Tom Sturridge als cooler Emo-Titelheld in "The Sandman", zehn Folgen jetzt auf Netflix.

Foto: Netflix

Wien / Los Angeles – Wer sagt, dass Träume nicht wahr werden? Eine Adaption von Neil Gaimans Graphic Novel "The Sandman" erwies sich lange als unverfilmbar, aber schließlich hat es eine schön umgesetzte Streamingserie auf die Welt geschafft. Der titelgebende Held ist kein Schlummerkörner verstreuendes Sandmännchen, sondern ein punkiger Schlafgott. Sigmund Freud und E. T. A. Hoffmann hätte das vielleicht gefallen. Abrufbar auf Netflix.

Der neue Fantasy-Zehnteiler "The Sandman" ist gewiss keine Gutenachtgeschichte für Kinder, sondern ein finsterer Comic mit Wurzeln in der Schwarzen Romantik – nicht zu verwechseln mit E. T. A. Hoffmanns Schauernovelle "Der Sandmann", die schon Sigmund Freud faszinierte. Das Motiv des Sandmanns, der den Kindern die Augen ausreißt, spielt auch in Neil Gaimans Graphic Novel und der gleichnamigen Serienadaption eine Rolle. Ein auf der Erde Amok laufender, fleischgewordener Albtraum, gespielt von Boyd Holbrook (bekannt aus "Narcos"), sticht den Menschen ihre Augäpfel aus. Seine eigenen Augenhöhlen sehen aus wie Miniaturmünder mit Zähnen.

Tod, Schicksal, Verlangen

In der "wachen" Welt kann er nur deshalb sein Unwesen treiben, weil Dream (Tom Sturridge), der Herrscher der Träume, von einem englischen Okkultisten (Charles Dance) fast 100 Jahre lang in einer Glaskugel festgehalten wird, was schreckliche Auswirkungen auf die schlafende Menschheit hat. Nachdem der Traumweber sich endlich befreit hat, macht er sich daran, seine Kräfte und die Kontrolle über die Welt der Träume zurück zu gewinnen. Er hat auch sechs Geschwister, darunter Tod, Schicksal und Verlangen, die alle ihr eigenes Spiel treiben.

Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz

Der englische Schauspieler Tom Sturridge ("Mary Shelley"), der hierzulande noch nicht sehr bekannt ist, passt gut in die Rolle des coolen Emo-Titelhelden mit seinen stacheligen, schwarzen Haaren, seinem Elfenbeinteint, und seinem Weltschmerz. Er ist ein ziemlich nachdenklicher, introvertierter Kerl, der den Zuschauer in eine Welt wilder Mythologie und Weltgeschichte eintaucht. In seinem Traumreich ist alles lebendig, was sich Menschen je ausgedacht haben. Kain und Abel zum Beispiel, die biblischen Figuren, der erste Mörder und das erste Opfer, leben als Nachbarn und haben einen grünen Drachen als Haustier. Fiddler's Green ist im Traumland ein paradiesischer Ort, der in der realen Welt die Gestalt eines netten Mannes annimmt.

Wir begegnen im Lauf der zehn Folgen auch William Shakespeare und Luzifer (Gwendoline Christie aus "Game of Thrones") und besuchen eine Serienmörderkonferenz. Die fünfte Episode ist vielleicht die beste und finsterste von allen. Sie spielt in einem Restaurant, wo ein Verrückter, gespielt von dem großartigen David Thewlis (Professor Quirrell in den "Harry Potter"-Filmen), einen magischen Rubin benutzt, um die Träume der Menschen zu manipulieren.

Teuerste DC-Serie, die je gedreht wurde

Die im Jahr 1996 nach 75 Heften abgeschlossene DC-Comic-Serie (die später in zehn Graphic Novels gebündelt wurde) war aus verschiedenen Gründen bahnbrechend. Damals wollten einige Comicmacher beweisen, dass man auch mit anderem als traditionellen Superhelden-Comics erfolgreich sein konnte. Bemühungen, "The Sandman" in Hollywood zu einem Film zu machen, gab es schon seit 1991, aber er schmorte viele Jahre lang in der Entwicklungshölle. Die Explosion des Streamings hat sich als Glücksfall erwiesen, und der Brite Neil Gaiman hat die Entscheidung von Netflix begrüßt, beträchtliche Ressourcen bereitzustellen, um seine Vision mit Allan Heinberg (der das Drehbuch von "Wonder Woman" geschrieben hat) und David S. Goyer ("Batman Begins") selbst zu produzieren. Laut "Hollywood Reporter" ist "The Sandman" die bisher teuerste DC-Serie, die je gedreht wurde. Sie sieht auch teuer aus – auch wenn sie bei weitem nicht so virtuos wie andere, verwandte DC-Comics wie "Watchmen" oder "Preacher" gemacht ist.

Offiziell gibt es noch kein grünes Licht für eine zweite Staffel, aber auf einen Erfolg ist man vorbereitet. Die Drehbücher sind bereits in Arbeit. Es sollte nicht schwerfallen. "The Sandman" bietet etwa 2.000 Seiten Stoff für Träume. Ein Spin-off gibt es bereits: "Lucifer" läuft hierzulande auf Prime Video. (APA, 10.8.2022)