Lange war die Teuerung ein statistisches Gespenst. Im Supermarkt spürt man sie jedoch seit Monaten, und mit den steigenden Energiepreisen kommt nun ein wirklicher Brocken auf die Wiener Bevölkerung zu. Wie kürzlich angekündigt, schraubt die Wien Energie die Preise für Strom und Gas ab September kräftig in die Höhe. Konkret wird die Indexanpassung vorgezogen, das passiert sonst Anfang Jänner. Dabei werden Preise für Endkunden an Großhandelspreise angepasst. Den Schritt rechtfertigt die stadteigene Wien Energie mit den international "dramatischen Preisanstiegen".

Betroffen sind die Standardtarife – also Tarife, die weder eine Preisgarantie beinhalten noch sogenannte Floater-Verträge sind, die ohnehin am Großhandelspreis hängen. Der Wien Energie zufolge muss ein durchschnittlicher Dreipersonenhaushalt mit monatlichen Mehrkosten von 57 Euro bei Strom und 108 Euro bei Gas rechnen. Genau in die Karten schauen lässt sich das Unternehmen bei den Preiserhöhungen nicht. Der Preis setzt sich aus drei Komponenten zusammen: dem reinen Energiepreis, Netzkosten und Steuern. Die Mehrkosten für eine Kilowattstunde verrät der Versorger nicht, lediglich die prozentuale Erhöhung auf den Gesamtpreis: 85 Prozent bei Strom, 97 Prozent bei Gas.

Die Aussicht könnte besser sein: Ein Wiener Dreipersonenhaushalt zahlt bald monatlich rund 110 Euro mehr für Gas.
Foto: imago images/Volker Preußer

Preiserhöhung bei Fernwärme

Und wie geht es für die rund 440.000 Haushalte weiter, die mit Fernwärme heizen? Auch hier stehen massive Preissteigerungen an, im Juni wurde eine Erhöhung um 92 Prozent angekündigt. Diese wurde die vergangenen Wochen von einer Preiskommission geprüft, nun sind die Anhebungen offiziell, wie der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) am Dienstag bekanntgab. Hintergrund des Schritts sind die gestiegen Kosten für die Herstellung von Fernwärme. Dabei werden nicht nur Müll und Biomasse verbrannt, sondern auch große Mengen Gas.

Heikel sind die anstehenden Verteuerungen nicht nur aus Verbrauchersicht, sondern auch aus politischer Perspektive – allen voran für die SPÖ. Während die Bundespartei lautstark für eine Senkung der Energiepreise plädiert, nimmt die in Wien regierende Landespartei die vorgezogene Indexanpassung hin. Der für die Wien Energie verantwortliche Hanke erklärte dies zuletzt damit, dass Wien bei "den kriegsbedingten Energiepreisen" lediglich "Passagier" sei. Vielmehr sei die türkis-grüne Bundesregierung gefragt, eine österreichweite Lösung aufzustellen. Zwei eigene Energiegutscheine für die Wienerinnen und Wiener gibt es aber.

Einheitliche rote Linie fehlt

Den Piloten gibt hingegen der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Eine vorgezogene Indexanpassung stand auch bei der landesnahen Burgenland Energie (BE) im Raum, darauf wird aber verzichtet. Die BE könne die Preiskapriolen abfedern, hieß es dazu von Doskozil. Was er nicht dazusagte: Anfang Oktober stehen im Burgenland Gemeinderatswahlen an. Und die will sich die SPÖ wohl nicht vermasseln lassen.

In Niederösterreich, wo die EVN die Strom- und Gaspreise im Herbst analog zur Wien Energie erhöhen wird, sieht die SPÖ – anders als die Genossinnen und Genossen im Wiener Rathaus – sehr wohl Spielraum für die Landesregierung. Johanna Mikl-Leitner, türkise Landeshauptfrau und Vertreterin Niederösterreichs in der EVN, müsse die "Preisexplosion" stoppen, verlangte der rote Landesparteichef Franz Schnabl. Die drei Beispiele zeigen: Der rote Faden in der SPÖ fehlt. Neben den drei Entlastungspaketen, die die Bundesregierung bisher auf den Weg gebracht hat, wird also ein weiteres Mal jedes Bundesland auch seinen eigenen Weg gehen.

Überblick über Direkthilfen und Sofortmaßnahmen

Jänner bis August 2022

  • Energiegutschein: Im Rahmen des ersten Entlastungspakets hat die Regierung einen Energiegutschein an alle Haushalte in Höhe von 150 Euro verschickt, den man noch bis 31. Oktober einlösen kann. Bezugsberechtigt ist, wer als Einpersonenhaushalt nicht mehr als 5670 Euro brutto und als Mehrpersonenhaushalt maximal 11.340 brutto monatlich verdient.
  • Familienbeihilfe Im August gibt es eine automatische Einmalzahlung in Höhe von 180 Euro pro Kind.
  • Wiener Energiekostenpauschale Rund 234.000 Wienerinnen und Wiener mit niedrigen Einkommen haben Anspruch auf eine automatische Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro.Alleinerziehende bekommen einen Zuschlag über 100 Euro, Mindestsicherungs- und Wohnbeihilfebeziehende erhielten den Zuschlag automatisch im Juli 2022. Ein Großteil davon ist bereits ausbezahlt. Arbeitslose und ausgleichszulagenbeziehende Alleinerziehende können seit 1. August ein Online-Ansuchen auf die 200 Euro stellen.

September und Oktober 2022

  • Teuerungsausgleich Personen mit niedrigen Einkommen (Arbeitslose, Mindestpensionisten...) bekommen im September einmalig und automatisch 300 Euro.
  • Pension Bezieher kleiner und mittlerer Pensionen erhalten im September bis zu 500 Euro (je nach Pensionshöhe).
  • Schulstartgeld Gemeinsam mit der Familienbeihilfe gibt es im September 100 Euro für Kinder im Alter von sechs bis 15.
  • Familienbonus Bis Ende September soll der Familienbonus plus von 1750 auf 2000 Euro jährlich für unter 18-Jährige aufgestockt werden. Für über 18-Jährige gibt es 600 statt 575 Euro.
  • Klimabonus Jeder Erwachsene bekommt ab Oktober automatisch 250 Euro. Kinder unter 18 Jahren im selben Haushalt bekommen 125 Euro.
  • Teuerungsbonus Jeder Erwachsene bekommt ab Oktober automatisch 250 Euro . Kinder unter 18 bekommen 125 Euro. Ab einem Jahreseinkommen von 90.000 Euro sind die 250 Euro steuerpflichtig.

Dezember 2022 und Jänner 2023

  • Wiener Energiebonus Jeder Haushalt bekommt im Dezember 200 Euro. Bezugsberechtigt sind Einpersonenhaushalte mit maximalem Jahreseinkommen von 40.000 Euro brutto und Mehrpersonenhaushalte mit maximal 100.000 Euro.
  • Landwirtschaft Jeder Betrieb bekommt einen Versorgungsbonus im Schnitt in Höhe von 1000 Euro wegen gestiegener Kosten. Die Auszahlung erfolgt im Dezember über die AMA.
  • Teuerungsabsetzbetrag Personen mit geringem Einkommen können bei der
    Arbeitnehmerveranlagung Anfang 2023 für das heurige Jahr bis zu 500 Euro absetzen.
  • Kindermehrbetrag Der Steuerabsetzbetrag für Eltern mit kleinem Einkommen wird von 450 auf 550 Euro erhöht und ist über die Arbeitnehmerveranlagung zu beantragen.
  • Valorisierung Lohnnebenkosten werden gesenkt, Familien- und Sozialleistungen an die Inflation angepasst.
  • Wohnschirm Das Programm wird bis 2026 verlängert.
  • Lehrlinge Der Digi-Scheck bringt bis zu dreimal 500 Euro pro Jahr und wird bis 2024 verlängert. (Andreas Danzer, Stefanie Rachbauer, 9.8.2022)