Der Dokumentarfilm "Aufgewachsen in Afghanistan – 20 Jahre ohne Frieden" begleitet den siebenjährigen Mir zwei Jahrzehnte lang zwischen Armut, Zerstörung, Hoffnung und Fortschritt.

Foto: WDR/ARTE/Seventh Art Productions

Die erneute Machtübernahme der Taliban im August 2021 erlebt Mir in Kabul als Kameramann.

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Mirs Geschichte ist die Geschichte Afghanistans. Der 28-Jährige hat noch nie in einem Land gelebt, in dem Frieden herrscht. Geflüchtet vor dem Krieg und aufgewachsen in einer leeren Höhle zwischen den Ruinen der Buddhas von Bamiyan, war die Hoffnung groß, dass die Amerikaner das Land von den Taliban befreien und stabilisieren. Viele Jahre später bleibt nichts als Enttäuschung. Afghanistan liegt in Trümmern, die Despoten sind wieder an der Macht. Mir erlebt die Rückkehr der Taliban im August 2021 in Kabul, wo er zuvor Politikerinterviews und Blutbäder nach Selbstmordattentaten filmte.

Als Kind wollte er Schuldirektor oder Präsident werden. Doch die Realität hatte andere Pläne mit ihm. Der Schulbesuch in seinem Heimatdorf Sheika glich einem Parcours zwischen der Pflicht auf dem Feld oder in der Kohlemine zu arbeiten und dem Wunsch nach Unterricht. Später war Mir ein Motorrad wichtiger als die mahnenden Worte der Familie, die Schule sei der Ausweg aus der Tristesse. Das preisgekrönte Langzeitprojekt Aufgewachsen in Afghanistan – 20 Jahre ohne Frieden von Phil Grabsky und Shoaib Sharifi, zu sehen in der ARD-Mediathek, zeichnet diesen Spagat einer ganz normalen Kindheit in einem Land nach, in dem nichts normal ist.

Die Dokumentarfilmer lernten Mir als Siebenjährigen kennen und begleiteten ihn 20 Jahre mit der Kamera. Eingebettet in politische Ereignisse, ist das eindrückliche Porträt eines Buben entstanden, der zum Mann reift und mit seiner Familie zwischen Armut und der Hoffnung auf ein glücklicheres Leben changiert. Die Last des Krieges ist dabei allgegenwärtig, oder wie es Mir formuliert: "Wie lange sollen wir noch weinen?" Beeindruckend! (Oliver Mark, 11.8.2022)