Die Staatsanwaltschaft Wels sieht sich wieder zuständig. In Deutschland wird gegen zwei Verdächtige ermittelt.

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Zwei Wochen nach dem Suizid der oberösterreichischen Landärztin Lisa-Maria Kellermayr sind mehrere Ermittlungsverfahren zu dem Fall im Gange. Die Medizinerin aus Vöcklabruck war aus der Szene der Corona-Maßnahmen- und Impfgegner massiv angefeindet und bedroht worden. Ein Hassposter etwa sprach davon, ein "Massaker" in der Ordination der Ärztin anrichten zu wollen – samt Details, wie das konkret ablaufen soll.

Inzwischen konnten zwei Verdächtige in Deutschland ausgeforscht werden. Was bisher über sie bekannt ist – und welche Verfahren noch laufen.

59-jähriger Verdächtiger in Bayern

In Bayern konnte ein 59-jähriger Verdächtiger ausfindig gemacht werden. Laut der für Extremismus zuständigen Generalstaatsanwaltschaft München fand vergangenen Freitag eine Razzia am Wohnort des Beschuldigten im Landkreis Starnberg statt. Bei der Hausdurchsuchung durch die Kriminalpolizeiinspektion Fürstenfeldbruck wurden Datenträger sichergestellt. Diese werden derzeit noch ausgewertet.

Der Beschuldigte habe sich kooperativ gezeigt, hieß es. Er soll dem Corona-Maßnahmen-Gegner-Milieu angehören. Ermittelt werde gegen ihn wegen des Vorwurfs der Bedrohung und der Nachstellung, hieß es in einer Aussendung. Es gehe um Äußerungen des Beschuldigten im Internet und in sozialen Medien, in denen er an die Adresse Kellermayrs beispielsweise geschrieben haben soll: "(...) wir beobachten Sie, und wir werden solche Kreaturen vor die in Zukunft einzurichtenden Volkstribunale bringen!"

Einem Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München zufolge hätte der 59-Jährige nach einem entsprechenden Hinweis der Staatsanwaltschaft Wels bereits im Mai von der deutschen Polizei befragt werden sollen. Damals habe der Mann die Aussage verweigert.

31-jähriger Verdächtiger in Berlin

Gegen einen weiteren Verdächtigen wird in Berlin vorgegangen. Allen voran deutsche Medien berichten unter Berufung auf die Berliner Generalstaatsanwaltschaft seit Ende vergangener Woche darüber, am Mittwoch bestätigte diese das Verfahren auch dem Ö1-"Morgenjournal".

Ausgangspunkt waren demnach weitere E-Mails an Kellermayr – unter anderem mit Morddrohungen. Auf Basis dieser Mails habe die Hacker-Aktivistin Nella Al-Lami, die Kellermayr unterstützte, einen amtsbekannten Rechtsextremen ausforschen können. Gegen den 31-Jährigen werde ein Verfahren wegen Bedrohung geführt. Allerdings ist derzeit unklar, ob es sich bei dem Mann wirklich um den Verfasser der Drohmails handelt.

Medienberichten zufolge ist der Beschuldigte jener Mann, der im Fall Kellermayr als "Claas" bekannt wurde. So heißt er allerdings nicht wirklich: Vielmehr bedient er sich der Identität eines anderen Mannes, der gegen rechte Hetze und Hass im Internet vorgeht. Dahinter steckt laut "Spiegel" ein ideologisch gefestigter Neonazi, der bereits früher den deutschen Sicherheitsbehörden aufgefallen war. Der Mann soll für Gewalt gegen seine Gegner offen sein.

Ermittlungen in Österreich

Seit genau einer Woche ermitteln im Fall Kellermayr auch die österreichischen Strafverfolgungsbehörden wieder. Das hat eine etwas längere Vorgeschichte. Kellermayr hat erstmals am 22. November 2021 in Österreich Anzeige wegen der Bedrohungen und Anfeindungen erstattet. Von der Polizei fühlte sie sich allerdings im Stich gelassen, bis heute steht der Vorwurf der Untätigkeit beziehungsweise mangelnder Kompetenz im Raum.

Laut einem Informationsbericht der Oberstaatsanwaltschaft an das Justizministerium hat die Staatsanwaltschaft Wels jedenfalls ein Verfahren gegen unbekannte Täter wegen gefährlicher Drohung zum Nachteil von Kellermayr geführt. Verdächtige seien in Deutschland ausgeforscht worden.

Das Verfahren sei aber mangels inländischer Gerichtsbarkeit eingestellt worden. Die territoriale Zuständigkeit sei nicht gegeben gewesen, erklärte der Leitende Staatsanwalt Christian Hubmer diese Entscheidung. Allerdings seien die zuständigen Anklagebehörden in Deutschland informiert worden – und die Staatsanwaltschaften in München und Berlin ins Spiel gekommen.

Der Suizid Kellermayrs Ende Juli hat aus Sicht der österreichischen Behörden die Lage allerdings geändert. Die Staatsanwaltschaft Wels sieht sich nun wieder zuständig und ermittelt seit vergangenem Donnerstag wieder – wegen gefährlicher Drohung mit Selbstmordfolge. Die "inländische Gerichtsbarkeit" sei wieder gegeben, man arbeite mit den deutschen Anklagebehörden zusammen, hieß es.

An dieser Darstellung gibt es allerdings Kritik. Wenn Kellermayr seit vergangenem Herbst von einem deutschen Verdächtigen im Weg der Telekommunikation massiv bedroht worden sei, hätte das ausreichen müssen, um im Inland ein Verfahren wegen beharrlicher Verfolgung einzuleiten, argumentiert zuletzt etwa die Wiener Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) sieht das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Wels jedoch gedeckt.

Zu wenige rechtliche Möglichkeiten

Abgesehen von dieser verwirrenden Zuständigkeitslage sieht die Oberstaatsanwaltschaft München ein weiteres grundsätzliches Problem: Sie klagte im Ö1-"Morgenjournal" über zu wenige rechtliche Möglichkeiten in derartigen Fällen. Eines der Hauptprobleme, mit denen man kämpfe, seien die kurzen Speicherfristen, etwa für die IP-Adressen, so einer der Oberstaatsanwälte. Das Ermittlungsverfahren dauere von einer Anzeige bis zu deren Abfrage doch eine Zeit, bis dahin seien die Informationen aber meist schon gelöscht. (rach, 10.8.2022)