Bronze war einer der großen technologischen Durchbrüche, die die Welt veränderten: Durch die Mischung von Kupfer und Zinn ließen sich härtere Materialien herstellen, die neue Anwendungen ermöglichten und etwa auch zu dünnen Drähten verarbeitet werden konnten. Nicht umsonst wurde ein Zeitalter nach der Legierung benannt. Weltweit führend bei der antiken Bronzeproduktion war lange China, das Europa damals sowohl an Quantität wie auch Qualität übertraf.

Doch viele der grundlegenden Fakten der chinesischen Bronzeherstellung liegen im Dunkeln. Mark Pollard, Archäologe der Universität Oxford, will nun gemeinsam mit Ruiliang Liu (British Museum) eines dieser Rätsel gelöst haben: nämlich die genaue Zusammensetzung der Metalllegierung. Chinesische Bronzegegenstände vor zwei bis drei Jahrtausenden enthalten nämlich auch hohe Bleikonzentrationen. Und das machte Pollard und Liu stutzig.

Älteste technische Enzyklopädie

Chinesische Bronze und ihre Rezepte sind seit rund 100 Jahren Gegenstand archäologischer Untersuchungen. Die Rezepte finden sich in einem Text namens "Kaogong ji", der als die älteste technische Enzyklopädie der Welt gilt und vor etwa 2.500 Jahren entstanden ist. Dieser Text aus der späten Östlichen Zhou-Dynastie (vor 2.800 bis 2.240 Jahren) enthält unter anderem Anweisungen zum Bau von Kutschen oder Musikinstrumenten und sogar Regeln für den Städtebau. Außerdem enthält das Manuskript sechs Rezepte für das Gießen von Bronzeobjekten wie Äxten, Schwertern und Gefäßen.

Diese sechs Bronze-Rezepte beruhen auf zwei Hauptzutaten: Jin und Xi. Äxte und Glocken sollten beispielsweise aus vier oder fünf Teilen Jin zu einem Teil Xi bestehen, während Spiegel zu gleichen Teilen aus beiden Materialien bestehen sollten. Die Rezepte lieferten allerdings keine Erklärung, was Jin und Xi eigentlich sind – vermutlich deshalb, weil der Text für Verwaltungsbeamte und nicht für Handwerker beziehungsweise Metallurgen verfasst wurde.

235 untersuchte Messermünzen

Archäologinnen und Archäologen waren bisher davon ausgegangen, dass es sich dabei logischerweise einfach um Kupfer und Zinn handelt, auch wenn im modernen China Jin für Gold steht. Aber das kann schlecht mit dem damaligen Jin vergleichbar sein.

Pollard und Liu gingen für ihre Studie im Fachblatt "Antiquity" der Sache auf den Grund und untersuchten die chemische Zusammensetzung von 235 sogenannten "Messermünzen", die etwa 2.400 Jahre alt sind. Die Münzen weisen einen Bleianteil von etwa zehn Prozent auf, was viel zu hoch ist, um eine bloße Verunreinigung zu sein. Dennoch wird im "Kaogong ji" kein drittes Metall erwähnt.

So wurde im Alten China Bronze hergestellt. Doch welche Ingredienzen dabei verwendet wurden, ist nicht ganz klar.
Gemeinfrei

Legierungen von Legierungen?

Die Studienautoren vermuten deshalb, dass Jin und Xi ihrerseits vorgefertigte Legierungen darstellen: Jin sei Bronze mit einer Zusammensetzung von 80 Prozent Kupfer, 15 Prozent Zinn und 5 Prozent Blei; Xi eine 50/50-Kupfer-Blei-Legierung. Die Münzen und andere Gegenstände aus Bronze seien demnach in einem zweistufigen Verfahren hergestellt worden. Zunächst wurden zwei Legierungen – eben Jin und Xi – hergestellt. Diese wurden dann zusammengebracht, um daraus eine neue Legierung für die Münzen herzustellen.

Die spektakuläre neue Hypothese findet in der Fachwelt allerdings nicht nur Zustimmung. Jianjun Mei, führender Archäometallurge an der Universität Cambridge, äußerte sich gegenüber dem Fachblatt "Science" skeptisch. Es gebe keine überzeugenden analytischen Beweise für die Behauptung, dass es sich bei Jin und Xi nicht um reines Kupfer und Zinn, sondern um vorgefertigte Legierungen handelt, sagt er.

Alternative Erklärung

Er erklärt den Bleianteil in einigen Bronzen eher damit, dass das "Kaogong ji" von Verwaltungsbeamten und nicht von Handwerkern geschrieben wurde. "Diese Beamten hätten nur auf die wichtigsten Materialien achten können – Kupfer und Zinn." Dennoch begrüßt Mei den Versuch, die Rezepte neu zu interpretieren, wie er im Bericht von "Science" klarstellt: "Wir haben keine Ahnung, wo diese Objekte – Statuen oder Gefäße – hergestellt wurden, wer sie hergestellt hat und woher das Material kam", wird er zitiert. "Der erste Schritt besteht darin, die Technologie zu verstehen, die zur Herstellung der Bronze verwendet wurde." (tasch, 10.8.2022)