Überflüssiges Protein wird im Körper abgebaut. Dabei entsteht stickstoffreicher Harnstoff, der mit dem Urin ausgeschieden wird. Experten sehen darin ein wachsendes Problem.
Foto: AP/Jorge Saenz

Ohne Proteine geht es nicht – sie bilden gemeinsam mit Fetten und Kohlenhydraten die Hauptnährstoffe, die wir zum Leben brauchen. Proteine liefern nicht nur Energie, sondern sind als Zellbausteine und Transportstoffe in unzählige biochemische Prozesse unseres Körpers involviert. Die ausreichende Aufnahme von Eiweiß über die Nahrung ist daher für die Gesundheit unerlässlich, Experten empfehlen 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich bei gesunden Erwachsenen. Im Alter steigt der Proteinbedarf auf etwa ein Gramm pro Kilo Körpergewicht.

Für viele Menschen in westlichen Industrienationen ist dieser Wert allerdings illusorisch – sie nehmen viel mehr Eiweiß zu sich. Dafür ist nicht nur ein hoher Fleischkonsum verantwortlich, durch Fitnessideale und den Erfolg von High-Protein-Diäten wurde eine besonders eiweißreiche Ernährung zum Lifestyle-Trend. Die mit Proteinriegeln und Extra-Eiweiß-Produkten gespickten Supermarktregale kommen nicht von ungefähr.

Landwirtschaft und Abwasser

Auch wenn eine übermäßige Proteinzufuhr (je nach Nahrungsquelle) für gesunde Erwachsene nicht unbedingt problematisch sein muss, bringt die Entwicklung Schattenseiten mit sich. Eine davon hat kürzlich ein Forschungsteam um Maya Almaraz von der University of California, Davis, genauer untersucht: In der Masse macht der hohe Proteinkonsum die menschlichen Ausscheidungen zu einem wachsenden Umweltproblem. "Es hat sich herausgestellt, dass viele von uns viel mehr Eiweiß essen, als wir brauchen, und das hat Auswirkungen auf die Ökosysteme", sagte Almaraz, die Erstautorin der Studie im Fachjournal "Frontiers in Ecology and the Environment".

Überdüngung und das Ausbringen von Gülle in der Landwirtschaft ist ein enormer Faktor für den Stickstoffeintrag in Gewässer.
Foto: Imago

Egal, ob es aus tierischer oder pflanzlicher Quelle stammt, überflüssiges Protein wird im Körper abgebaut. Dabei entsteht Harnstoff, der mit dem Urin ausgeschieden wird und viel Stickstoff enthält. Und diese wachsende Stickstoffquelle bereitet Expertinnen und Experten Sorgen. Denn schon jetzt sind die Umweltschäden durch den Stickstoffeinsatz in der Landwirtschaft enorm. Weltweit werden jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen Stickstoff über Düngemittel für den Pflanzenbau ausgebracht. Für die Ernährungssicherheit sind Stickstoffdünger unverzichtbar, doch sie werden zunehmend auch zu einer enormen Umweltbelastung.

Belastete Gewässer

Nicht aufgenommene Überschüsse gelangen in Oberflächengewässer und führen dort zu Algenteppichen und im schlimmsten Fall zu aquatischen Todeszonen, in denen abseits von Mikroben nichts mehr überleben kann. Mit anderen Worten: Der Stickstoffüberschuss löst eine Kaskade aus, die die Wasserqualität und die Artenvielfalt gefährdet. Almaraz und Kollegen haben nun erstmals für die USA abgeschätzt, wie groß das zusätzliche Problem durch Stickstoff aus dem menschlichen Urin ist.

In Nordamerika seien mehr als zwölf Prozent des gesamten Stickstoffeintrags vom Land in die Meere auf das Abwasser zurückzuführen, schreiben die Forschenden. Zwar gebe es längst technische Lösungen zur Abwasserreinigung, mit denen sich das Problem um 90 Prozent reduzieren ließe, doch aufgrund der hohen Kosten kämen diese nicht einmal bei einem Prozent des Abwassers zum Einsatz. "Es gibt aber auch einen anderen Weg, der günstiger und gesünder wäre: eine Ernährungsumstellung", sagte Almaraz.

Effektive Ernährungsumstellung

Mit ihrem Team berechnete die Forscherin, wie viel Stickstoff aus menschlichen Hinterlassenschaften reduziert werden könnte, wenn die US-Bevölkerung wissenschaftlichen Empfehlungen für die Proteinzufuhr folgen würde. Kurzfristig würden etwa zwölf Prozent weniger Stickstoff in Oberflächengewässer gelangen, bis Mitte des Jahrhunderts wäre – trotz Bevölkerungswachstums – sogar mit einem Rückgang um fast 30 Prozent zu rechnen.

Um das zu erreichen, wäre es übrigens nicht nötig, bisherige Ernährungsgewohnheiten vollkommen über den Haufen zu werfen und etwa völlig auf tierische Produkte zu verzichten, sagte Patricia Glibert von der University of Maryland, die selbst nicht an der Studie beteiligt war, zum "Scientific American". Es würde schon reichen, den Konsum von Fleisch und Milchprodukten zu reduzieren – derzeit liefern diese Nahrungsmittel etwa zwei Drittel aller in den USA konsumierten Proteine. "Genießen Sie Ihr Steak, genießen Sie Ihren Burger, aber halten Sie sich bei der nächsten Mahlzeit mit dem Fleischkonsum zurück", sagte Glibert. Ein positiver Nebeneffekt für die eigene Gesundheit wäre ebenfalls zu erwarten – von der Reduktion klimaschädlicher Emissionen ganz zu schweigen. (David Rennert, 11.8.2022)