Im Gastblog gibt die Boku-Absolventin Ramona Cech einen Einblick in das Leben von und die Gefahren für Wildtiere in der Stadt.

Wir haben viele Möglichkeiten zur Verbesserung der (Über-)Lebensbedingungen unserer wildlebenden tierischen Nachbarn in der Hand.
Foto: Ramona Cech

Immer mehr Menschen zieht es in die Städte, die sich auch für zahlreiche, anpassungsfähige Wildtiere als attraktiv erweisen. Städte sind als Wärmeinseln mit milden Wintern ein Magnet für wärmeliebende Arten. Zudem sind unsere Abfälle zuverlässige Futterquellen. Ein Nebeneinander verschiedenartiger Lebensräume (Wälder, Parks, Gärten, Gstätten und Siedlungsräume) bietet Habitate für Wildtiere mit den unterschiedlichsten Ansprüchen. Auch Häuser im dichtbesiedelten Gebiet werden genutzt, zum Beispiel für Nistplätze durch spezialisierte Gebäudebrüter. Allerdings sinkt zunehmend die Zahl und Qualität der Wildtierlebensräume: Baulücken werden bebaut, Straßen wirken zerschneidend und viele Gärten sind nicht wildtierfreundlich gestaltet. Laut Pflegeprotokollen der Wildtierhilfe Wien erlag beinahe die Hälfte aller im Zeitraum 2019 bis 2020 aufgenommenen Tiere ihren Verletzungen. Dennoch gibt es einfache Möglichkeiten einer weitgehend unfallfreien Koexistenz von Mensch und Stadt-Wildtier.

Unfälle mit Verkehrsmitteln oder unsichtbaren Glasscheiben

Als häufigste Verletzungsursache der von der Wildtierhilfe Wien 2019 bis 2020 aufgenommenen Tiere galten Kollisionen mit Glasflächen (zum Beispiel Kohlmeisen, Amseln, Buntspechte, Stadttauben, vereinzelt seltene Eisvögel) oder mit Verkehrsmitteln (vor allem Igel und die Straße in geringer Höhe überfliegende Vögel wie Haussperling und Amsel). Zu den häufigsten Straßenverkehrsopfern zählen auch Eichhörnchen, am Stadtrand auch Feldhasen und Füchse. In Gewässer- und in Waldnähe werden im Frühjahr Amphibien, die zwischen Laichgewässern und Winterquartier wandern, überfahren oder durch den Strömungsdruck schnell vorbeifahrender Autos getötet. Tunnel-Leitanlagen oder zur Paarungszeit aufgestellte Amphibienzäune und mit Warnweste ausgestattete freiwillig mithelfende Bürgerinnen und Bürger ermöglichen Amphibien ein sicheres Überqueren.

Autofahrende können durch langsameres, aufmerksames Fahren vor allem nachts und an Waldrändern sowie entlang bekannter Amphibien-Wanderrouten viele Todesopfer vermeiden. Österreichweit können Menschen auf Straßen verunglückte Tiere beim Projekt Roadkill melden. Bei Roadkill versucht man, Unfallhäufungsstellen und mögliche Ursachen zu identifizieren und künftig zu entschärfen.

Für viele die Straße überquerende Amphibien kommt leider jede Hilfe zu spät.
Foto: Ramona Cech

Kollisionen mit Glasflächen zählen zu den häufigsten von Menschen verursachten Todesfallen für Wildvögel. Die Tiere erkennen Glas nicht und prallen ungebremst dagegen. Sich im Glas widerspiegelnde Pflanzen gaukeln ihnen einen sicheren Landeplatz vor und durchsichtige Glasflächen, zum Beispiel transparente Lärmschutzwände, Verbindungsgänge, Absturzsicherungen oder Wintergärten, locken Vögel ebenso in den Tod.

Glasflächen mit starker Spiegelung oder Durchsicht sind eine der Hauptgefahren für unsere gefiederten Nachbarn in der Stadt.
Foto: Ramona Cech

Verglaste entlang von Vogelzugrouten gelegene Hochhäuser mit nächtlicher Beleuchtung können zum Massentod desorientierter nachts fliegender Zugvögel führen. Große Glasfassaden sind im Kommen, weshalb mit einem steigenden Kollisionsrisiko zu rechnen ist. Glaskollisionsopfer weisen oftmals keine sichtbaren, sondern innere Verletzungen auf. So bleiben sie häufig unentdeckt, weil sie von Aasfressern beseitigt werden oder sich zum Beispiel in Sträucher zurückziehen, wo sie an den Unfallfolgen sterben. Die Pflegeprotokolle der Wildtierhilfe Wien zeigen, dass nur ein Drittel aller 2019 bis 2020 aufgenommenen Vögel, die nachweislich mit Glas kollidierten, überlebte. Die altbekannten Greifvogelsticker wirken leider nicht. Wirklich bewährt haben sich jedoch in Flugtunnel-Versuchen getestete Streifen- oder Punktmuster, die wir auch nachträglich auf Scheiben aufkleben können. Umfassende Informationen diesbezüglich bietet beispielsweise die Wiener Umweltanwaltschaft.

Mit nachträglich aufgeklebten Vogelschutz-Markierungen (an einem Glasvorbau angebrachte fünf Millimeter breite Streifen in 9,5 Zentimeter Kantenabstand), die für Vögel klar als Hindernis erkennbar sind, können mit geringem Aufwand und relativ kostengünstig viele Vogelleben gerettet werden.
Foto: Ramona Cech

Haus- und Wildtiere: Eine friedliche Koexistenz?

Die bloße Anwesenheit unserer Samtpfoten kann Brutvögel im Garten in Panik versetzen, ihr Jagdtrieb stellt für viele Wildtiere eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar.
Foto: Ramona Cech

Zu den häufigsten Verletzungsursachen zählen laut der Wildtierhilfe Wien Begegnungen mit Haustieren, allen voran Katzen, deren Speichel zudem äußerst infektiös ist. Besonders in der Vogelbrutzeit von Mai bis September fallen ihnen Vögel, besonders Kohlmeisen, Amseln und Sperlinge, zum Opfer. Auch Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger wie Igel, Feldhasen, Eichhörnchen oder sogar Fledermäuse bleiben nicht verschont. Der Jagdtrieb der Katzen lässt sich zumindest teilweise durch häusliche Jagdspiele befriedigen, den Erfolg beim Vogeljagen können bunte Halskrausen verringern. Stubentiger sollten möglichst zu Hause beschäftigt, zumindest aber von Mai bis Juni zum Vogelschutz tagsüber nicht ins Freie gelassen werden. Vogelfutterstellen sollten erhöht und nicht direkt neben Büschen, in denen sich Katzen verstecken und anschleichen können, aufgestellt werden. Eine naturnahe Gartengestaltung mit stacheligen Sträuchern als "Festung" gegen Nesträuber, viele Versteckmöglichkeiten wie Totholz- und Steinhaufen sowie ein Gartenteich bieten generell vielen, auch nachtaktiven Beutetieren der Katzen Schutz. Hunde sind generell in geringerem Ausmaß eine Gefahr für Wildtier-Pfleglinge, besteht ja in Städten zumeist Leinenpflicht.

Lebensraumverlust durch Sanierungen und Grünraumgestaltung

Sanierungen von Gebäuden, bei denen Risse und Löcher in Fassaden verschlossen oder Dachböden renoviert werden, führen zu Verlusten von Fledermausquartieren und Kinderstuben von Gebäudebrütern wie brutplatztreuen Mauerseglern oder Sperlingen, Hausrotschwänzen und Turmfalken. Eine Schutzmöglichkeit besteht im Lokalisieren besetzter Quartiere, die bei Sanierungen ersetzt werden müssen. Die Abteilung Umweltschutz der Stadt Wien organisiert beispielsweise seit 2017 ein Citizen-Science-Projekt namens "Mauersegler in Wien" zur Kartierung von Gebäudebrüter-Quartieren. Auch bewohnte Stadtbäume werden vermerkt, um das Überleben der Wildtiere zu sichern.

Maßnahmen der Garten- und Grünraumpflege bergen viele Gefahren für das Wildtierleben. Höhlen- und spaltenreiche Bäume bieten Unterschlupf für Vögel, Fledermäuse, andere Kleinsäuger und deren Nachwuchs. Zur Vermeidung von Unfällen durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume werden für Wildtiere wertvolle Altbäume im Siedlungsraum und an Verkehrswegen gefällt. Zahlreiche Vogelarten brüten in Hecken und Sträuchern. Schnitt- und Pflegemaßnahmen sowie Baumfällungen wirken sich bei fehlenden vorangegangenen Kontrollen auf Nistaktivitäten fatal aus. Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer können durch einen Verzicht auf Schnittmaßnahmen zur Vogelbrutzeit auf Nummer sicher gehen.

Pestizide sind nicht nur ein Problem in ländlichen Gegenden. Pestizidrückstände aus siedlungsnaher Landwirtschaft lassen sich laut einer aktuellen Studie sogar in der Luft im Zentrum von Großstädten wie Wien nachweisen. Selbst geringe, nichttödliche Dosen können Fortpflanzung, Entwicklung und Fitness verschiedenster Tierarten negativ beeinflussen. Daher wäre es ratsam, den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide stark zu reduzieren und in Privatgärten zu vermeiden und stattdessen auf nichtchemische Pflanzenschutzmethoden zurückzugreifen. Häufiges Rasenmähen in Gärten und öffentlichen Grünflächen verwandelt potenzielle Blumenwiesen zunehmend in monotone Wüsten für Insekten. Fehlen Insekten, so fehlt die essenzielle Nahrungsgrundlage für unzählige Arten zum Beispiel Vögel und insbesondere deren Küken, Säugetiere, Amphibien, Reptilien. Mähroboter sind zunehmend in unseren Gärten im Einsatz, köpfen regelmäßig für Bestäuber lebenswichtige Blüten und stellen eine tödliche Gefahr für Kleinsäuger wie Igel, Amphibien, Reptilien und Insekten dar. Igel und viele andere Arten, die als Winterquartier Laub-, Totholzhaufen oder abgestorbene Pflanzenteile benötigen, leiden unter unserem Ordnungsdrang in Gärten. Laubsauger und Laubbläser entfernen und töten zudem unzählige Kleinstlebewesen.

Nächtliche Außenbeleuchtung – eine unterschätzte Gefahr

Nächtliche Beleuchtung führt zu Desorientierung und lockt Insekten wie Nachtfalter in den Erschöpfungstod.
Foto: Ramona Cech

Die negativen Folgen von Kunstlicht in den Nachtstunden, sowohl für tag- als auch nachtaktive Lebewesen, sind zahlreich und betreffen auch uns Menschen. Sie reichen von Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Stoffwechselfunktionen, des Tag-Nacht-Rhythmus sowie saisonaler Rhythmen, des Hormonhaushalts und eines erholsamen Schlafes und bergen auch ein erhöhtes Krebsrisiko. Nächtliche Außenbeleuchtung verbraucht viel Energie, lockt Insekten in den Erschöpfungstod, vergrämt oder desorientiert nachtaktive Tiere, stört Fortpflanzung und Räuber-Beute-Beziehungen, reduziert die Fitness und damit die Überlebenschancen. Nicht notwendige Außenbeleuchtung wie Garten-, Balkon- oder Geschäfts- sowie dekorative Beleuchtungen sollten vermeiden oder auf ein absolutes Minimum und auf begrenzte Zeiträume beschränkt werden. Es empfehlen sich ausschließlich nach unten strahlende Leuchten mit insektenfreundlichen Leuchtmitteln (geringer UV-Anteil, Farbtemperatur unter 3.000 Kelvin). Im deutschsprachigen Raum zertifiziert das "Projekt 22 Uhr – Licht aus" verantwortungsvolle Unternehmen, die jegliche Geschäftsbeleuchtung ab 22 Uhr freiwillig abschalten, was auch den eigenen Geldbeutel und das Klima schont. Die Wiener Umweltanwaltschaft engagiert sich schon jahrelang für eine Reduktion der Lichtverschmutzung und strengere gesetzliche Regelungen.

Gift, Abfälle und weitere Gefahren des Stadtlebens

Weitere Gefahren, die im Siedlungsraum gehäuft auftreten, sind Vergiftungen durch chemische Holzschutzmittel, Zigarettenstummel oder Rattengift. Rattengift wird auch von Fressfeinden und Aasfressern über vergiftete Nager aufgenommen und reichert sich in der Nahrungskette an. Um ein zu hohes Nagervorkommen zu vermeiden, sollten wir beispielsweise keine Lebensmittelabfälle in der Toilette oder im Freien entsorgen. Lichtschächte, gekippte Kellerfenster oder ebenerdige Schwimmbecken ohne Ausstiegshilfe und Taubenabwehrnetze können zu tödlichen Fallen werden. Im Siedlungsraum häuft sich achtlos liegen gelassener Müll wie Angelschnüre und scharfkantige Abfälle, welche Wildtieren zum Verhängnis werden können.

Doch auch in guter Absicht kann Schaden angerichtet werden. Das Füttern von Tauben oder Wasservögeln mit Brot und Speiseresten macht die Tiere krank. Unnötigerweise aufgenommene, vermeintlich verwaiste Wildtiere überleben in unserer Obhut oft nicht. Verletzte Wildtiere sollten Fachkundigen überlassen werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich mit einfachen Maßnahmen viele Gefahren für Wildtiere in der Stadt reduzieren lassen und durch einen umsichtigeren Umgang mit unserer Umwelt unnötiges Tierleid verhindert werden kann. (Ramona Cech, 16.8.2022)