Auf Instagram zählt Tate über vier Millionen Follower. Viele davon sind erst in den letzten Wochen dazugekommen.

Foto: Instagram/Tate

"No man is a one woman man" – Männer sollten nicht monogam leben, sagt Andrew Tate in einem seiner vielen Interviews. Diese Idee sei geschaffen worden, um den westlichen Mann bis zu einem "gewissen Grad zu unterdrücken". Man sei als Mann viel selbstsicherer, wenn man "mehrere Frauen gleichzeitig hat oder zumindest viele Frauen, die einen anbeten". Diese Argumentation ist nur eine von vielen, für die Andrew Tate nicht nur Freunde im Netz gewonnen hat. Dem Erfolg des 35-jährigen Ex-Kickboxers hilft dieses Weltbild jedoch mehr, als es im schadet. Auf Tiktok gehört er aktuell zu den ganz großen Stars und ist deshalb gerngesehener Gast in reichweitenstarken Podcasts. Das Geschäft mit der bewussten Provokation.

Das Geschäft mit provokanten Aussagen läuft für Tate gut – er bleibt im Gespräch und wird laufend in reichweitenstarke Podcasts eingeladen.
Foto: Tiktok

Lamborghini und Zigarre

Der auf Tiktok bekannt gewordene amerikanisch-britische Tate zeigt sich gerne in Luxusautos, mit einer Zigarre im Mund oder auch mit diversen Waffen in der Hand. Seine erste Million, so gibt er selbst an, habe er bereits mit 27 verdient gehabt. Damals baute er mit seinem Bruder zusammen ein Webcam-Studio, in dem Freundinnen der beiden rührselige Geschichten gutgläubigen Männer erzählten, um so Spenden zu erschleichen. Nach kurzer Zeit beschäftigten die Tate-Brüder 75 Frauen und nahmen 40 Prozent der Einnahmen für sich. Ein gutes Geschäft, wie er in einem Interview mit "Daily Mirror" Anfang des Jahres stolz erzählte.

Zudem gründete Tate die privat geführte Hustler’s University, die nicht als akkreditierte Bildungseinrichtung gilt. Für rund 40 Pfund im Monat lernen dort zahlende Mitglieder Wissenswertes über den Finanz- und Kryptomarkt – Tate verspricht aber vor allem Einblicke in den Weg zum Millionär. Er selbst gibt an, Billionär zu sein. Für das Anwerben neuer Mitglieder gibt es Prämien. Die Macht der mittlerweile über 100.000 "Studierenden" starken Institution zeigte sich 2022, als Tate dazu aufrief, Interviews von ihm auf Social Media zu teilen. Allein auf Tiktok führte das innerhalb kürzester Zeit zu 11,6 Milliarden Aufrufen mit dem Inhalt Andrew Tate. Die Plattform selbst nahm diese Manipulation des eigenen Algorithmus nicht als Grund, die Inhalte zu sperren. Stattdessen wurden und werden seine Inhalte vermehrt an die junge Nutzerschaft ausgespielt, da offenbar die guten Verweilzeiten für die Videos sprechen.

Im Juli 2022 wurde Tate wohl auch deshalb in der Google-Suche öfter als Donald Trump oder Kim Kardashian eingegeben. Aber schon der Weg zu diesem zweifelhaften Ruhm war von diversen Schlagzeilen und Skandalen begleitet. Im englischen Luton als Sohn einer Catering-Assistentin und eines professionellen Schachspielers aufgewachsen, entschied sich Tate früh für eine Kickboxer-Karriere, die ihm viele Siege und sogar einen Titel einbrachte. 2016 nahm er an der US-Version von "Big Brother" teil, flog aber sehr bald wieder aus der TV-Show. Schuld daran waren zwei Videos, die parallel zur Ausstrahlung an die Öffentlichkeit kamen. In einem sieht man Tate eine Frau mit einem Gürtel schlagen, in dem anderen schreit er eine Frau an, die Prellungen an ihrem Körper zu zählen, die er ihr gleich zufügen würde. Auch wenn sich alle Beteiligten nach der Ausstrahlung dazu äußerten, es habe sich um abgesprochene Sexspiele gehandelt, schien zumindest die TV-Karriere von Tate frühzeitig wieder beendet.

Der Ex-Sportler versuchte danach durch homophobe und rassistische Aussagen auf Twitter aufzufallen. Aber erst als er von zahlreichen Institutionen angezeigt wurde, nachdem er behauptete, Depressionen seien "nicht real", und im Zuge der #MeToo-Debatte meinte, Frauen sollten "eine gewisse Verantwortung" übernehmen, wenn sie vergewaltigt werden, wurde er 2017 von der Plattform gesperrt. Was viele Menschen die Karriere gekostet hätte, ließ die von Tate danach erst richtig losstarten. Auf einmal wurde er in zahlreiche Podcasts eingeladen, vor allem in verschwörungsfreundliche, wie jenen von Alex Jones.

Frauen als Feindbild

Es ist auffallend, wie Tate seit 2018 vor allem Frauen zum Feindbild erkoren hat und dies in den Tiktok-Videos massenhaft verbreitet wird. Zum Beispiel Aussagen wie: "Meine Weiber reden nicht mit anderen Männern, mögen nicht andere Männer. Meine Weiber gehen nicht ohne mich in den Club, sie sind zu Hause." Oder auf die Frage, was er mit seiner Freundin machen würde, wenn er merken würde, dass sie ihn betrügt, antwortet Tate: "Ich hol die Machete raus, schlag sie ihr ins Gesicht und halte sie sehr fest am Nacken!"

All das widerspricht den Richtlinien der Plattform Tiktok in jeder Phase – ist in seiner Formulierung klassischer "Hass im Netz"-Inhalt. Da nutzt es nichts, dass sich die Videoplattform selbst als "inklusiv und unterstützend" beschreibt und angeblich Inhalte sperren würde, die "hasserfüllte Ideologien loben, glorifizieren oder unterstützen".

Der wahre Schaden scheint bereits entstanden zu sein. Abgesehen von dem offenbar auf den Schultern einiger gutgläubiger Jünger aufgebauten Reichtum, werden die Ansichten von Tate im Netz alltagstauglich und finden ihre Fans. Eine Frau bezeichnet Tate unter einem Video als "angsteinflößendsten Mann im Internet", habe er doch einen großen Einfluss auf junge Männer. Eine andere schreibt, dass sich ihr Freund, seit er Tates Videos konsumiert, "dramatisch" zum Negativen verändert hat. In einem Artikel von "The Guardian" wird die Leiterin der britischen Wohltätigkeitsorganisation NSPCC zitiert, die meint, "solche Inhalte in jungen Jahren zu konsumieren kann sehr wohl die Einstellung eines Kindes stark verändern, was etwa in mehr Gewalt gegen Frauen und Mädchen münden kann, sowohl im realen Leben als auch online".

Seinen Fuhrpark nutzt er, um seinen Reichtum zu visualisieren.
Foto: Instagram/Tate

Bisher ist nichts gegen die Verbreitung geschehen. Auch auf Instagram zählt der Ex-Kickboxer über vier Millionen Follower. Junge Männer auf der ganzen Welt bekommen die Tate-Interviews und seine Aussagen laufend in den Feed gespült. Tate wird also weiter provozieren und damit Geld verdienen. Genau wie die Plattformen, auf denen er ausgespielt wird. (Alexander Amon, 10.8.2022)