüber hinaus auf extreme Umweltbedingungen zurückzuführen.

Kurzlebige Kastanien

Kastanienbäume etwa würden in der Stadt prinzipiell nur um die 60 Jahre alt werden. "Die Leute sind dann immer ganz verwundert. Dabei hat das nichts mit Umweltverschmutzung oder Klimawandel zu tun, sondern der ist dann einfach durch." Auch das Absterben zahlreicher Eschen sei nicht klimabedingten Komplikationen geschuldet. Die Todesursache sei hier oftmals ein Pilz, weshalb die Stadtverwaltung inzwischen auf das Aussetzen von Eschen verzichtet.

Der Trend geht Hasenauer zufolge generell dahin, langlebige Bäume zu setzen. Denn Bäume zu setzen, kostet viel Geld – was weniger am Preis für den Baum liegt als an der Auspflanzung. Zwei bis drei Jahre muss ein neuer Baum bewässert werden, ehe man sich sicher sein kann, dass die Wurzeln tief genug in der Erde verankert sind. Größere, ältere Bäume zu setzen sei verlockend, sagt Hasenauer, weil sie bereits eine größere Krone mitbringen. Doch diese bräuchten ihrerseits geraume Zeit, bis sie richtig anwachsen.

Salz statt Rollsplitt

Prinzipiell, so Hasenauer weiter, sei es wichtig, Bäume zu wählen, die hier auch wirklich autochton sind, Ulmen und Linden etwa – außerdem solche, die hitzebeständig seien, wie zum Beispiel Platanen und Pinien. Diese seien zusätzlich auch widerstandsfähiger gegen Streusalz, das Schäden verursache. Dennoch greift man in Wien dennoch vorwiegend darauf zurück statt auf Rollsplitt, trotz der Gefahr durch Feinstaub. Zwar darf Salz in Wien nicht in der Nähe von Grünflächen oder Bäumen gestreut werden. Doch es gibt Sonderregelungen bei akuter Glatteisgefahr.

Die Heftigkeit der heurigen globalen Hitzewelle hat selbst Expertinnen und Experten überrascht. 150 bis 200 Jahre sollen die in Wien gesetzten Bäume stehen. Bis dahin wird sich gezeigt haben, wie gut heimische Bäume in einer womöglich völlig veränderten Stadt klarkommen können. (Anna Giulia Fink, Reinhard Kleindl, 13.8.2022)