In Lavant in Osttirol ist das erste Wolfsrudel in Österreichs Alpen nachgewiesen worden. Die Elterntiere wurden aber zum Abschuss freigegeben. (Symbolbild des WWF)

Foto: naturepl.com Klein und Hubert WWF

Innsbruck/Lavant – Der Fall der beiden Wölfe im Osttiroler Lavant, die von der Landesregierung am Freitag zum Abschuss freigegeben wurden, ist um eine bemerkenswerte Facette reicher. Denn wie am Dienstag bestätigt wurde, hat das Pärchen offenbar schon Nachwuchs. So konnte im Zuge einer DNA-Analyse eines Rissgeschehens im Lavanter Gemeindegebiet vom 9. Juli "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nachgewiesen werden, dass dieser Vorfall auf das Konto eines Wolfes geht, der von den beiden "Problemwölfen" abstammt.

Auch beim Österreichzentrum Bär Wolf Luchs, das von Bund und Ländern angesichts der Rückkehr großer Beutegreifer als koordinierende Fachstelle gegründet wurde, führt man die Wolfsfamilie bereits unter dem Namen "Hochstadel" als eigenes Rudel, das in der Grenzregion zwischen Osttirol und Kärnten verortet wird. Es ist somit das erste Wolfsrudel in den österreichischen Alpen und das vierte insgesamt im Bundesgebiet – drei weitere Rudel gibt es schon länger in Ober- und Niederösterreich.

Pärchen heulte zusammen

Für den WWF-Wolfsexperten Christian Pichler ist es keine Überraschung, dass sich in Lavant ein erstes Rudel gebildet hat: "Die zwei Tiere haben die Paarungszeit miteinander verbracht, im Winter wurden sie gemeinsam beim Heulen gehört. Wer eins und eins zusammenzählt, hatte diese Vermutung bereits." Pichler appelliert an das Land, den Abschussbescheid für die Elterntiere zurückzunehmen: "Das ist weder rechtlich, fachlich noch moralisch akzeptabel. Daher braucht es eine Prüfung des Bescheids durch das Landesverwaltungsgericht. Wir werden Beschwerde gegen den Abschuss einlegen."

Doch Tirol will trotz Rudelbildung nicht von den Abschussplänen abrücken, wie der zuständige Agrarlandesrat und Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) am Mittwoch bekräftigte. "Diese Problemwölfe töten nicht nur Schafe, sondern auch nahezu ausgewachsene Rinder. Sie sind eine Bedrohung für sämtliche Almtiere. Wir müssen unbedingt verhindern, dass sich ein Rudel bildet, das selbst Rinder reißt", erklärte Geisler in einer Presseaussendung.

In Lavant war Ende Juli erstmals ein 300 Kilogramm schwerer Ochse Wölfen zum Opfer gefallen. DNA-Analysen haben die beiden zum Abschuss freigegebenen Wölfe mit der Namensbezeichnung "108MATK" und "121FATK" als Verursacher bestätigt. Das Land habe zudem ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das bestätige, dass die Entnahme der beiden Tiere durch Jäger juristisch gedeckt sei.

Mit Wölfen leben lernen

WWF-Experte Pichler weist auf die positiven Effekte hin, die mit einer Rudelbildung einhergehen könnten. So nimmt ein Wolfsrudel ein Revier von rund 250 Quadratkilometern für sich in Anspruch. Dort werden keine anderen umherziehenden Wölfe geduldet. Solche Einzelgänger waren hierzulande für bisher für die Risse verantwortlich. "Ein Rudel kann man erziehen und ihm beibringen, dass Schafe keine leichtere Beute als Wild sind", erklärt Pichler.

Für Menschen gehe von einem Rudel nicht mehr Gefahr aus. Wölfe seien scheu und verteidigen ihren Nachwuchs nicht wie etwa Bären, sagt Pichler. Die Rudelbildung zeige, dass die Forderung nach einem "wolffreien Tirol" unrealistisch sei. Laut einer Schweizer Studie gibt es derzeit rund 300 Rudel im Alpenraum, bis zu 800 wären möglich. Besser sei es daher, so Pichler, mit den Wölfen leben zu lernen und den Herdenschutz zu forcieren. (Steffen Arora, 10.8.2022)