Donald Trump ist ein Genie. Niemand sonst ist mit einem Geschäftsmodell, das allen herrschenden Konventionen und Regeln widerspricht, derart weit gekommen und hat einen so massiven Einfluss auf die eigenen und artverwandten Gesellschaften entwickelt.

Sein Geschäftsmodell ist die Diskreditierung der Grundregeln von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für den eigenen Vorteil. Seine Mittel sind die obszöne Verdrehung der Wirklichkeit und eine aggressive Rhetorik, die bei den Fans immer verfängt. In seinen Erzählungen ist er nie Täter, immer nur – wie seine Fans – Opfer. Seine Fehler wirft er seinen Gegnern vor. Das gipfelt in Trumps Behauptung, die Wahl nie verloren zu haben, und im Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol. Eigentlich unglaublich, wie schnell Trump eine ganze Partei in Geiselhaft nahm und die US-Demokratie ins Wanken brachte.

Trumps Anhänger versammeltenn sich vor dem Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida.
Foto: REUTERS/Marco Bello

So spricht er auch im aktuellen Fall der FBI-Hausdurchsuchung in Mar-a-Lago von einer politischen Verfolgung der "radikal linken Demokraten". "Mein wunderschönes Zuhause, Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, wird derzeit von einer großen Gruppe von FBI-Agenten belagert, durchsucht und besetzt." "Belagert, besetzt", wie das US-Kapitol am 6. Jänner 2021. Trump kämpft Aug um Aug, Zahn um Zahn.

Noch sind die Hintergründe und der Anlass für die beispiellosen Durchsuchungen unklar, aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass die aktuellen Vorgänge für die Zwischenwahlen im November politische Wirkung entfalten. Die Republikaner stimmen sich auf einen Wahlkampf ein, der sich gegen einen imaginären "Deep State" richtet. Von drohendem "Bürgerkrieg" wird wieder geraunt. War der Einsatz zu diesem Zeitpunkt eine falsche Entscheidung des Justizministeriums? Hätte man um des Friedens der Nation willen anders vorgehen müssen?

Gräben innerhalb der Parteien

Justizminister Merrick Garland, dem in den letzten Wochen rund um die Untersuchungen zu Trumps Rolle beim Kapitol-Sturm Zögerlichkeit vorgeworfen wurde, ist offenbar jetzt zu einer Konfrontation bereit. Mutmaßlich, weil er gar nicht anders kann, wenn er sein Amt ernst nimmt. Es ist richtig, dass der demokratische und auf Checks and Balances basierende Rechtsstaat nicht vor Trump kapituliert. Niemand steht über dem Gesetz, auch oder gerade ein ehemaliger US-Präsident nicht. Trump will vermutlich 2024 antreten. Davor müssen alle juristischen Vorwürfe gegen ihn auf den Tisch. Das deutlich zu machen, ist von zentraler Bedeutung für diejenigen, die noch zugänglich sind für den besonnenen Austausch von Argumenten.

Die Zwischenwahlen im November werden ein guter Test dafür sein, wie sich die konsequente Vorgehensweise Garlands gegen Trump tatsächlich auswirkt. Die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus scheint zwar jedenfalls verloren, interessant wird aber zu sehen, wie die von Trump unterstützten republikanischen Kandidaten und Kandidatinnen bei den Vorwahlen und in den Midterms abschneiden.

Denn die Gräben verlaufen auch innerhalb der Parteien. Bei den Republikanern sind derzeit die Trump-Befürworter noch in der Mehrheit. Verstrickt sich Trump immer tiefer in juristische Probleme, könnte aber auch der Grand Old Party dämmern, dass ihr Meister sich für das höchste Amt im Staat längst disqualifiziert hat. (Manuela Honsig-Erlenburg, 9.8.2022)