Das deutsche E-Auto-Start-up Next.e.go Mobile fuhr durch einen Mantel an die Börse. Das Umfeld für diese Art von Börsengängen ist aber nun ein anderes, Investoren finden kaum noch passende Unternehmen.

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In den vergangenen Jahren hat sich an den Märkten ein neues Phänomen etabliert: ein Börsengang durch einen Mantel. Das Ganze heißt Spac und steht für Special Purpose Acquisition Companies, also eine Zweckgesellschaft für Akquisitionen. Das funktioniert so: Investoren (namhafte und branchenerfahrene) gründen eine Spac, also eine leere Hülle, und bringen diese an die Börse. Andere Investoren können sich an dieser Hülle beteiligen – so wird Geld eingesammelt, mit dem der Spac-Gründer ein Unternehmen kauft und dieses in die leere Hülle einbringt.

Für Unternehmen, die an die Börse wollen, hat diese Konstruktion den Vorteil, dass sie kosteneffizient ist. Gebühren für Investmentbanken oder teure Road-Shows mit Investoren fallen weg, weil der Spac-Gründer diese Marktkenntnis mitbringt. Für die Investoren ist eine Spac ein relativ risikoloses Investment, weil sie der Übernahme zustimmen müssen und im Fall ihre Anteile zum Ausgabepreis wieder zurückgeben können. Sie gehen damit eine Art Wette ein auf das Know-how des Spac-Gründers. Gefunden werden soll ja ein Unternehmen, das an der Börse gut performt.

Neue Ausgangslage

2020 war ein Boom für Spacs. Damals starteten laut den Zahlen von Renaissance Capital mehr als 200 Unternehmen mit einem Volumen von zusammen rund 64 Milliarden Dollar an der Börse. 600 Spacs sind derzeit auf der Suche nach passenden Unternehmen.

Anfänglich waren Spacs ein US-Phänomen, doch auch in Europa haben viele Unternehmen so ihren Weg an die Börse gefunden. Das deutsche E-Auto-Start-up Next.e.go Mobile, Home to go (digitaler Marktplatz für Ferienhäuser und Ferienwohnungen) oder Boxine (Toniebox und Tonies) sind Beispiele dafür.

Doch der Wind hat sich gedreht. Im Vorjahr hatte die US-Notenbank Fed bereits den Markt darauf vorbereitet, die lockere Geldpolitik beenden zu wollen. Zudem kehrte die Inflation nach langer Zeit sinkender oder stabiler Preise zurück. "Die Bedingungen für Spacs haben sich damit deutlich verschlechtert", erklärt Monika Rosen-Philipp, Börsenexpertin der Österreichisch- Amerikanischen Gesellschaft (ÖAG). Die steigenden Zinsen und die hohe Inflation führten zu einer zunehmenden Risikoscheue bei Anlegern. Vor allem im Tech-Sektor habe sich das schon gezeigt, sagt Rosen-Philipp.

Zwei-Jahres-Frist erhöht Druck

Für Spacs ist das deswegen ein Thema, weil in der Regel ein Investment innerhalb von zwei Jahren gefunden werden muss. Danach läuft die Zeit ab, und der Gründer muss das eingesammelte Kapital an die Investoren rückerstatten. Während es im Vorjahr nur eine Liquidation gab, waren es heuer schon zehn – darunter ein prominenter Name.

Hedgefonds-Manager Bill Ackman hatte im Juli 2020 zwar die weltgrößte Spac gegründet, es gelang ihm aber nicht, diese mit Leben zu füllen. Letztlich musste er Anfang Juli 2022 vier Milliarden Dollar an die Anleger zurückzahlen. Pläne von Ackman, sich mit dem Vehikel mit zehn Prozent an der von Vivendi abgespaltenen Universal Music zu beteiligen, waren am Veto der US-Aufsichtsbehörden gescheitert. Der Milliardär stieg stattdessen bei Universal mit seinem Hedgefonds Pershing Square ein.

Kein IPO im Juli

Im Juli schaffte es erstmals seit Monaten keine einzige Spac an die Börse. "Der Spac-Boom gehört offiziell der Vergangenheit an", bringt es CNBC auf den Punkt. Zu dem schwieriger gewordenen Marktumfeld kommt hinzu, dass die US-Aufsicht SEC die Spacs stärker regulieren möchte. Laut einem im März vorgelegten SEC-Regelungsentwurf sollen Spacs künftig ähnlich stark geschützt werden wie normale Börsengänge, die klare Vorschriften haben. Bei den neuen SEC-Vorgaben geht es unter anderem um die Geschäftsprognosen jener Unternehmen, die später in den Spac-Mantel schlüpfen sollen. Diese hatten sich häufig als übertrieben optimistisch herausgestellt. Vor normalen US-Börsengängen dürfen Unternehmen ihre Investoren dagegen praktisch gar nicht mit Prognosen locken. Die lockereren Vorschriften waren ein Faktum, das die Hüllen für Initiatoren attraktiv gemacht hatte.

Die Verlockung mit der Prognose ging aber nicht wirklich auf. Viele Spacs entwickelten sich an der Börse enttäuschend, nachdem sie mit Leben befüllt wurden. Das zeigt auch der Post-Spac-Index von CNBC, der den Wert jener Unternehmen widerspiegelt, die durch eine Spac an die Börse gebracht wurden. Sein Hoch hatte der Index im November 2020 bei einem Wert von 155 Punkten. Aktuell steht der Index bei 44 Punkten. Zur Einordnung: Zu Jahresbeginn lag der Index noch bei 81 Punkten – er hat sich also halbiert.

Spiel auf Zeit

Vielen Spacs läuft aufgrund der Zweijahresfrist nun die Zeit davon. Damit steigt der Druck, rasch noch Unternehmen für den Mantel zu finden, bevor das Geld an die Investoren zurückgezahlt werden muss. Kein leichtes Unterfangen im aktuellen, von Unsicherheiten geprägtem Umfeld. Oder, wie Jay Ritter, Professor für Finanzen an der Universität von Florida, es ausdrückt: "Ich denke, das war eine einmalige Erfahrung, genau wie während der Internetblase." Vor einem Jahr habe der gesamte Markt überbezahlt, und jetzt gebe es einen Reset. "Eine Bewertung von 500 Millionen US-Dollar für ein Null-Einnahmen-Unternehmen anzugeben – diese Zeiten sind vorbei", sagt Ritter zu CNBC.

Viele der Spac-gelisteten Unternehmen notieren an der Nasdaq. "Das Klima für Tech-Unternehmen war in der ersten Jahreshälfte winterlich", formuliert es Rosen-Philipp. Wenn es zu einer Erholung kommt, sieht die Expertin aber genau dort wieder die größten Chancen, denn: "Im Juli hat die Nasdaq zwölf Prozent zugelegt und damit die anderen Indizes outperformt." (Bettina Pfluger, 11.8.2022)